AG Mün­chen: Rei­se­rück­tritt­ver­si­che­rer darf Vor­er­kran­kun­gen nicht ge­ne­rell vom Ver­si­che­rungs­schutz aus­schlie­ßen

Eine Klau­sel in den All­ge­mei­nen Be­din­gun­gen einer Rei­se­rück­tritts­ver­si­che­rung, wo­nach keine Leis­tungs­pflicht für bei der Rei­se­bu­chung be­stehen­de Krank­hei­ten und deren Fol­gen fest­ge­schrie­ben wird, be­nach­tei­ligt den Ver­si­cher­ten un­an­ge­mes­sen und ist un­wirk­sam. Dies hat das Amts­ge­richt Mün­chen mit mitt­ler­wei­le rechts­kräf­ti­gem Ur­teil vom 30.08.2016 ent­schie­den (Az.: 159 C 5087/16).

Reise trotz Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz ge­bucht - Reise stor­niert

Der 77-jäh­ri­ge Klä­ger buch­te für sich und seine Ehe­frau am 23.11.2014 eine Reise in der Zeit vom 9.2. bis 23.2.2015 nach Te­ne­rif­fa zum Preis von 2196 Euro. Seit 2006 lei­det er an einer nicht aku­ten kom­pen­sier­ten Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz. Diese war jah­re­lang un­auf­fäl­lig und ohne Be­schwer­de­er­schei­nun­gen, so dass der Klä­ger zahl­rei­che Rei­sen ohne Pro­ble­me durch­füh­ren konn­te. Im De­zem­ber 2014 litt er an einer An­gi­na und muss­te sich im Kran­ken­haus be­han­deln las­sen. Am 02.01.15 muss­te er wegen Blut­hoch­drucks be­han­delt wer­den. Dabei wurde fest­ge­stellt, dass der Krea­ti­nin­wert ge­stie­gen war, und es wurde ihm ab­ge­ra­ten, die ge­buch­te Reise an­zu­tre­ten. Auf­grund des­sen stor­nier­te er die Reise. Vorm Rei­se­un­ter­neh­men wurde eine Stor­no­ge­bühr in Höhe von 923 Euro er­ho­ben.

Bei Rei­se­bu­chung be­stehen­de Krank­hei­ten von Rei­se­rück­tritts­ver­si­che­rungs­schutz aus­ge­nom­men

Der Klä­ger mach­te diese Kos­ten bei sei­ner Rei­se­rück­tritts­ver­si­che­rung gel­tend, bei der über seine Kre­dit­kar­te ver­si­chert ist. Gemäß Ziff. 3. 4. 2 a der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen sind ver­si­cher­te Rei­se­rück­tritt­grün­de unter an­de­rem Tod, schwe­rer Un­fall oder un­er­war­tet schwe­re Er­kran­kung der ver­si­cher­ten Per­son. Gemäß Ziff. 3. 5. 3 der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen be­steht keine Leis­tungs­pflicht für bei Rei­se­bu­chung be­stehen­de Krank­hei­ten und deren Fol­gen. Die Rei­se­rück­tritts­ver­si­che­rung ver­wei­ger­te die Leis­tung. Sie ver­trat die An­sicht, dass das Ri­si­ko der Vor­er­kran­kung in den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen aus­ge­schlos­sen sei und nur neue auf­tre­ten­de Er­kran­kun­gen Ver­si­che­rungs­schutz ge­nös­sen. Da­r­uaf­hin klag­te der Klä­ger beim AG.

AG: Klau­sel schlie­ßt auch un­be­kann­te Vor­er­kran­kun­gen vom Ver­si­che­rungs­schutz aus

Das AG Mün­chen hat das Kre­dit­kar­ten­un­ter­neh­men auf­grund der Rei­se­rück­tritt­ver­si­che­rung zur Zah­lung der Stor­no­kos­ten ab­züg­lich eines in den AGB vors­ge­se­he­nen Selbst­be­halts in Höhe von 100 Euro ver­ur­teilt, also zur Zah­lung von 823 Euro. Die Be­stim­mung Ziff. 3.5.3. der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen sei un­wirk­sam, da sie die Ver­si­cher­ten un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­ge. Da­nach be­stehe zwar keine Leis­tungs­pflicht für bei der Rei­se­bu­chung be­stehen­de Krank­hei­ten und deren Fol­gen. Die Klau­sel dif­fe­ren­zie­re aber zum einen nicht zwi­schen der ver­si­cher­ten Per­son be­kann­ten und un­be­kann­ten Vor­er­kran­kun­gen, so dass auch der ver­si­cher­ten Per­son un­be­kann­te Vor­er­kran­kun­gen bei Rei­se­bu­chung vom Ver­si­che­rungs­schutz aus­ge­schlos­sen seien.

Aus­schluss­klau­sel un­ter­läuft Ver­si­che­rungs­schutz bei "un­er­war­te­ter" Er­kran­kung 

Zum an­de­ren werde Zif­fer 3.4.2. der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen, wo­nach Ver­si­che­rungs­schutz bei Auf­tre­ten einer un­er­war­tet schwe­ren Er­kran­kung be­steht, un­ter­lau­fen. Mit der Be­schrän­kung auf un­er­war­te­te Er­kran­kun­gen wür­den zum Teil Vor­er­kran­kun­gen des Ver­si­cher­ten aus­ge­schlos­sen. "Un­er­war­tet" im Sinn der Vor­schrift be­deu­te nicht, dass die Er­kran­kung nach Rei­se­bu­chung und Ver­si­che­rungs­ab­schluss völ­lig neu ent­ste­hen muss. Der Ver­lauf der chro­ni­schen Nie­ren­in­suf­fi­zi­enz beim Klä­ger sei jah­re­lang sta­bil ge­we­sen. Bei der Ver­schlech­te­rung An­fang 2015 han­de­le es sich nicht um eine zwin­gen­de Zu­stands­ver­schlech­te­rung. Die Ver­schlech­te­rung sei viel­mehr durch ein zu­fäl­li­ges Akut­er­eig­nis aus­ge­löst wor­den und stel­le damit eine un­er­war­te­te Er­kran­kung im Sinne der Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen dar, so das AG Mün­chen.

AG München, Urteil vom 30.08.2016 - 159 C 5087/16

Redaktion beck-aktuell, 3. April 2017.

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