Weil ihn ein Traktor überholte? Radfahrer starb an Herzinfarkt
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Ein furchtbarer Fall mit einem Finale wie aus einer Gerichtsshow: Ein Bauer war wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Mit seinem Traktor soll er einen Radfahrer so dicht überholt haben, dass der vor Schreck an einem Herzinfarkt starb. Erst sein Verteidiger wertete die Gesundheitsdaten des Toten aus.

Bei der Urteilsverkündung sagte Richter Tobias Kleimann vom AG Bad Segeberg: "Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig Ihre Arbeit war." Das ist ein nicht gerade alltägliches Lob für Strafverteidigerinnen und -verteidiger. Doch es ist nur der Hartnäckigkeit des Hamburger Anwalts Lars-Peter Rittgen zu verdanken, dass dessen Mandant, ein Landwirt, nicht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Kiel trug der Landwirt nämlich die Schuld am Herztod eines Radfahrers. Der Vorwurf: Der Landwirt habe diesen mit einem Traktor-Gespann so dicht überholt, dass der Mann vor Schreck einen Herzinfarkt erlitten habe und noch an der Unfallstelle verstarb. In der Anklageschrift hieß es, der Landwirt hätte erkennen müssen, dass sein Überholmanöver "aufgrund eines Schreckmoments" tödliche Folgen hätte haben können.

Ganz so einfach war es dann aber doch nicht. Wie sich herausstellte, hatte der Radfahrer zum Zeitpunkt des Geschehens einen Gesundheitstracker getragen, der unter anderem seine Herzfrequenz aufzeichnete. Das war der Staatsanwaltschaft auch bekannt. Sie hatte das Gerät zwar zur Auswertung ans LKA geschickt, doch in der Akte fanden sich nur einige Fotos und ein Hinweis darauf, dass sich Gesundheitsdaten auf dem Tracker befänden. Eine Auswertung eben dieser Daten hingegen gab es nicht. Mit der Anklageschrift brachte die Staatsanwaltschaft das Gerät sogar als Beweismittel ein, allerdings nur als Augenscheinsobjekt. Die darauf gespeicherten Daten aber wollten die Ankläger außen vor lassen.

Fitnesstracker zeichnete den Herzinfarkt auf

Das wollte der Verteidiger des Landwirts nicht akzeptieren. Rittgen bestand darauf, Zugriff auf die Gesundheitsdaten zu erhalten. Als die StA ihm diese schließlich kurz vor der mündlichen Verhandlung zur Verfügung stellte, nahm der Prozess eine Wendung: Mithilfe der Gesundheitsdaten gelang es dem Verteidiger, zu beweisen, dass nicht der Schreckmoment, sondern die Überanstrengung beim Radfahren den Herzinfarkt bei dem Verstorbenen ausgelöst hatte. Der Radfahrer hatte bis auf 42 km/h beschleunigt und bereits Minuten vor dem Überholen des Traktors eine gefährlich hohe Herzfrequenz erreicht. Die Daten zeigten, dass der Herzschlag sich analog zur Geschwindigkeit erhöht hatte – und eben nicht, wie bei einem Schreckmoment anzunehmen, sprunghaft angestiegen war.

Diese Information veranlasste den Vorsitzenden Richter, ein Gutachten einzuholen. Der Rechtsmediziner stellte bei der Obduktion der Leiche fest, dass der Tote an einer schweren Herzerkrankung gelitten hatte, von deren Ausmaß er wohl selbst nichts gewusst hatte. Die Daten auf dem Fitness-Tracker hätten enorm zur Aufklärung des Falls beigetragen, sagte der Rechtsmediziner den Kieler Nachrichten. Sie zeigten, dass die Herzfrequenz mit 170 Schlägen pro Minute nahe an der Grenze zum Herzflimmern (ab 180 Schlägen) gewesen sei. Dass das Gerät den Moment des Herzinfarkts aufgezeichnet habe, sei eine "rechtsmedizinische Welturaufführung", so der Mediziner.

Wären die Daten nicht ans Licht gekommen, hätte der Richter den Landwirt wohl verurteilt. So kam der Beschuldigte mit einer Geldstrafe für Fahren ohne Führerschein und Gefährdung im Straßenverkehr davon; die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.

Redaktion beck-aktuell, dd, 2. Juli 2024.