AG München: Musizieren in Wohnungseigentümergemeinschaft nur zeitlich limitiert zulässig

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft darf es den Wohnungseigentümern nicht völlig versagt sein, Musik zu machen. Allerdings kann es die Rücksicht auf die Interessen der anderen Wohnungseigentümer gebieten, das Üben zeitlich zu begrenzen. Dies geht aus einem kürzlich rechtskräftig gewordenen Urteil vom 28.06.2018 hervor, mit dem das Amtsgericht München den beklagten Wohnungseigentümern aufgab, ihren Sohn in ihrer Wohnung sonn- und feiertäglich höchstens eine, ansonsten zwei Stunden Schlagzeug spielen zu lassen. Außerdem sei das Üben nur zwischen 9.00 und 20.00 Uhr zulässig, bei Einhaltung der Mittagspause von 13.00 bis 15.00 Uhr (Az.: 484 C 14424/16).

Wohnungen dürfen nur für Wohnzwecke verwendet werden

Die klagende Nachbarin, die in der Regel von Montag bis Donnerstag von 8.00 bis 18.30 Uhr außer Haus arbeitet, wohnt im zweiten Obergeschoss des Mehrfamilienhauses, das beklagte Ehepaar bewohnt zusammen mit seinem Sohn eine Erdgeschosswohnung mit einem über eine Wendeltreppe erreichbaren Hobbyraum. Es gibt keine Hausordnung. Die Gemeinschaftsordnung enthält eine allgemeine Gebrauchsregelung, dass die im Sondereigentum stehenden Räume nur in einer Weise genutzt werden dürfen, die nicht die Rechte der übrigen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen dürfen. Weiter dürfen die Wohnungen nur für Wohnzwecke verwendet werden.

Nachbarin fühlt sich durch Schlagzeugspiel unerträglich belastet

Der Sohn der Beklagten studiert Schlagzeug und hat als Mitglied einer professionellen Jazzband sein Schlagzeug in dem Hobbyraum der Beklagten aufgestellt. Die Klägerin trägt vor, dass es sich bei dem Schlagzeugspielen um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, die in der Wohnung nicht erlaubt sei. Sowohl die Monotonie des Schlagzeugs als auch dessen Lautstärke belasteten sie unerträglich. Der Sohn der Beklagten halte sich an keine Ruhezeiten, er spiele zu sämtlichen Tageszeiten, selbst an Samstagen, Sonn- und Feiertagen. Die Klägerin verlangt vom Sohn der Beklagten, das Schlagzeugspiel gänzlich zu unterlassen.

Beklagte halten Musizieren in den eigenen vier Wänden für sozialüblich

Die Beklagten tragen vor, dass zwischen Hobbyraum und der Wohnung der Klägerin zwei Vollgeschosse lägen. Der Hobbyraum sei mehrfach schallisolierend ausgekleidet, eine erhebliche Beeinträchtigung der Klägerin deswegen ausgeschlossen. Aufgrund seines Studiums müsse der Sohn täglich üben. Das Schlagzeugspiel sei eine körperliche Tätigkeit, die einen hohen Fitnessgrad voraussetze. Dieser könne wie die Fingerfertigkeit und Professionalität des Spiels nur durch tägliches Training beibehalten werden. Musizieren sei innerhalb der eigenen Wohnung ein sozial übliches Verhalten und dürfe nicht völlig untersagt werden, sondern könne im Interesse anderer Hausbewohner allenfalls zeitlich beschränkt werden.

Grenzen zumutbaren Lärms leicht überschritten

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Grenzen zumutbaren Lärms nach der bei Errichtung des Hauses geltenden DIN 4109 von 30 Dezibel um zwei bis vier Dezibel überschritten werden.

Klage hat teilweise Erfolg

Die zuständige Richterin am AG München gab der Klage teilweise statt. Ein vollständiges Musikverbot käme nur aufgrund schwerwiegender, nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen nicht mehr hinnehmbarer Störung in Betracht. Eine solche liege aber nicht vor. Denn zwischen dem Hobbyraum, in dem Schlagzeug gespielt wird, und der Wohnung der Klägerin lägen zwei Vollgeschosse und die Wohnung der Klägerin sei auch noch seitlich versetzt, sodass die Geräusche nicht in vollem Maße bei ihr ankämen, sondern gedämpft.

Vollständiges Verbot ausgeschlossen

Auch ein professionell ausgeübtes Musizieren könne grundsätzlich nicht vollständig verboten werden, zumal dies auch einen unerlaubten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit bedeuten würde, so das AG weiter. Außerdem betreibe der Sohn der Beklagten keinen Gewerbebetrieb. Ein Musizieren könne als freiberufliche Tätigkeit gewertet werden, die, wenn sie so wie hier untergeordnet sei, auch in Wohnungen ausgeübt werden darf.

Musizieren von Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit erfasst

Seien beim Musizieren mit Instrumenten trotz schalldämmender Maßnahmen Geräuschbelästigungen in benachbarten Wohnungen nicht völlig auszuschließen, stehe das Interesse des einen Wohnungsinhabers an der Musikausübung dem des anderen an ungestörter Ruhe gegenüber. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Ausübung von Musik einen wesentlichen Teil des Lebensinhalts bilden und von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude sein kann und dass das Musizieren in der eigenen Wohnung zum Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu rechnen ist.

Eigene Wohnung muss aber auch Ruheort sein

Andererseits muss laut AG beachtet werden, dass die eigene Wohnung die Möglichkeit zum Leben mit der Familie, zur Entspannung und Erholung und zur häuslichen Arbeit eröffnen, mithin auch die jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten soll. Zu berücksichtigen seien hier auch die Interessen des Sohnes der Beklagten, der vor allem am Wochenende einen Übungsraum benötigt, weil er nur meistens am Wochenende, (mit Ausnahme der Semesterferien) zu Hause ist, sodass ein völliger Ausschluss des Schlagzeugspielens an Sonn- und Feiertagen nicht zulässig wäre und dem Sohn deshalb die Ausübung des Schlagzeugspielens für eine Stunde erlaubt sein solle (mit Ausnahmen der Ruhezeiten). Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung seit dem 21.11.2019 rechtskräftig.

AG München, Urteil vom 28.06.2018 - 484 C 14424/16

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2020.