Psychische kranke Mieterin wegen Eigenbedarfs gekündigt
Das klagende Ehepaar hatte die seit 1998 an die Beklagte vermietete Wohnung im August 2016 erworben, um sie zum Wintersemester 2017 ihrer dann in München studierenden 21 jährigen Tochter mietweise zur Verfügung zu stellen. Auf diesen Eigenbedarf gestützt kündigten sie der Beklagten im Oktober 2016 zum 31.07.2017. Die Beklagte erhob Widerspruch gegen die Kündigung und begründete ihn damit, dass sie unter einer verfestigten depressiven Störung sowie einer Angststörung leide und dass der Verlust von Wohnung und gewohnter Umgebung zu einer akuten weiteren Verschlechterung ihrer Erkrankungen führen würden. Dabei sei von akuter Suizidalität auszugehen.
Behandelnder Psychiater sah ernstzunehmende Suizidgefahr bei Räumung
Der vor Gericht einvernommene und die Beklagte seit mehreren Jahren behandelnde Psychiater bezeugte, dass die Beklagte die Aussicht, ihre Wohnung und die gewohnte Umgebung verlassen zu müssen, als existentielle Bedrohung wahrnehme und sich durch einen Umzug ihr Zustand verschlechtern würde, sowohl im Hinblick auf ihre Depression, als auch im Hinblick auf ihre Angststörung. Die Gefahr der Verwirklichung des Suizidgedankens für den Fall, dass sie die Wohnung verlassen müsste, schätze er aufgrund der seit Jahren von ihm behandelten Vorerkrankungen nicht auf 100 Prozent, aber selbst bei stationärer Behandlung oder zumindest bei besonders engmaschiger ärztlicher Begleitung während eines Umzugs als ernstzunehmend ein.
AG: Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbare Härte für Beklagte
Das AG hat die Räumungsklage abgewiesen. Zwar erachtete es die Eigenbedarfskündigung für wirksam, das Mietverhältnis sei jedoch aufgrund des Antrags der Beklagten gemäß §§ 574 Abs. 1, 574a Abs. 1 und 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Die Beendigung des Mietverhältnisses bedeute für die Beklagte eine unzumutbare Härte, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Kläger nicht zu rechtfertigen sei.
Beklagte räumungsunfähig
Das AG führt aus, dass die Beklagte räumungsunfähig sei. Eine Räumungsunfähigkeit liege vor, wenn der Mieter auf Grund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht in der Lage ist, eine Ersatzwohnung zu finden und dorthin umzuziehen oder wenn der Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtert würden, wobei bereits die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung die Annahme einer unzumutbaren Härte rechtfertigen kann. Dass die seit Jahren bestehenden psychischen Krankheiten der Beklagten während der Zeit, in der sie zur Verhinderung eines Suizids in eine Klinik eingewiesen sei, geheilt werden könnten, hält das AG für ausgeschlossen, nachdem in den letzten neun Jahren trotz diverser Therapien stabile Phasen nur in äußerst überschaubaren Zeiträumen eingetreten seien, wie der Zeuge geschildert habe und nachdem der Zeuge die Erfolgsaussichten einer einjährigen verhaltenstherapeutischen Behandlung prognostisch eher zurückhaltend eingestuft habe.
Interesse der Kläger muss zurücktreten
Das Gericht sieht den entscheidenden Unterschied zwischen der Tochter der Kläger und der Beklagten darin, dass die 21-jährige Tochter der Kläger keine psychischen Krankheiten habe und sie gerade am Anfang ihres Studienlebens stehe, das für gesunde Menschen aus Sicht des Gerichts vielfältige Möglichkeiten biete. Das Interesse der Kläger an der Erlangung der Wohnung müsse daher gegenüber dem Interesse der Beklagten am Erhalt der Wohnung, der maßgeblich dafür sei, dass sich ihre Gesundheit nicht wegen eines Umzuges weiter verschlechtere, zurücktreten. Das Urteil des AG ist nach Rücknahme der Berufung seit dem 18.12.2018 rechtskräftig.