Minderung wegen Covid-Testung vor Hochzeitsfeier

Die auf einer Hochzeitsfeier im Jahr 2022 verlangte Covid-Testung aller Hochzeitsgäste infolge eines positiven Corona-Tests des Brautvaters stellt einen zur Minderung berechtigenden Mangel dar. Das hat das Amtsgericht München rechtskräftig entschieden und der Klage einer Gaststättenbetreiberin nur teilweise stattgegeben. Das Paar müsse nur 85 Prozent des dem Grunde nach gerechtfertigten Zahlbetrags von 20.185 Euro bezahlen. 

Corona-Tests für Feier im Innenbereich

Die Beklagten buchten die von der Klägerin geführte Gaststätte auf Sylt für ihre Ende Juni 2022 stattfindende Hochzeitsfeier. Am Tag der Hochzeit zeigte der Vater der Braut Erkältungssymptome und testete sich positiv auf Covid. Da allen Beteiligten die Wichtigkeit der Teilnahme des Brautvaters klar war, suchte man zusammen mit den Geschäftsführern der Klägerin nach gemeinsamen Lösungen. Der Vater der Braut konnte schließlich insoweit an der Feier teilnehmen, dass er sich im Außenbereich des Restaurants, der an den eigentlichen Feierraum angrenzte und über Fenster einsehbar war, aufhalten durfte. Aufgrund des positiven Corona-Tests des Brautvaters mussten sich auf Aufforderung der Geschäftsführer der Gaststätte vor Einlass in den Innenbereich des Restaurants auch alle übrigen 76 Gäste ebenfalls auf Covid testen lassen. Da hierbei auch der Corona-Schnelltest des Vaters des Bräutigams positiv ausfiel, musste sich dieser ebenfalls zum Vater der Braut in den Außenbereich begeben.

Streit um Rechnung für Hochzeitsfeier

Durch die Testung aller Gäste verzögerte sich der Beginn des Abendessens von 19.30 Uhr auf mindestens 21.30 Uhr. Die Feier fand damit erheblich länger als geplant im Außenbereich des Restaurants statt, ohne Sitzgelegenheiten und ohne Abendessen. Die Testung aller Gäste führte zudem zu deutlichen Spannungen, weil diese als nicht veranlasst und aufgenötigt wahrgenommen wurden. Zwei der Gäste waren erst durch Intervention der Brautfamilie dazu zu bewegen, überhaupt einen Schnelltest durchführen zu lassen. Die entstandenen Spannungen setzten sich in einer Auseinandersetzung über die Bezahlung fort: Während die Beklagten insbesondere auf Grund der unberechtigten Covid-Testung einen Abzug von 20% auf den Rechnungsbetrag vornahmen, verlangte die Klägerin vollständige Zahlung.

Klägerin verteidigte Corona-Tests

Die Klägerin begründete die Forderung einer allgemeinen Testung damit, dass es sich sonst um einen Super-Spreader-Event gehandelt hätte. Sie hätte nur die Option gehabt, die Veranstaltung von ihrer Seite aus abzusagen oder das Risiko durch Coronatests zu minimieren. Die Eheleute trugen dagegen vor, das Verlangen einer Testung aller Gäste sei vertragswidrig und willkürlich gewesen. Zudem habe sich dadurch der Stehempfang verlängert, was die Klägerin genutzt habe, um den Gästen ausschließlich Champagner anzubieten. Selbst halb volle Champagner-Gläser seien aufgefüllt worden. Dies sei arglistig erfolgt, um den Umsatz des Abends über das kostenträchtigste Getränk gewinnträchtig zu steigern.

AG: Weder gesetzliche noch vertragliche Pflicht zur Testung

Das Gericht gab der Klage letztlich nur teilweise statt und verurteilte die Eheleute zur Zahlung eines ausstehenden Teilbetrages in Höhe von 810,50 Euro. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Laut AG lag eine erhebliche und nicht mehr rechtlich gerechtfertigte Störung darin, die Durchführung einer Testung bei allen anderen Gästen zur Bedingung dazu zu machen, erst danach den vorgesehenen Ablauf der Feier stattfinden zu lassen. Eine gesetzliche Verpflichtung, sich vor Besuch einer Veranstaltung zu testen und den Test dann zur Veranstaltung vorzuweisen, habe es nicht gegeben, weder unter dem Aspekt des Besuchs einer Gaststätte noch unter dem Aspekt der Teilnahme an einer Veranstaltung. Nach dem Winter 2021/2022 habe es keine gesetzliche Verpflichtung mehr gegeben, die bei der Durchführung von privaten Veranstaltungen eine vorherige Testung vorgesehen hätten. Nach geltender Rechtslage seien selbst Kontaktpersonen eines Infizierten nicht einmal mehr zur Isolation verpflichtet gewesen und auch eine Pflicht zur Testung habe für sie nicht bestanden, so das AG. Auch vertraglich sei ein solches Recht, die eigene Leistung von der vorheriger Testung abhängig zu machen, der Klägerin nicht eingeräumt gewesen. Die Testung sei nicht Teil einer einvernehmlichen Lösung gewesen, sondern Folge der Drohung, die gesamte Feier andernfalls nicht stattfinden zu lassen, so das AG.

Keine Störung der Geschäftsgrundlage

Auch unter Gesichtspunkten einer Störung der Geschäftsgrundlage war eine Testung dem AG zufolge nicht zu fordern, schon weil sich keinerlei Umstände seit Vertragsschluss schwerwiegend verändert hätten. Bei Corona habe es sich um eine Erkrankung gehandelt, mit deren weiterer Virulenz schon Anfang 2022 zu rechnen gewesen sei. Sie sei kein unvorhergesehener Gesichtspunkt mehr gewesen, der einen Vertrag in dessen Grundlage stören würde. Das Risiko einer Infektion mit Corona bei zwischenmenschlichem Kontakt sei ein bekanntes Risiko gewesen und es hätte beiden Seiten freigestanden, das Risiko einer Ansteckung zu thematisieren und vertraglich den Umgang mit diesem Risiko zu regeln, wenn dies für eine der beiden Seiten für die Durchführung des Vertrags von Bedeutung gewesen wäre. 

Feier durch Corona-Tests erheblich gestört

Durch die Forderung einer solchen Testung habe die Klägerin die Hochzeitsfeier auch erheblich gestört, schon dadurch, dass enger Familienkreis des Hochzeitspaares sich um die Organisation und Testung aller Gäste kümmern und unwillige Gäste überreden musste. Durch den geforderten Ablauf habe sich auch der Beginn des Essens von 19.30 auf 21.30 verzögert und damit auf eine Zeit, die den Bereich bloßer Unannehmlichkeit weit überschreite, weil der Rhythmus einer Hochzeitsveranstaltung auf Bedürfnisse wie üblichen Hunger und übliche Essenszeiten abgestimmt sei und zu etwas anderem dienen solle als sich auf Covid testen lassen zu müssen.

AG München, Urteil vom 23.01.2023 - 132 C 12148/22

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 12. April 2023.