Stadt München verlangt von Airbnb Vermieter-Daten
Auf der Online-Plattform des Unterkunftsvermittler Airbnb inserieren Gastgeber anonym Ferienwohnungen. Nach dem bayerischen Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG) dürfen Gemeinden die Vermietung von privaten Wohnräumen für länger als acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung von einer behördlichen Genehmigung abhängig machen. Davon hat die Landeshauptstadt München Gebrauch gemacht. Im August 2018 forderte sie Airbnb per Bescheid auf, Auskunft über sämtliche das Stadtgebiet betreffende Inserate über Unterkünfte zu erteilen, die länger als zulässig vermietet wurden, insbesondere die Namen der Gastgeber und die Anschriften der Unterkünfte mitzuteilen. Das Verwaltungsgericht München wies die Klage von Airbnb gegen diesen Bescheid ab. Dagegen legte Airbnb Berufung ein.
VGH: Geltung des "Doppeltürprinzips"
Die Berufung hatte Erfolg. Der VGH hat den Bescheid der Stadt München und das VG-Urteil aufgehoben. Der Bescheid sei rechtswidrig. Nach dem "Doppeltürprinzip" bedürfe es beim Datenaustausch zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung korrespondierender Ermächtigungsgrundlagen für die Abfrage und die Übermittlung der Daten. Das "Doppeltürprinzip" gelte auch beim Datenaustausch zwischen einem privaten Telemediendienstleister und einer Auskunft suchenden staatlichen Behörde. Als legitimierende Rechtsgrundlagen kämen hier für die Datenabfrage die Regelungen der Art. 3 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5 ZwEWG, § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 und Satz 4 ZeS (Satzung der Landeshauptstadt München über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum) und für die Übermittlung § 14 Abs. 2 TMG in Betracht.
§ 14 Abs. 2 TMG erlaubt Auskünfte nur "im Einzelfall"
Die "datenschutzrechtliche Öffnungsklausel" des § 14 Abs. 2 TMG erlaube dem Diensteanbieter eine Erteilung von Auskünften aber ausdrücklich nur "im Einzelfall". Da hier Auskünfte in schätzungsweise rund 1.000 Fällen angeblich zweckfremd genutzter Wohnungen verlangt würden, handle es sich nicht um Auskünfte im Einzelfall. Lege man die landesrechtlichen Regelungen, die dieses Merkmal nicht enthalten, wie die Stadt dahin aus, dass eine generelle und flächendeckende Auskunftserteilung verlangt werden kann, fehle es bereits an korrespondierenden Ermächtigungsgrundlagen im Sinne des "Doppeltürprinzips".
Landesrechtliche Regelungen verfassungskonform um Merkmal "im Einzelfall" zu ergänzen
Die Auslegung durch die Stadt sei aber auch verfassungswidrig. Unter der Geltung des Grundgesetzes verpflichte das Rechtsstaatsprinzip alle rechtssetzenden Organe des Bundes und der Länder, ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, dass die Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Konzeptionelle Entscheidungen des zuständigen Bundesgesetzgebers dürften auch durch auf Spezialzuständigkeiten gründende Entscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht unterlaufen werden. Die landesrechtlichen Regelungen seien daher zur Vermeidung eines Konflikts mit dem höherrangigen § 14 Abs. 2 TMG verfassungskonform dahin auszulegen, dass sie eine Abfrage von personenbezogenen Daten ebenfalls nur im Einzelfall ermöglichen.
Keine anlasslose, generelle und flächendeckende Verpflichtung zur Auskunftserteilung
Durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "im Einzelfall" habe der Bundesgesetzgeber mit Blick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eine anlasslose, auf bloße Mutmaßungen gestützte, generelle und flächendeckende Verpflichtung zur Auskunftserteilung ausgeschlossen und die Eingriffsschwelle bewusst hoch angesetzt. Denn zum Inbegriff eines freiheitlichen Gemeinwesens gehöre es, dass sich die Bürger - auch im Internet - grundsätzlich frei bewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Zeugnis ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein.
Konkreter Anfangsverdacht erforderlich – Keine "Datenerhebung auf Vorrat"
Eine Auskunft "im Einzelfall" erfordere einen konkreten personen- oder objektbezogenen Anfangsverdacht. Eine generelle und flächendeckende "Datenerhebung auf Vorrat" komme nicht in Betracht. Weder das Grundgesetz noch einfaches Bundes- oder Landesrecht gäben der Stadt eine Befugnis, die Rechtstreue ihrer Bürger ohne Vorliegen eines konkreten personen- oder objektbezogenen Anfangsverdachts einer allgemeinen Kontrolle "ins Blaue hinein" zu unterziehen. Die Stadt begehre die Auskunft hingegen lediglich auf der Grundlage eines bloßen abstrakten Gefahrenverdachts und damit letztlich "ins Blaue hinein", um mit den gleichsam "auf Vorrat" erhobenen Datensätzen erst ihre eigenen Ermittlungen im Hinblick auf das Vorliegen einer Verwirklichung des Tatbestandes der Zweckentfremdung zu beginnen.
Mehrfache Vermietung allein begründet keinen Anfangsverdacht
Allein die Tatsache einer gelegentlichen, eventuell auch mehrfachen, kurz- oder auch längerfristigen Vermietung oder Gebrauchsüberlassung reicht angesichts der mannigfaltigen Möglichkeiten einer vollkommen legalen (genehmigten) Nutzung ohne das Hinzutreten weiterer, eindeutig auf eine Zweckentfremdung hinweisender Umstände regelmäßig nicht aus, um die Annahme eines konkreten Anfangsverdachts zu rechtfertigen. Dies gilt auch, wenn ausschließlich ein Vorname oder Pseudonym ohne weitere Anschrift oder Adresse verwendet wird.