Ein als "Schreier" bekannter Mann tut vor dem Gerichtsgebäude tagein, tagaus seinen Unmut kund. Dazu brüllt er meist mehrere Minute lang seine Tiraden in die Welt. Weil sich andere Personen davon gestört fühlten, sah sich das Ordnungsamt schließlich in der Pflicht, einzugreifen und nahm den Mann, weil dieser sich weigerte, das Geschrei einzustellen, in Gewahrsam.
Dies ist aus Sicht eines Dortmunder Amtsrichters, dem der Mann durch seine Schreierei selbst gut bekannt war, jedoch nicht mit einer liberalen Gesellschaft zu vereinbaren. Auch ein täglich mehrere Minuten andauerndes Schreien sei kein ausreichender Anlass für eine ordnungsbehördliche Ingewahrsamnahme, selbst wenn sich Dritte hiervon gestört fühlten, entschied der Richter. Er erklärte die Maßnahme für rechtswidrig und lehnte eine Fortdauer des Gewahrsams ab (Beschluss vom 19.06.2024 – 900 XIV(L) 119/24).
Amtsrichter: Meinungsäußerung darf auch anstößig sein
Zuweilen sei es zwar notwendig, für einige Minuten während Gerichtssitzungen die Fenster zu schließen, wenn der Mann mal wieder zu schreien beginne. Dies reiche als Maßnahme aber auch aus. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Mann mit seinem Geschrei auch von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch mache. Die aber schließe auch das Recht ein, eine Meinung frei zu äußern. Der Mann richte sich mit seinen Tiraden erkennbar gegen staatliche Organisationen und kritisiere den Umgang dieser Organisationen mit seinen Anliegen.
Darin ist sicherlich auch der Hinweis zu sehen, dass die Meinungsfreiheit es nicht erfordert, dass die geäußerte Meinung objektiv besonders fundiert sein muss ("begründet oder unbegründet" schreibt der Richter). Darüber hinaus, so der Amtsrichter, sei es in diesem Rahmen auch das gute Recht des Mannes, "uneinsichtig zu sein und Anstoß und Kopfschütteln zu erwecken".