AG München: Schadenersatz nach dem AGG nur für "echte Bewerber"

Schadenersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist nur zu gewähren, wenn es sich um einen echten Bewerber gehandelt hat. Dies ist zu verneinen, wenn sich jemand nicht ernsthaft um die Stelle bewirbt, sondern von vornherein nur die Zahlung einer Entschädigung anstrebt, wie das Amtsgericht München entschieden hat (Urteil vom 24.11.2016, Az.: 173 C 8860/16, rechtskräftig).

Kläger bewirbt sich als "weibliche Telefonstimme"

Der 43-jährige Kläger verlangt von der Beklagten Entschädigungsansprüche nach dem AGG. Die Beklagte ist im Sportmarketing tätig und schaltete in einem Münchner Wochenblatt im März 2016 folgende Stellenanzeige: "Nette weibl. Telefonstimme ges.! Akquise f. Sport Marketingagentur auf Provisionsbasis/Home Office". In der Stellenanzeige war lediglich eine Telefonnummer der Beklagten angegeben. Der Kläger rief dort an und bat um Mitteilung der E-Mail-Adresse der Beklagten, da sich eine Freundin von ihm bewerben möchte. Am 31.03.2016 bewarb er sich dann selbst per E-Mail auf diese Anzeige.

Nach Absage Schadenersatz wegen Diskriminierung verlangt

Mit E-Mail vom 05.04.2016 erhielt der Kläger von der Beklagten eine Absage, wobei mitgeteilt wurde, dass man sich bereits für einen männlichen Mitarbeiter entschieden habe. Der Kläger ist der Meinung, die Stellenanzeige sei geschlechtsdiskriminierend gewesen und verlangt 1.600 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG (= von ihm geschätzter potentieller dreimonatiger Verdienstausfall abgerundet) und 540 Euro nach § 15 Abs. 1 AGG (= von ihm errechnetes halbes Monatsgehalt). Die Beklagte weigert sich zu zahlen. Sie ist der Meinung, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle ungeeignet, da er überqualifiziert sei. Auch sei die Bewerbung subjektiv nicht ernsthaft, vielmehr handele es sich beim Kläger um einen sogenannten AGG-Hopper.

Gericht: Bewerbung war nicht ernsthaft

Der zuständige Richter wies die Klage ab. Es könne dahinstehen, ob der Kläger vorliegend überhaupt für die angebotene Stelle objektiv geeignet gewesen sei, was angesichts der Tatsache, dass der Kläger als gelernter Bankkaufmann offensichtlich überqualifiziert für die Stellenanzeige der Beklagten sei, bereits äußerst zweifelhaft erscheine. Jedenfalls fehle es an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Bei der Bewerbung handele es sich ersichtlich um eine Art Rundschreiben, das lediglich ansatzweise einen konkreten Bezug zur angebotenen Stelle enthalte und den Eindruck erwecke, aus unstrukturiert aneinander gereihten Textbausteinen zu bestehen.

Bewerber bereits als "AGG-Hopper" gerichtsbekannt

Nicht unberücksichtigt bleiben könne nach Ansicht des Gerichts zudem der Umstand, dass der Kläger bereits zahlreiche weitere AGG-Klagen angestrengt habe. Der Kläger sei am AG München bereits gerichtsbekannt. Hinzu kämen weitere Klagen, unter anderem auch vor dem Arbeitsgericht. In diesem Zusammenhang sei auch auf ein möglicherweise versehentlich im Rahmen eines Anlagenkonvoluts am 26.09.2016 bei Gericht eingereichtes Schreiben des Klägers hinzuweisen. Auf Seite 2 dieses Konvoluts habe der Kläger offenbar auf die E-Mail eines Herrn Rüdiger N. geantwortet und dabei unter anderem ausgeführt, dass er mit seinen "AGG-Klagen insgesamt 1.010 Euro" verdient habe und unter anderem davon gut leben könne.

Wegen gewerbsmäßig missbräuchlicher AGG-Klagen keine Ansprüche

Insgesamt wertet das Gericht diese Umstände in ihrer Gesamtschau dahingehend, dass der Kläger gewerbsmäßig missbräuchliche AGG-Klagen anstrengt, um damit zumindest teilweise seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Obwohl die Beklagte vorliegend gegen die Vorgaben des AGG verstoßen habe, stünden dem Kläger daher keine Ansprüche zu, so das Urteil.

AG München, Urteil vom 24.11.2016 - 173 C 8860/16

Redaktion beck-aktuell, 21. Juli 2017.

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