Das Anwaltsgericht München lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen Rechtsanwalt ab. Die Rechtsanwaltskammer München hatte ihm vorgeworfen, dass er einen anderen (inzwischen verstorbenen) Anwalt trotz dessen bestehendem dreijährigem Vertretungsverbot in der mündlichen Zivilverhandlung mit Zustimmung des Vorsitzenden als "internen Bevollmächtigten" für sich auftreten ließ. Er hatte Ausführungen zur Sache, die Ablehnung eines gütlichen Vorschlags, zur Beendigung des Rechtsstreits und die Beantragung einer Schriftsatzfrist übernommen.
Das AnwG lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab: Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft konnte es keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den Juristen erkennen. Es fehle an einer hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage für die Ahndung einer berufsrechtlichen Pflichtverletzung. Die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft München scheiterte.
Beteiligung an dem Verstoß ist nicht normiert
Der AGH Bayern bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz (Beschluss vom 15.07.2024 – BayAGH II – 3- 1/23). Weder habe der Anwalt Beihilfe zum Verstoß des Kollegen noch einen eigenständigen anwaltsgerichtlich zu ahndenden berufsrechtlichen Verstoß begangen, auch wenn klar eine Umgehung vorgelegen habe. Eine entsprechende Pflicht sei nicht normiert, nicht in § 43 BRAO (Allgemeine Berufspflicht und kein Auffangtatbestand für berufliche Pflichtverletzungen) und nicht in der BORA, so die Münchner Richterinnen und Richter.
Das Argument der Generalstaatsanwaltschaft, die keine ausdrückliche Regelung möglicher Beteiligungsformen an einer gesetzlich geregelten Pflichtverletzung im Berufsrecht verlange (Gefahr einer Regelungslücke), teilte das oberste bayerische Anwaltsgericht nicht. Zwar sei dem Senat klar, dass die beiden Anwälte den weiten Ermessensspielraum des Gerichts ausgenutzt haben. Der AGH stellte aber klar, dass es Sache des Gesetzgebers sei, die Beteiligung an einem Vertretungsverbot oder dessen Umgehung zu regeln. Aktuell sei aber nur die Zuwiderhandlung gegen ein Vertretungsverbot durch den betreffenden Rechtsanwalt selbst sanktioniert. Dann greife § 114a BRAO, der aber insbesondere nicht Unterstützungshandlungen durch Dritte (Rechtsanwälte) sanktioniere.
Auch ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot nach § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO (Verbreiten von Unwahrheiten) liege nicht vor. Dass der interne Bevollmächtigte mit dem Mandanten einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen hatte und mandatiert war, sei weder behauptet noch erwiesen. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Unrichtigkeit des Protokolls gewesen.