AG München: Nach längerem Zuwarten kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für Klage wegen ehrverletzender Tatsachenbehauptungen

Für eine Klage wegen unwahrer und ehrverletzender Tatsachenbehauptungen besteht in der Regel kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn sie erst mehr als ein Jahr (hier: vier Jahre) nach dem Vorfall eingereicht wird. Dies geht aus einem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts München vom 20.10.2016 (Az.: 213 C 10547/16 (2)) hervor, wie das Gericht jetzt mitteilte.

Hausverwaltung verlas und protokollierte ehrverletzende Behauptungen in Eigentümerversammlung

Der Kläger ist der Lebensgefährte einer Wohnungseigentümerin. Er nahm als Vertreter seiner Partnerin am 03.04.2012 an einer Eigentümerversammlung teil. Dort verlas der Versammlungsleiter, der Geschäftsführer der Hausverwaltung, auszugsweise folgendes Schreiben einer Eigentümerin aus der Wohnungseigentümergemeinschaft, dessen Inhalt auch protokolliert wurde: "Am Mittwoch, den 27.03.12 wurde ich in der Tiefgarage schwer attackiert. Ich fuhr um 18 Uhr in die Tiefgarage, da verließ (Name des Klägers) die Garage, kam aber nach kurzer Zeit  wieder zurück. Mein Fahrrad, das in der Garage stand, stellte ich vor das Garagentor von Frau (Name der Lebensgefährtin des Klägers). (Name des Klägers) warf, anders kann man es nicht bezeichnen, mein Fahrrad und den darauf liegenden Ordner in meine Garage. Meinen Wohnungsschlüssel, der am Schloss des Garagentores hing, fand ich erst nach Suchen in meiner Garage. (Name des Klägers) schrie mich an und beschimpfte mich mit den schlimmsten Ausdrücken. Sein Verhalten  mir gegenüber ist so aggressiv, dass man es mit der Angst zu tun bekommt…".

Kläger sah sein Persönlichkeitsrecht durch Hausverwaltung verletzt

Die Behauptungen in dem Schreiben waren frei erfunden. Der Kläger verklagte die Verfasserin des Schreibens in einem weiteren Prozess auf Unterlassung dieser Äußerungen. Dies wurde von ihr anerkannt. Der Kläger meinte, dass die beklagte Hausverwaltung durch die Verlesung und Protokollierung des Schreibens massiv seine Persönlichkeitsrechte verletzt und gegen das Neutralitätsgebot verstoßen habe. Er erhob daher am 20.05.2016 Klage gegen die Hausverwaltung. Er verlangte das Unterlassen der ehrverletzenden Behauptungen für die Zukunft und die Entfernung des Textes aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung.

AG: Rechtsschutzbedürfnis nach vier Jahren Zuwarten entfallen

Das AG hat die Klage abgewiesen. Bei derartigen Ansprüchen sei anerkannt, dass die verletzenden Wirkungen durch Zeitablauf oder langes Zuwarten bis zu einem Vorgehen gegen die Beeinträchtigung beseitigt sein können. In der Regel bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, wenn die Klage erst mehr als ein Jahr später eingereicht wird. Hier habe der Kläger mit der Klageerhebung mehr als vier Jahre gewartet, ohne einen vernünftigen Grund für dieses lange Zuwarten vorgebracht zu haben. Dass der Kläger über diesen langen Zeitraum hinweg keine "uferlose Zeit" gehabt habe, sich um die Angelegenheit zu kümmern, hält das AG für nicht nachvollziehbar.

Keine Anhaltspunkte für fortbestehende Beeinträchtigung

Denn nachdem er ohnehin anwaltlich vertreten sei, hätte es allenfalls einiger Stunden bedurft, um eine Inanspruchnahme der Beklagten auch früher in die Wege zu leiten. Indem der Kläger jedoch über Jahre hinweg die Behauptung widerspruchslos hingenommen habe, habe er nicht nur bei der Beklagten den Anschein erweckt, die Angelegenheit sei erledigt, sondern auch in objektiver Hinsicht zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Verbreitung der Äußerungen offensichtlich nicht so wichtig war. Laut AG liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beeinträchtigung trotz des Zeitablaufs fortbestehe, etwa durch die weitere Verbreitung der Äußerung.

AG München, Urteil vom 20.10.2016 - 213 C 10547/16 (2)

Redaktion beck-aktuell, 2. Oktober 2017.

Mehr zum Thema