Referendarszeugnis muss unverzüglich erteilt werden

Weil sich eine Rechtsanwältin für ein Stationszeugnis gut vier Monate Zeit ließ, verhängte die Kammer ein Zwangsgeld. Der AGH Nordrhein-Westfalen betonte, dass sie das Zeugnis unmittelbar nach Ausbildungsende hätte erteilen müssen. Und legte ihr für das inzwischen erledigte Verfahren die Kosten auf.

Eine Rechtsreferendarin war bis zum 31.7.2017 in Ausbildung bei einer Anwältin. Mit der Übersendung des Zeugnisses ließ die Juristin sich jedoch Zeit – sage und schweige bis zum 8.12.2017, und da ging die Beurteilung auch nur per Mail ein. Alle Versuche, sie vorher dazu zu veranlassen, blieben ohne Erfolg, darunter drei Schreiben der Präsidentin des LG Essen, telefonische Mahnungen und sogar eine letztmalige Fristsetzung. Die Gerichtschefin hatte unmittelbar vor der Übersendung der Stationsbewertung die Rechtsanwaltskammer Hamm verständigt, die ein berufsrechtliches Verfahren einleitete und ein Zwangsgeld von 500 Euro androhte, welches sie alsbald auch tatsächlich festsetzte. Doch fast fünf Monate lang äußerte sich die Anwältin nicht wie verlangt zu den Vorwürfen.

Mit Schreiben vom 30. April 2018 erklärte sie dann, dass sie irrtümlich davon ausgegangen sei, mit der Übersendung der Stationsbewertung an das LG sei "die Sache erledigt" gewesen. In der verspäteten Übermittlung sah sie keinen Verstoß gegen das Berufsrecht: Durch das (konkludente) Berufen auf ihr Schweigerecht sei insoweit keine weitere Äußerung gegenüber der Kammer notwendig gewesen. Daher bat sie darum, von Zwangsmaßnahmen abzusehen, und beantragte ausdrücklich eine Entscheidung der Anwaltsrichter.

"Akte außer Kontrolle"

Ein halbes Jahr später teilte die Anwaltskammer Hamm mit, dass sich aufgrund der Stellungnahme ihres Mitglieds die Festsetzung des Zwangsgelds erledigt habe – eine Beitreibung erfolge nicht mehr. Allerdings wies sie darauf hin, dass ihr keinerlei Gründe genannt worden seien, warum die Referendarin so lange hatte warten müssen. Und nun wurde es kurios: Der Berichterstatter des AGH nahm Ende 2021 mehrfach telefonisch Kontakt mit der Frau auf, damit sie ihren Antrag auf eine Entscheidung des Gerichts zurückziehen möge. Woraufhin sie ein entsprechendes Schreiben "zeitnah" ankündigte. Im folgenden Jahr geriet die Akte dann "außer Kontrolle", wie es im Entscheid aus Hamm heißt. Nach einer Rekonstruierung der Akte im Jahre 2024 gab es demnach erneut wiederholt Telefonate mit der Antragstellerin, die erneut eine Rücknahme ihres Antrags ankündigte – doch wieder geschah nichts.

In der Hauptsache hatte sich das Gerichtsverfahren längst erledigt, weil der Kammervorstand schon im Juni 2018 die Aufhebung des Zwangsgelds beschlossen hatte. Doch brummte der AGH der Anwältin zumindest die Kosten des Verfahrens auf (Beschluss vom 23.08.2024 - 2 AGH 12/18). Die Begründung: Sie hätte am Ende den Prozess voraussichtlich verloren. Denn laut der vorgelegten Postzustellungsurkunden seien ihr sowohl die Androhung eines Zwangsgelds als auch dessen Festsetzung zugegangen. "Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die entsprechenden Zustellurkunden (...) unrichtig seien, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen." Unabhängig davon habe sie die Ursache für das gesamte Verfahren gegeben, indem sie ihrer Verpflichtung aus § 46 JAG NRW, das Zeugnis unverzüglich nach Abschluss der Ausbildung zu erteilen, nicht nachgekommen sei.

AGH Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.08.2024 - 2 AGH 12/18

Redaktion beck-aktuell, ns/jja, 20. September 2024.