AG München: Unfallverursacher trägt "Werkstattrisiko"

Das Amtsgericht München hat den Kfz-Haftpflichtversicherer eines alleinschuldigen Unfallverursachers, der Reparaturkosten gekürzt hatte, die eine vom Geschädigten beauftragte Werkstatt in Rechnung gestellt hatte, mit rechtskräftigem Urteil vom 16.04.2018 zur Erstattung in voller Höhe Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Werkstatt verurteilt. Denn das Risiko überhöhter Reparaturrechnungen einer Werkstatt (Werkstattrisiko) trage grundsätzlich der Schädiger(Az.: 332 C 4359/18).

Kfz-Haftpflichtversicherer kürzte von Werkstatt in Rechnung gestellte Reparaturkosten

Bei einem Verkehrsunfall wurde der sechs Jahre alte Pkw des Klägers durch alleiniges Verschulden des Fahrers eines bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs so beschädigt, dass die vordere Stoßstange und der vordere linke Kotflügel ersetzt werden mussten. Die beklagte Versicherung erstattete jedoch nur 3.611,26 Euro der dem Kläger von der von ihm beauftragten Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten über 3.944,70 Euro. 

Versicherer monierte überhöhte Werkstattrechnung

Sie begründete die Kürzung damit, dass die Werkstattrechnung überhöht sei. Eine zweifache Spureinstellung sei nur bei vorangegangener Vermessung notwendig, für die aber kein Protokoll vorgelegt worden sei. Die Position "Anbauteile für Instandsetzung und/oder Lackierung" sei nicht nachvollziehbar, ebenso wenig der für ein sogenanntes Lackfinish geforderte Betrag, da ein Polieren hier nicht notwendig gewesen sei. Ein Betrag über 100 Euro für eine „Fahrzeugverbringung“ sei gleichermaßen unverständlich. Die für die Mithilfe bei einer zeitlich vorangegangenen Begutachtung in Rechnung gestellten Kosten seien nicht im Rahmen der Reparatur angefallen. Der Kläger hätte aufgrund seiner Schadensminderungspflicht diese Unrichtigkeiten der Rechnung erkennen und gegenüber der Werkstatt rügen müssen. Hilfsweise beantragte die Beklagte nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegenüber der Werkstatt aufgrund unrichtiger Rechnungsstellung zur Zahlung verurteilt zu werden. Der Kläger verlangte volle Erstattung der ihm in Rechnung gestellten Werkstattkosten. 

AG: Schädiger muss Werkstattrisiko tragen

Das AG hat der Klage stattgegeben, allerdings Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die nach Meinung der Beklagten falsch abrechnende Werkstatt. Das Werkstattrisiko habe grundsätzlich die Beklagte zu tragen, so dass der Kläger die restlichen Reparaturkosten ersetzt verlangen kann, auch wenn diese tatsächlich überhöht wären. Es komme nicht darauf an, ob es sich um eine erforderliche Reparaturmaßnahme handelt. Das Werkstattrisiko müsse vielmehr in der Sphäre des Schädigers verbleiben, denn es bestehe kein Sachgrund, dem Schädiger das Werkstattrisiko abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens überlassen würde. 

Nur begrenzte Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei Werkstattreparatur

Die Ersatzpflicht erstrecke sich vor allem auch auf diejenigen Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten - etwa durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragen Werkstatt - verursacht worden seien. Den beschränkten Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten seien bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt, vor allem, sobald er einen Reparaturauftrag erteilt und das zu reparierende Objekt in die Hände von Fachleuten gebe. Der Geschädigte habe auch nicht erkennen können, ob eine Spureinstellung nur bei Vorliegen eines Vermessungsprotokolls notwendig ist oder wie hoch die Lackierkosten sein dürfen und ob Verbringungskosten und Kosten für die Gutachtenserstellung üblich sind oder nicht.

AG München, Urteil vom 16.04.2018 - 332 C 4359/18

Redaktion beck-aktuell, 27. Juli 2018.