AG München: Mieter muss typische Modernisierungsmaßnahmen auch bei sehr starkem Mietanstieg dulden

Das Amtsgericht München hat eine Mieterin verpflichtet, eine Modernisierung ihrer Wohnung mittels Balkonanbau, Außenaufzug, Zentralheizung, Isolierverglasung und dreiadrigen Stromkabeln trotz einer zu erwartenden Mieterhöhung auf 245% der jetzigen Miete zu dulden. Denn es handele sich hier nicht um eine Luxusmodernisierung, sondern um typische Modernisierungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Vermietbarkeit. Den Interessen des Eigentümers gebühre der Vorrang (Urteil vom 30.12.2016, Az.: 453 C 22061/15, BeckRS 2016, 125475). Das Urteil ist nach Zurückweisung der Berufung inzwischen rechtskräftig.

Vermieter kündigte Modernisierungsmaßnahmen an

Die 70jährige Mieterin wohnt seit 1958 in einer Vier-Zimmer-Wohnung von rund 100 Quadratmeter im Münchner Gärtnerplatzviertel. Der Mietvertrag war von ihren Eltern zum damaligen Mietpreis von 190 DM monatlich geschlossenen worden. Die Miete kalt belief sich zuletzt auf 517,66 Euro. Die im dritten Obergeschoss gelegene Wohnung ist bisher mit zwei Gaseinzelöfen, doppelt verglasten Fenstern und zweiadrigen Elektroleitungen ausgestattet. Nur für die Badewanne gibt es einen Gasdurchlauferhitzer für Warmwasser. Die Mieterin bezifferte ihre Gaskosten auf 24 Euro monatlich. Im Mai 2015 unterrichtete der 2011 in die Vermieterstellung eingetretene neue Eigentümer und Kläger die Mieterin von den geplanten Modernisierungsmaßnahmen (Balkonanbau, Außenaufzug, Zentralheizung, Isolierverglasung und dreiadrige Stromkabel) und kündigte nach Fertigstellung eine Mieterhöhung um 751,67 Euro auf dann 1296,33 Euro an.

Mieterin verweigerte Zustimmung

Die Mieterin teilte umgehend mit, ihre Zustimmung zu verweigern. Sie behauptete, die angekündigten Modernisierungsmaßnahmen seien nur vorgeschoben, um sie zum Auszug zu bewegen und dann den Wohnungszuschnitt ändern und weitergehende Modernisierungen durchführen zu können. Überdies handele sich um Luxusmodernisierungen zur Vertreibung der alten Mietparteien. Zudem liege auch aufgrund der enormen geplanten Mieterhöhung ein Härtefall vor.

AG: Typische Modernisierungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Vermietbarkeit

Das AG hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Duldung der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet. Dabei berücksichtigte das Gericht auf Seiten des Klägers, dass er sein Mietobjekt dem üblichen Wohnkomfort sowie den jeweiligen technischen und sonstigen nachgefragten Standards anpassen müsse, um die Vermietbarkeit des Hausbesitzes langfristig zu sichern. Es betont, dass es sich hier gerade nicht um überdurchschnittliche Ausstattungen handele, die regelmäßig nur von einem kleinen Interessentenkreis nachgefragt würden, sondern vielmehr um typische Modernisierungsmaßnahmen zur Anpassung des mietvertraglichen Dauerschuldverhältnisses an den Wandel des Fortschritts, die als durchschnittliches Niveau nach heutigem Standard von jedem Mieter erwartet werden könnten.

Dauer der Maßnahmen zumutbar

Das AG gelangte nach der Beweisaufnahme auch zu der Überzeugung, dass der Kläger die Baumaßnahmen nicht bloß vorgeschoben, sondern tatsächlich konkret geplant habe. Auch sei die zu erwartende Bauzeit von 10 Tagen zumutbar. Zumutbarkeit sei grundsätzlich zu bejahen, wenn sich die Dauer im Bereich sozial üblicher Ortsabwesenheiten wie im Rahmen eines Urlaubs bewege.

Keine Luxusmodernisierung - Eigentümerinteressen vorrangig

Das AG räumte zwar ein, dass die Mieterhöhung als Folge der Maßnahmen für die Beklagte beachtlich sei. Jedoch stellten die Maßnahmen - wie oben ausgeführt - keine Luxusmodernisierungen dar. Außerdem sehe das Gesetz für den Mieter ausreichend Mittel vor, um sich gegen ein vermeintliches Hinausmodernisieren durch eine Mieterhöhung effektiv zur Wehr zu setzen. Dass sich der Mieter aufgrund der Modernisierungsmaßnahmen die Wohnung nicht mehr leisten könne, sei unter Abwägung der Eigentümerinteressen an Veränderungen und Verbesserungen seines Mietshauses hinzunehmen, um nicht den grundrechtlich verankerten Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG auszuhebeln.

AG München, Urteil vom 30.12.2016 - 453 C 22061/15

Redaktion beck-aktuell, 12. Februar 2018.