Von vor Pandemie gebuchter Reise coronabedingt zurückgetreten
Am 02.01.2020 hatte der Kläger für 2.060 Euro beim beklagten Reiseunternehmen eine Pauschalreise Ägypten für die Zeit vom 25.12.2020 bis 08.01.2021 gebucht. Vereinbarungsgemäß leistete er eine Anzahlung in Höhe von 515 Euro. Mit Schreiben vom 15.09.2020 erklärte er sodann unter Berufung auf durch die Corona-Pandemie veranlasste außergewöhnliche Umstände den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag. Das beklagte Reiseunternehmen erteilte dem Kläger unter Berufung auf in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegte Stornobedingungen eine Stornorechnung über 824 Euro. Im Gegenzug verlangte der Kläger seine Anzahlung zurück.
AG Hannover bejaht Rückzahlungsanspruch
Das AG Hannover gab dem Kläger Recht. Dieser habe gegen das beklagte Reiseunternehmen einen Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung gemäß § 651h Abs. 5 BGB, da er zu Recht vom Vertrag zurückgetreten sei. Das beklagte Reiseunternehmen habe hierdurch den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verloren, § 651h Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB. Gemäß § 651h Abs. 3 BGB könne der Reiseveranstalter auch keine Entschädigung hierfür verlangen, da am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände aufgetreten seien, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Nach ersichtlich herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung sei für die Beurteilung dieser Voraussetzungen darauf abzustellen, ob zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung eine nicht nur unerhebliche Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Reise aufgrund der Covid-19-Pandemie erheblich beeinträchtigt sein würde.
Reisewarnung sprach für Vereitelung der Reise
Hiervon sei aufgrund des Vortrags der Parteien und aufgrund der allgemeinkundigen Umstände auszugehen. Maßgeblich sei dabei, so das AG Hannover, dass für das außereuropäische Ausland, mithin auch für das hier gegenständliche Reiseziel Ägypten, die im Tatbestand zitierte Reisewarnung des Auswärtigen Amtes zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung Bestand hatte. Nach dem Inhalt der Reisewarnung sei damit zu rechnen gewesen, dass die Reise aufgrund behördlicher Anordnungen, nämlich aufgrund eines generellen Einreiseverbotes oder aufgrund eines Verbotes des Hotelbetriebs vereitelt werden würde. Es sei zudem nach ihrem Inhalt damit zu rechnen, dass im Fall der Möglichkeit der Einreise und des Hotelaufenthaltes die Reise erheblich beeinträchtigt sein würde.
Erhebliche Wahrscheinlichkeit zum Rücktrittszeitpunkt
Aufgrund der gegebenen Umstände bestand laut Gericht zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung für eine Vereitelung oder eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise auch eine erhebliche Wahrscheinlichkeit. Im September 2020 sei von vielen Vertretern aus Politik und Wissenschaft über die Medien die Erwartung geäußert worden, dass die Pandemie sich in den folgenden Wochen wieder weltweit verstärkt ausbreiten werde. Diese durch die tatsächliche Entwicklung bestätigte Erwartung habe in der Zeit ab November 2020 auch zu entsprechenden Beschränkungen touristischer Aktivitäten geführt.
Auswirkungen der Pandemie als Reisemangel
Der Ansicht des Reiseunternehmens, die pandemiebedingten Auswirkungen gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko und seien kein Reisemangel, folgt das AG Hannover nicht. Die drohenden behördlichen Restriktionen führten im Fall ihres Eintritts dazu, dass sich die Reise nicht mehr im Sinne des § 651i Abs. 2 Nummer 1 BGB für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen des gebuchten Erholungsurlaubes eignet. Es sei danach unerheblich, inwieweit durch im Zusammenhang mit der Pandemie getroffene obrigkeitliche Anordnungen auch zu einer Beeinträchtigung der allgemeinen Lebensumstände führen.
Berufung wegen uneinheitlicher Rechtsprechung zugelassen
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wie das AG Hannover mitteilt, sind bei den Gerichten eine Vielzahl von Klagen anhängig, die die Frage zum Gegenstand haben, ob bei einem Rücktritt im Zusammenhang mit der Pandemie die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB gegeben sind. Die Rechtsprechung sei uneinheitlich. Obergerichtliche Rechtsprechung existiere bislang nicht. Das Gericht habe daher die Berufung gegen das Urteil zugelassen, da dieses zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.