AG München: Neuer Wohnungseigentümer hat Recht auf Besichtigung vermieteter Wohnung

Der neue Eigentümer einer Wohnung hat gegenüber dem Mieter ein Recht auf erstmalige Besichtigung der Wohnung. Diesem aus Art. 14 GG herrührenden Recht kann der Mieter nicht entgegenhalten, der Vermieter habe ihm gegenüber bestehende Geldansprüche nicht beglichen. Dies hat mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil vom 12.08.2016 das Amtsgericht München entschieden (Az.: 416 C 10784/16).

Wohnung wurde unbesehen gekauft

Der Kläger kaufte mit Kaufvertrag vom 05.10.2015 ohne vorherige Besichtigung eine Wohnung und wurde am 04.02.2016 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Die Wohnung war seit dem 27.05.1981 an den Beklagten vermietet. In dem Mietvertrag findet sich folgende Regelung: "Der Vermieter oder ein von ihm Beauftragter oder beide können die Mieträume betreten, um die Notwendigkeit unaufschiebbarer Hausarbeiten festzustellen. Will der Vermieter das Grundstück verkaufen, so darf er oder ein von ihm Beauftragter nach Ankündigung die Mieträume zusammen mit den Kaufinteressenten an Wochentagen von 9 Uhr bis 12 Uhr und 16 Uhr bis 18 Uhr betreten. Ist das Mietverhältnis gekündigt, so darf der Vermieter oder ein von ihm Beauftragter die Räume mit den Mietinteressenten zu den gleichen Stunden betreten. Der Mieter muss dafür sorgen, dass die Räume auch in seiner Abwesenheit betreten werden können."

Neuer Eigentümer will Wohnung nach Eigenbedarfskündigung besichtigen

Am 26.02.2016 kündigte der Kläger das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Da er die Wohnung bisher noch nie besichtigt hatte, teilte er dem Mieter schriftlich mit, dass er die Wohnung besichtigen und ausmessen möchte und schlug drei verschiedene Termine vor. Der Mieter wendet sich dagegen und vertritt die Ansicht, dass dem Vermieter ein Besichtigungsrecht nur mit Mietinteressenten zustünde und sein Informationsrecht durch die Übersendung einer Architektenskizze erfüllt sei. Außerdem forderte der Mieter den Kläger auf, 638 Euro an ihn zu bezahlen, da er eine neue Spülmaschine angeschafft hatte, nachdem die alte Maschine kaputt gegangen war.

Besichtigungsinteresse des Eigentümers gewichtiger als Interesse des Mieters an Störungsfreiheit

Der neue Eigentümer klagte. Das AG München verurteilte daraufhin den Mieter zur Duldung der Besichtigung der Wohnung. In dem Bedürfnis des neuen Eigentümers auf erstmalige Information hinsichtlich des Aussehens, der Ausstattung sowie der genauen Größe der Wohnung sei ein berechtigtes Interesse zu sehen, das das Interesse des Mieters an fehlender Störung deutlich überwiege, so das Urteil. Die Regelung des Mietvertrags sei so zu verstehen, dass das Besichtigungsrecht nicht abschließend geregelt sei und in den dort aufgezählten Fällen jedenfalls ein Besichtigungsrecht bestehe. Der Mieter könne die Besichtigung auch nicht von der Bezahlung der Spülmaschine abhängig machen. Gegenüber dem aus Art. 14 GG herrührenden Recht auf Duldung der erstmaligen Besichtigung einer Wohnung durch den neuen Eigentümer könne die fehlende Bezahlung von Geldansprüchen nicht geltend gemacht werden.

AG München, Urteil vom 12.08.2016 - 416 C 10784/16

Redaktion beck-aktuell, 10. April 2017.