Ein Beschuldigter konnte sich keinen Anwalt leisten. Nachdem ihm vom Amtsgericht Köln die Anklageschrift zugestellt worden war, beantragte er einen Beratungsschein, mit dem er sich bei einem Rechtsanwalt kostenlos beraten lassen wollte. Die Rechtspflegerin lehnte den Antrag ab. Die Beratungshilfe könne nur bei der Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens erteilt werden. Dagegen legte der Anwalt des Mannes Erinnerung ein – mit Erfolg.
Dem AG Köln zufolge hat die Rechtspflegerin den Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe nach § 1 Abs. 1 S. 1 BerHG zu Unrecht zurückgewiesen (Beschluss vom 14.09.2023 – 360 XI 923/23). Für die Frage, wann in Strafsachen in zeitlicher Hinsicht für eine Beratung des Beschuldigten bzw. Angeklagten Beratungshilfe gewährt werden könne, sei – anders als in Zivilverfahren – entscheidend, ob ein Pflichtverteidiger bestellt wurde oder nicht.
Schranke der Möglichkeit von Prozesskostenhilfe nicht auf Strafverfahren übertragbar
"Die Bewilligung der Beratungshilfe (sollte) so lange möglich sein (…), wie kein Pflichtverteidiger bestellt worden ist", urteilte das Gericht. Der deutlich strengeren Auffassung, wonach Beschuldigte in einem Strafverfahren nur bis zum Eingang der Anklageschrift bei Gericht Beratungshilfe in Anspruch nehmen könnten, sei nicht zu folgen.
Die in § 1 Abs. 1 BerHG aufgenommene Schranke für Beratungshilfe durch den Passus "außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens" bestehe nicht für den Beschuldigten bzw. Angeklagten im Strafverfahren. Denn beim Institut der Pflichtverteidigung aus § 141 StPO, welches auf die Regelung zur notwendigen Verteidigung aus § 140 StPO aufbaue, fänden die Kriterien der Bedürftigkeit, des Erfolges der beabsichtigten Rechtsverfolgung sowie der fehlenden Mutwilligkeit keinerlei Berücksichtigung. Ausschlaggebend sei hier allein der Gesichtspunkt der staatlichen Fürsorge. In Strafverfahren bestehe gerade kein nahtloser Übergang verschiedener Möglichkeiten bedürftiger Personen, rechtliche Beratung außerhalb oder während eines gerichtlichen Verfahrens (Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe) in Anspruch zu nehmen. Würde man nun die Beratungshilfe nach Zustellung der Anklageschrift versagen, nähme man dem Angeklagten die Möglichkeit, "sich in der rechtlich höchst prekären Situation einer konkreten Strafverfolgung rechtlich kompetenten Rat in Anspruch zu nehmen", gab das AG zu Bedenken. Dem Angeklagten sei daher Beratungshilfe zu gewähren.