Untreue eines Rechtsanwalts durch Verkauf von Wohnungen unter Marktwert

Das Amtsgericht München hat einen Rechtsanwalt wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der 65-Jährige hatte zwei Wohnungen seiner an Demenz erkrankten Mandantin in guter Lage in München aufgrund einer Generalvollmacht erheblich unter Marktwert an seine beiden Kinder veräußert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Rechtsanwalt mit Generalvollmacht verkaufte Wohnungen

Der Angeklagte kannte die mittlerweile verstorbene Geschädigte bereits seit den 1980er Jahren. Sie war eine enge Freundin seiner Eltern. Die bereits 1926 geborene, kinderlose Dame erteilte dem Angeklagten im Jahr 2008 eine umfassende notarielle General- und Vorsorgevollmacht. Im selben Jahr errichtete sie ein Testament, in dem sie unter anderem den Angeklagten als Erben einsetzte. In der Folgezeit änderte sie das Testament mehrfach. Die Frage, welches Testament gültig ist, ist Gegenstand eines Zivilverfahrens. Im Jahr 2010 wurde die Geschädigte aufgrund fortschreitender Demenz in einer Einrichtung beschützend untergebracht. Der Angeklagte übernahm für sie fortan die Verwaltung des nicht unerheblichen Vermögens. Unter anderem besaß die Dame zwei Eigentumswohnungen mit jeweils rund 80 Quadratmetern Wohnfläche in guter Lage im Lehel in München. Der Angeklagte veräußerte unter Verwendung der Generalvollmacht im Jahr 2015 eine der Wohnungen zu einem Kaufpreis von 600.000 Euro an seine Tochter und deren Ehemann. Eine zweite Wohnung veräußerte er zu einem Kaufpreis von 675.000 Euro an seinen Sohn und dessen Ehefrau. Tatsächlich hatten die Wohnungen beim Verkauf einen Wert von 1.100.000 Euro beziehungsweise 1.130.000 Euro.

AG München wertet Überraschung des Rechtsanwalts als Schutzbehauptung

Der Angeklagte räumte den Verkauf der beiden Wohnungen ein. Er gab an, es sei ihm aber nicht darum gegangen "seinen Kindern etwas zuzuschustern". Er habe über Jahre ein enges und freundschaftliches Verhältnis zu der Geschädigten entwickelt. Er sei daher davon ausgegangen, dass die Übertragung der Wohnungen an seine Kinder dem Willen der Geschädigten entspreche. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass er durch den Verkauf der Wohnungen auf dem freien Markt erheblich höhere Preise hätte erzielen können. Das Schöffengericht glaubte dem Angeklagten nur teilweise und verurteilte ihn. Soweit der Angeklagte in seinem Geständnis einschränkend ausführt, dass ihn der objektive Marktwert der verkauften Wohnungen im Nachgang überrascht habe, wertete das AG München dies als bloße Schutzbehauptung. Der Angeklagte habe bereits zuvor Immobilienverkäufe getätigt, sodass ihm der Immobilienmarkt in München und Umgebung jedenfalls bekannt gewesen sei. Auch aus der Vita des Angeklagten, der viele Jahre lang in München Rechtsanwalt gewesen ist, lasse sich schlussfolgern, dass dieser mit den Preisen und Werten von Immobilien in München vertraut war. Jedenfalls hätte der Angeklagte die Pflicht gehabt, als Bevollmächtigter der Geschädigten Auskunft über die realen Marktwerte der in Rede stehenden Wohnungen einzuholen.

Wiedergutmachung des Schadens und Geständnis zugunsten des Anwalts gewertet

Zugunsten des Angeklagten wertete das AG, dass er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Auch habe erheblich zugunsten des Angeklagten gesprochen, dass die Tat bereits knapp sieben Jahre zurückliegt. Weiter berücksichtigte das Gericht strafmildernd, dass der durch die Untreue verwirklichte Schaden durch die Rückübereignung der Wohnungen vollumfänglich wieder gut gemacht wurde. Überdies habe für den Angeklagten gesprochen, dass die Geschädigte zu ihm jedenfalls zunächst offenbar ein vertrautes und freundschaftliches Verhältnis gepflegt und (auch wenn die genaueren Umstände im Rahmen des hiesigen Verfahrens nicht aufgeklärt werden konnten) ihm jedenfalls zu einem früheren Zeitpunkt eine gewisse Dispositionsfreiheit gewährt habe. Auch sei noch strafmildernd zu werten gewesen, dass der Angeklagte durch die Folgen der Tat bereits erheblich belastet sei. So sehe er sich nicht nur erheblichen zivilrechtlichen Forderungen ausgesetzt, sondern werde auch den berufsrechtlichen Folgen der Tat entgegensehen müssen. Schließlich sei auch das Geständnis des Angeklagten strafmildernd zu werten, auch wenn das Gericht dabei nicht verkenne, dass der Angeklagte bestrebt war, den Unrechtsgehalt der Tat zu relativieren. Zulasten des Angeklagten sei hingegen der erhebliche Schaden zu werten. Auch sei strafschärfend zu werten, dass die Geschädigte um Tatzeitpunkt bereits vollständig dement war und die Tat somit zulasten einer Person verübt wurde, welche sich nicht im Ansatz dagegen habe wehren können.

Britta Weichlein, Redaktion beck-aktuell, 4. April 2022.