Obwohl er eine seit sechs Sekunden rot zeigende Ampel überfahren hatte, verhängte das AG Dortmund gegen einen Elektriker nur eine Geldbuße. Das Gericht sah vom Regelfahrverbot ab, da neben seinem Gehalt auch die nebenberufliche Tätigkeit als Landschaftsgärtner – kurz vor der Hochsaison – ausgefallen wäre. Sein Arbeitgeber konnte vor Gericht per WhatsApp-Videoanruf als Zeuge vernommen werden (Urteil vom 27.03.2025 – 729 OWi-268 Js 298/25-30/25).
Dem AG Dortmund war die Kreuzung längst aus mehreren Verfahren bekannt. Der fahrlässige Verstoß sei mit einer Geldbuße in Regelhöhe von 200 Euro zu ahnden, so das AG. Grundsätzlich drohe in solchen Fällen - bei Rotlichtphasen von mehr als einer Sekunde - zusätzlich ein einmonatiges Fahrverbot.
Davon wiederum machte das AG Dortmund nun eine Ausnahme und erhöhte das Bußgeld stattdessen auf 400 Euro (gem. § 4 Abs. 4 BKatV). Der Fahrer habe die Ordnungswidrigkeit gestanden, und seinen Einspruch auf die Rechtsfolge (das Fahrverbot) beschränkt. Das hielt das Gericht ihm zugute, ebenso wie weitere Argumente, die auf ungewöhnlichem Wege Eingang in das Verfahren fanden.
Chef sagt via WhatsApp-Videochat aus
Das Gericht begründete diese Ausnahme nämlich mit den besonderen wirtschaftlichen Einbußen, die ein Fahrverbot für den Mann und, wie er aus Sicht des Gerichts glaubhaft versicherte, auch für den Betrieb bedeutet hätten, in dem er arbeitete.
Von der Richtigkeit dieser Angaben überzeugten sich die Richterinnen und Richter auf eine besondere Art und Weise. Auf kritische Nachfrage des Gerichts schlug der Elektriker eine Vernehmung seines Chefs vor, der allerdings kaum damit einverstanden wäre, persönlich vor Gericht zu erscheinen. Den Vorschlag, seinen Arbeitgeber "doch einfach an[zu]rufen", lehnte das Gericht zwar ab - doch ein Videotelefonat per WhatsApp ließ es zu. Der Arbeitgeber ließ sich mit dem Handy des Elektrikers erreichen, und erklärte sich mit der Zeugenvernehmung einverstanden.
Das Einverständnis zog er auch auf den Hinweis des Gerichts hin, dass die Nutzung von WhatsApp "möglicherweise datenschutzrechtlich problematisch" sei, nicht zurück. Weil sowohl der Zeuge als auch der Elektriker bereit waren, das Risiko einzugehen, gab das Gericht grünes Licht. Das WhatsApp-Videotelefonat wurde sodann als "audiovisuelle Vernehmung des Zeugen nach § 247a StPO" beschlossen.
Im Wesentlichen bestätigte der Chef in dem WhatsApp-Call die Aussagen seines Arbeitnehmers. Er konnte auch die Richterinnen und Richter überzeugen, seinem Angestellten den Führerschein zu belassen. Das Gericht hielt die Aussage für nachvollziehbar und "nicht aufgebauscht“ – es schloss aus, dass die Angaben nur aus reiner Gefälligkeit gemacht wurden.