AG München lässt Vorfahrtberechtigten nach Unfall in Parkhaus zu 50% haften

Ein Nutzer muss beim Befahren eines Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden sowie fahrenden Fahrzeugen rechnen und hat eine besondere Rücksichtnahmepflicht. Dies hat das Amtsgericht München mit einem mittlerweile rechtskräftigen Urteil vom 23.06.2016 klargestellt. Im Ergebnis könne dies dazu führen, dass auch der Vorfahrtberechtigte mit 50% haftet (Az.: 333 C 16463/13).

Unfall in Kreuzungsbereich in einem Parkhauses

Am 23.02.2013 gegen 13.00 Uhr kam es im Erdgeschoss des Parkhauses eines großen Möbelhauses in Taufkirchen zu einem Verkehrsunfall. Beide Fahrzeugführer wollten das Parkhaus verlassen. Der beklagte Münchner fuhr mit seinem Passat geradeaus. Er befand sich auf der Straße, die einmal durch das ganze Parkhaus führt und von der links und rechts Querstraßen abzweigen, in denen sich die einzelnen Parkplätze befinden. Der Skoda der Klägerin kam aus Sicht des Beklagten von rechts aus einer dieser Querstraßen. Die Breite der Fahrstraße, auf der sich das Beklagtenfahrzeug befand, beträgt 5 Meter, die der Querstraßen 6 Meter. Alle Straßen sind asphaltiert. Im Kreuzungsbereich kam es zum Unfall der beiden Fahrzeuge. Die Klägerin macht einen Schaden von insgesamt 5.138,75 Euro an ihrem Pkw geltend. Sie behauptet, der Passat sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und habe die Vorfahrt missachtet. Die Versicherung des Beklagten hat vor dem Prozess bereits die Hälfte des Schadens in Höhe von 2.569,37 Euro beglichen. Mit der Klage verlangt nun die Klägerin den Restbetrag in gleicher Höhe.

Bauliche Verhältnisse maßgeblich

Das AG München wies die Klage jetzt ab. Nach dem Urteil haften die beiden Unfallbeteiligten jeweils mit 50%. Da die Versicherung des Beklagten vorgerichtlich bereits 50% des Schadens der Klägerin beglichen habe, schuldeten der Beklagte und seine Versicherung der Klägerin keinen weiteren Schadensersatz. Inwieweit die Vorfahrtsregel des § 8 Absatz 1 StVO auf einem Parkplatz Anwendung finde, hänge davon ab, ob die Fahrspuren lediglich dem ruhenden Verkehr, also dem Suchverkehr, dienen, oder ob sie darüber hinaus Straßencharakter besitzen. Entscheidend für diese Beurteilung seien die sich den Kraftfahrern bietenden baulichen Verhältnisse, insbesondere die Breite der Fahrspuren sowie ihre Abgrenzung von den Parkboxen.

Auch von rechts Kommender muss mit erhöhter Vorsicht fahren

Im vorliegenden Fall sei wegen der breit ausgebauten Straßen ein gewisser Straßencharakter anzunehmen und an den Schnittpunkten der Straßen die rechts vor links Regel anzuwenden. Daneben gelte aber eine besondere und spezifische Rücksichtnahmepflicht aller Verkehrsteilnehmer, die bewirke, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf einem solchen Parkplatz, auch ein von rechts Kommender, mit erhöhter Vorsicht fahren muss. Ein Nutzer müsse also beim Befahren des Parkplatzes stets mit ein- und ausparkenden beziehungsweise -fahrenden Fahrzeugen rechnen, heißt es in dem Urteil.

Experte: Unfall wäre bei Erfüllung der Rücksichtnahmepflichten vermeidbar gewesen

Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten erholt und sich den Feststellungen des Sachverständigen angeschlossen. Danach hätte der Unfall vermieden werden können, wenn beide Beteiligte vorliegend ihre sich aus dem Parkplatzverhältnis ergebende besondere Rücksichtnahmepflicht erfüllt hätten. Die Gegebenheiten auf dem Parkplatz würden es vorliegend nicht zulassen, dass die Führerin des klägerischen Fahrzeugs sich blind auf ihr Vorfahrtsrecht nach der rechts vor links Regel verlässt. Dies gelte insbesondere, weil die Straße, auf der sich der Beklagte befunden habe, geradeaus durch das Parkhaus durchführt und von allen Verkehrsteilnehmern genutzt werden muss, um zur Ausfahrt zu gelangen. Auf dieser Straße sei ständig mit Begegnungsverkehr zu rechnen, befand das Gericht.

AG München, Urteil vom 23.06.2016 - 333 C 16463/13

Redaktion beck-aktuell, 3. Februar 2017.

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