Lehrstuhlinhaber an Kasseler Uni wegen Beleidigung verurteilt

Das Amtsgericht Kassel hat einen Lehrstuhlinhaber an der Universität Kassel wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt. Er hatte 2017 dem Internetportal “kath.net" ein Interview zum Thema “Ehe für alle“ gegeben und sich in ehrverletzender Weise über Kindererziehung in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geäußert. Die Äußerungen hätten sich auf eine hinreichend überschaubare und abgrenzbare Personengruppe bezogen.

Äußerungen über Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare

Der Angeklagte, ein 65-jähriger Biologe mit Lehrstuhl an der Universität Kassel, gab auf einem österreichischen Internetportal anlässlich des Gesetzentwurfs zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts ein im Juli 2017 im Internet veröffentlichtes Interview, in welchem er sich zur Kindererziehung in gleichgeschlechtlichen Ehen äußerte. Dabei sagte er, dass er hinsichtlich des Adoptionsrechts “für Mann-Mann beziehungsweise Frau-Frau-Erotikvereinigungen staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen“ sehe. Zudem bezeichnete er die betroffenen Kinder als “bemitleidenswerte Befruchtungs-Produkte“, deren Erziehung durch “widernatürliche Früh-Sexualisierung“ betrieben werde, was letztlich eine “geistige Vergewaltigung Schutzbefohlener“ sei.

AG wertet Äußerungen als Beleidigung

Das Amtsgericht hat den Lehrstuhlinhaber wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt. Mit seinen Äußerungen habe er Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Ehen leben und Kinder adoptieren, auf deren Sexualleben reduziert und den Eltern im Kontext der von ihm getätigten Äußerungen eine besondere Nähe zur Pädophilie unterstellt. Die hier nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehenden Äußerungen des Angeklagten hätten sich in ehrverletzender Weise auf eine hinreichend überschaubare und abgrenzbare Personengruppe bezogen, sodass der Angeklagte den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt habe.

Äußerungen nicht durch Wissenschaftsfreiheit gedeckt

Die fraglichen Äußerungen seien auch nicht durch die Wissenschaftsfreiheit gedeckt gewesen, da deren Schutzbereich nicht berührt worden sei. Selbst wenn man dies anders würdigen wolle, gewähre das Grundgesetz die Wissenschaftsfreiheit zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos. Sie finde ihre Grenze insbesondere auch in der Ehre als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dem Angeklagten bliebe es zwar unbenommen, sich auch zugespitzt zu Fragen der Kinderziehung durch gleichgeschlechtliche Partner zu äußern. Die im Rahmen des Interviews getätigten Äußerungen würden aber die hierfür nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bestehenden Grenzen zur Ehrverletzung überschreiten.

Redaktion beck-aktuell, 10. August 2020.