Ein Mann wurde angeklagt, ein Kind missbraucht zu haben. Die Staatsanwaltschaft beauftragte eine Diplompsychologin, die Angaben des Kindes bei der Polizei auf ihre aussagepsychologische Qualität zu überprüfen. Da der Strafverteidiger die Einschätzung der Psychologin anzweifelte, versandte er das Gutachten – ungeschwärzt – im Auftrag seines Mandanten, aber ohne Zustimmung der anderen Beteiligten, an einen externen Sachverständigen. Dieser sollte es auf methodische Fehler überprüfen. Der Verteidiger leitete dessen Einschätzung an die Staatsanwaltschaft weiter. Diese klagte ihn wegen Geheimnisverrats nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Nachteil des Kindes an. Das AG Hamburg (Urteil vom 22.02.2024 – 242 Ds 120/23 3320 Js 120/22) sprach den Rechtsanwalt von dem Vorwurf frei.
Sachverständiger ist Gehilfe des Anwalts
Das Verhalten des Strafverteidigers ist nicht strafbar, befand das AG Hamburg, weil der Experte als "berufsmäßiger Gehilfe" nach § 203 Abs. 3 Satz 1 StGB anzusehen sei. Die Offenbarung von Geheimnissen ihnen gegenüber sei nicht strafbar. Auch der Gesetzgeber erkenne ausdrücklich an, dass es Berufsgeheimnisträgern möglich sein müsse, externen Sachverstand einzubeziehen, ohne sich strafbar zu machen, BT-Drs.18/11936, S. 18f.
Der Hamburger Strafrichter zog auch § 43a Abs. 2 Satz 6 BRAO zur Begründung heran: Danach stehen Personen, die an der beruflichen Tätigkeit des Anwalts mitwirken, dem Berufsgeheimnisträger gleich. Ihnen dürfen also Geheimnisse anvertraut werden. Auch § 53a StPO, wonach Gehilfen das gleiche Zeugnisverweigerungsrecht wie Rechtsanwälten zukomme, spreche für diese Handhabung.
Nach aktueller Mitteilung des AG Hamburg ist die Entscheidung nicht rechtskräftig.