Männliche Tradition rechtfertigt keine Ungleichbehandlung im Verein

Das Amtsgericht Memmingen hat entschieden, dass der Memminger Fischertagsverein Frauen nicht vom zentralen städtischen Kulturevent des Ausfischens des Stadtbachs ausschließen darf. Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hatte Vereinsmitglied Christiane Renz den Verein auf gleichberechtigte Teilnahme verklagt. Das Amtsgericht stellte klar, dass eine männliche Tradition keine Ungleichbehandlung rechtfertigt.

Memminger Fischertagsverein erlaubte nur Männern Ausfischen des Stadtbachs

Der Fischertagsverein ist der zentrale örtliche Kulturverein in Memmingen. Wichtigste Aufgabe des Vereins ist der jährliche Fischertag, ein Traditionsfest mit 20.000 bis 30.000 Teilnehmenden. Höhepunkt dieses Festes ist das sogenannte Ausfischen des Stadtbachs. Dabei wird der Mann, der die schwerste Forelle fängt, zum Fischerkönig gekürt. Die ausschließlich männlichen Stadtbachfischer vernetzen sich auch lokalpolitisch. Frauen und Mädchen konnten bislang keine Stadtbachfischerinnen werden, ihnen war das Ausfischen verboten.

Frauen dürfen bei Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht diskriminiert werden

Das AG stellte klar, dass Traditionsvereine wie der Fischertagsverein für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eine wichtige Rolle spielen und Frauen nicht ohne sachlichen Grund diskriminieren dürfen. Eine männliche Tradition rechtfertige keine Ungleichbehandlung. Richterin Katharina Erdt betonte, der gemeinnützige Verein mit rund 4.500 Mitgliedern habe in Memmingen eine besondere soziale Machtstellung inne und sei an den Grundsatz der Gleichberechtigung im Grundgesetz gebunden.

Ausschluss kann nicht mit "männlicher Tradition" gerechtfertigt werden

Eine männliche Tradition sei kein zulässiger Grund für eine Diskriminierung. Der Vereinsvorstand hatte den Ausschluss von Frauen vom Höhepunkt des Volksfests mit Zehntausenden Besuchern mit der Wahrung eines jahrhundertealten Brauchtums begründet. Die juristische Auseinandersetzung dürfte mit dem Urteil noch nicht beendet sein. Der Fischertagsverein hatte zuvor angekündigt, im Fall einer Niederlage die nächsthöhere Instanz anrufen zu wollen.

Klägerin mit Urteil zufrieden

Das Urteil habe eine grundsätzliche Bedeutung, betonte die Anwältin der Klägerin Susann Bräcklein. Vereine seien damit ans Diskriminierungsverbot im Grundgesetz gebunden. "Wir hoffen auf eine Ausstrahlungswirkung auf andere Vereine und gesellschaftliche Bereiche", sagte Bräcklein. "Der Weg war sehr lang, der Widerstand sehr groß." Die Klägerin aus Memmingen hatte vor dem Prozess zweimal beantragt, durch eine Änderung der Vereinssatzung auch Frauen die Teilnahme am Stadtbachfischen zu ermöglichen. Beide Male stimmte eine große Mehrheit der Delegiertenversammlung dagegen. Das Urteil des Amtsgerichts bedeute "einen Tick mehr Gleichberechtigung", sagte die Klägerin nach der Verkündung. Sie freue sich, dass ihr Verein damit im 21. Jahrhundert ankomme.

Fischertagsverein verweist auf Vereinsautonomie

"Wir sind über das Urteil verwundert", sagte der Vereinsvorsitzende Michael Ruppert nun. "Die Autonomie von Vereinen sehen wir dadurch deutlich eingeschränkt." Über das weitere Vorgehen wolle man nach der schriftlichen Urteilsbegründung in den Vereinsgremien entscheiden. "Das Thema wurde in den vergangenen Jahren in Memmingen emotional diskutiert und hat die Menschen in der Stadt gespalten", sagte Memmingens Oberbürgermeister Manfred Schilder (CSU). Zumindest er ist überzeugt: "Glücklicherweise ist diese Diskussion nun beendet."

Redaktion beck-aktuell, 31. August 2020 (ergänzt durch Material der dpa).