Änderung ausführenden Luftfahrtunternehmens kein erheblicher Reisemangel

Lässt der Veranstalter einer Pauschalreise den Flug kurzfristig nach dem Check-In durch ein anderes Luftfahrtunternehmen durchführen, so stellt dies keinen erheblichen Mangel der Reise dar, der den Reisenden zu einer Kündigung berechtigen könnte. Dies hat das Amtsgericht Hannover klargestellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Rücktritt wegen Zweifel bezüglich Flugsicherheit

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise von Düsseldorf nach Griechenland gebucht, die unter anderem eine Beförderung durch die Fluggesellschaft T. zum Gegenstand hatte. Nach erfolgtem Check-In am Düsseldorfer Flughafen erhielt der Kläger die Information, dass die Beförderung nach Griechenland nicht von der Fluggesellschaft T., sondern von der Fluggesellschaft L. durchgeführt werde, die im Jahr 2020 gegründet worden war. Weil er Bedenken bezüglich der Flugsicherheit bei dieser Gesellschaft hatte, erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten sogleich den Rücktritt vom Reisevertrag erklärt und brach die Reise ab.

Erstattung des Reisepreises und Schadenersatz verlangt

Der Kläger hat im Verfahren vorgetragen, bei der Buchung der Reise großen Wert auf eine renommierte Fluggesellschaft gelegt zu haben und aufgrund von Rückenschmerzen auf die Verfügbarkeit der von ihm reservierten Sitzplätze und des Bordservice angewiesen gewesen zu sein, was bei der ihm unbekannten Fluggesellschaft L. nicht gewährleistet gewesen sei. Die Beförderung mit dieser Gesellschaft sei ihm nicht zuzumuten gewesen, zumal ihm angesichts der kurzfristig bekannt gegebenen Änderung die Möglichkeit ihrer Überprüfung genommen worden sei. Die Beklagte sei in Anbetracht dieser erheblichen Vertragsänderung verpflichtet, ihm den Reisepreis zu erstatten und Schadenersatz zu leisten.

Reiseveranstalter sieht keinen Reisemangel

Der beklagte Reiseveranstalter trug in der Gerichtsverhandlung vor, die erfolgte Änderung des ausführenden Luftfahrtunternehmens begründe keinen Mangel der Reise, da die Fluggesellschaft L. – dieses war zwischen den Parteien unstreitig – eine nach den Vorschriften des Luftfahrt-Bundesamtes zugelassene Fluggesellschaft mit Sitz in Köln sei, die ebenso unter Einhaltung der Vorschriften der EASA europaweit beanstandungs- und fehlerfrei Flüge durchführe. Auch sei der streitgegenständliche Flug pünktlich und beanstandungsfrei durchgeführt worden. Die Beauftragung eines Subcharters sei nach den Vorgaben des Europarechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Zweck einer pünktlichen Beförderung des Klägers geboten gewesen.

Kündigung nur bei erheblichem Mangel

Das AG Hannover führte aus, dass der Reisende nach § 651l Abs. 1 BGB  den Vertrag unter anderem dann kündigen kann, wenn die Pauschalreise durch einen Reisemangel im Sinne des § 651i Abs. 2 BGB erheblich beeinträchtigt wird. Im vorliegenden Sachverhalt ließ das Gericht im Ergebnis offen, ob die vom beklagten Reiseveranstalter vorgenommene und dem Kläger erst vor dem Boarding mitgeteilte Änderung des ausführenden Luftfahrtunternehmens einen Reisemangel im Sinne des § 651i Abs. 2 Satz 1 BGB begründet. Denn ein Reisemangel wäre hier zumindest nicht erheblich, so das AG.

Andere Reiseleistungen standen im Vordergrund

Für die Feststellung der Erheblichkeit einer Reisebeeinträchtigung sei maßgeblich, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt und welchen Anteil er in Relation zur gesamten Reiseleistung hat. Die sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen, die sich an der Sicht eines Durchschnittsreisenden zu orientieren habe. Daran gemessen könne hier ungeachtet der Änderung des ausführenden Luftfahrtunternehmens kein zur Kündigung der Reise berechtigender erheblicher Reisemangel festgestellt werden, so das AG. Gegenstand der Reise seien neben der für die Realisierung des Reisezwecks vorausgesetzten Beförderung des Klägers und seiner Mitreisenden per Flug nach Griechenland in erster Linie seine Unterbringung und All-inclusive-Verpflegung in einem Hotel in einem Reisezeitraum von einer Woche gewesen. Die Flüge hätten eine für die Durchführung der Reise notwendige Leistung von vergleichsweise geringerem Gewicht dargestellt, so das AG Hannover.

Flug ohne Beanstandung durchgeführt

Zwischen den Parteien sei zudem unstreitig gewesen, dass der von L. für den beklagten Reiseveranstalter durchgeführte Flug nach Griechenland pünktlich und ohne Beanstandungen durchgeführt wurde. Bestimmte Flugsicherheitsmängel bei Flügen der L. oder konkrete Anhaltspunkte dafür habe der Kläger nicht vorgetragen. Die geringe Anzahl von im Besitz der L. befindlichen Luftfahrzeugen oder der Zeitpunkt der Erteilung ihrer Zulassung seien kein Argument. Denn es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, dass kleine oder neu gegründete Fluggesellschaften unzuverlässiger oder unsicherer seien als ältere oder größere.

Abstrakte Sorge mangelnder Flugsicherheit irrelevant

Damit habe die Entscheidung des Klägers, nach erfolgtem Check-In die Reise abzubrechen beziehungsweise zu kündigen, letztlich auf einer lediglich abstrakten Sorge beruht, dass die L. ihm nicht die Sicherheit und den Komfort bieten werden, wie er dies bei der T. erwartet hätte. Aus der objektiven Sicht eines Durchschnittsreisenden sei dagegen allenfalls ein Reisemangel von vergleichsweise geringem Gewicht gegeben, der lediglich einen Teil der Reise, nämlich die gegenüber den übrigen Reiseleistungen nachrangige Beförderung an zwei Reisetagen betroffen hätte. Eine objektiv erhebliche Beeinträchtigung der gesamten Reise sei insoweit nicht zu erkennen.

AG Hannover, Urteil vom 02.03.2023 - 540 C 8858/22

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 19. April 2023.