Ein Rechtsanwalt hatte seine Kammer ersucht, seine Befreiung von der Kanzleipflicht zu verlängern. Die Anwaltskammer bat ihn daraufhin drei Mal um weitere Auskünfte, um darüber entscheiden zu können. Die beiden letzten Schreiben wurden dem Anwalt elektronisch über das beA mit elektronischem Empfangsbekenntnis übersandt. Nach Erhalt des letzten Schreibens wandte sich der Anwalt schriftlich an die Kammer und teilte unter Bezugnahme auf alle drei Schreiben mit, dass er den Kanzleisitz nicht mehr betreibe.
Die Kammer erteilte dem Anwalt dafür eine missbilligende Belehrung: Er habe keine Empfangsbekenntnisse zu den letzten beiden Schreiben erteilt und damit gegen § 14 BORA verstoßen. Gegen die Rüge der Anwaltskammer klagte der Anwalt - mit Erfolg, denn der AGH Berlin gab ihm recht (Urteil vom 17.07.2025 - I AGH 11/23).
Empfangsbekenntnis musste nicht elektronisch erteilt werden
Zwar sei der Vorstand der Rechtsanwaltskammer nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 4 BRAO grundsätzlich berechtigt, den Kammermitgliedern bei berufsrechtswidrigem Verhalten eine missbilligende Belehrung zu erteilen, stellte der AGH klar. Er bestätigte auch, dass Anwältinnen und Anwälte nach § 14 S. 1 BORA verpflichtet seien, Empfangsbekenntnisse unverzüglich – mit dem Datum der Kenntnisnahme versehen – zu erteilen.
In diesem Fall kam es jedoch darauf an, wie ein Empfangsbekenntnis zu erteilen ist. Das entscheide sich nach den für die jeweils einschlägige Verfahrensart geltenden Regelungen, so der AGH. § 173 Abs. 3 ZPO, nach dem eine elektronische Zustellung dem Gericht durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachzuweisen ist, greife hier – anders als die Kammer meine – nicht. Schließlich sei die Anwaltskammer kein Gericht, sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Für das Zustellungsverfahren sei hier das Verwaltungszustellungsgesetz anzuwenden. Danach sei die Anwaltskammer befugt gewesen, dem Anwalt die Schreiben elektronisch gegen Empfangsbekenntnis zuzustellen (§ 5 Abs. 4 VwZG). Wie das Empfangsbekenntnis an die Kammer zu übermitteln sei, regele das Verwaltungszustellungsgesetz indes nicht. So heißt es in § 5 Abs. 7 S. 1 VwZG lediglich, zum Nachweis der Zustellung "genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behörde durch die Post oder elektronisch zurückzusenden ist".
Schreiben des Anwalts dokumentiert Empfangswillen
Hier sei der Wille des Anwalts, alle drei Schreiben der Kammer als zugestellt anzunehmen, aus seinem eigenen Schreiben zu entnehmen, in dem er auf die ganze Korrespondenz Bezug genommen habe. Eigentlich solle dieser Wille zwar mit dem Empfangsbekenntnis beurkundet werden. Ergebe er sich aber – wie hier – aus dem sonstigen Verhalten des Anwalts, dürfe keine missbilligende Belehrung erteilt werden. Etwas anderes gelte nur, wenn dem Rechtsanwalt in diesem Zusammenhang weitere Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien.
Das schloss der AGH hier aus. Ihm sei allenfalls vorzuwerfen, dass er das Empfangsbekenntnis zu dem zweiten Schreiben nicht unverzüglich erteilt habe. Das aber habe die Anwaltskammer gar nicht gerügt. Sie werfe dem Anwalt vor, das Empfangsbekenntnis gar nicht erteilt zu haben – was hier gerade nicht zutreffe.