Ärger über den Zoll: Die E-Zi­ga­ret­ten-Bran­che zieht vor Ge­richt

Deutsch­lands E-Zi­ga­ret­ten­bran­che zieht ju­ris­tisch alle Re­gis­ter, um die deut­lich er­höh­te Steu­er­last auf ihren Pro­duk­ten ab­zu­schwä­chen. Ein Kon­su­ment und ein Händ­ler reich­ten kürz­lich Klage gegen das Haupt­zoll­amt Saar­brü­cken beim Fi­nanz­ge­richt des Saar­lan­des ein, wie der Ver­band des E-Zi­ga­ret­ten­han­dels mit­teil­te. Der Ver­band un­ter­stützt die Klage. Die Bran­che will er­rei­chen, dass auf Roh­stof­fe, die E-Zi­ga­ret­ten-Damp­fer zur Her­stel­lung von Flüs­sig­kei­ten (Li­quids) nut­zen, keine Ta­bak­steu­er an­fällt.

Ta­bak­steu­er be­reits vor dem Mi­schen?

Bei den Roh­stof­fen geht es um zwei Basen: um Pro­py­len­gly­kol und um pflanz­li­ches Gly­ce­rin. Viele E-Zi­ga­ret­ten-Nut­zer stel­len ihre Li­quids selbst her und mi­schen diese bei­den Roh­stof­fe mit Aro­men sowie mit Ni­ko­tin. Klar ist, dass das fer­tig ge­misch­te Pro­dukt der Ta­bak­steu­er un­ter­liegt. Frag­lich ist aber, ob die Steu­er­pflicht schon bei den ein­zel­nen Be­stand­tei­len greift, also vor dem Mi­schen. Der Zoll ver­tritt die Auf­fas­sung, dass Ta­bak­steu­er be­rech­net wer­den muss. Da­durch wür­den sich Roh­stof­fe für die Li­quids bald er­heb­lich ver­teu­ern. Noch gilt eine Ab­ver­kaufs­frist für Ware, die bis Ende Juni an den Han­del ge­lie­fert wurde. Aber spä­tes­tens, wenn die Frist im Fe­bru­ar aus­läuft, wird es we­sent­lich teuer. Die Damp­fer-Shops be­fürch­ten, dass sie dann einen be­trächt­li­chen Teil ihres Ge­schäfts ein­bü­ßen – der­zeit ma­chen sie schät­zungs­wei­se ein Fünf­tel ihres Ge­samt­um­sat­zes mit dem Roh­stoff-Ver­kauf und den Rest mit den Fer­tig­pro­duk­ten (Li­quids) und Ge­rä­ten.

Streit um Be­griff des Er­zeug­nis­ses

Kon­su­men­ten könn­ten be­sag­te Roh­stof­fe viel bil­li­ger wo­an­ders be­zie­hen, und zwar in Dro­ge­rie­märk­ten, in der Apo­the­ke und bei On­line-Händ­lern. Dort sind die Sub­stan­zen, die man etwa auch für Cremes und den Tier­be­darf nut­zen kann, nicht für die E-Zi­ga­ret­ten-Nut­zung de­kla­riert. Daher wird keine Ta­bak­steu­er fäl­lig, ob­wohl es die glei­chen Roh­stof­fe sind. "Das ist un­fair und er­schwert das Ge­schäft un­se­rer Bran­che er­heb­lich", sagt Oli­ver Poh­land vom Ver­band des E-Zi­ga­ret­ten­han­dels. "Der ehr­li­che Händ­ler ist hier­bei der Dumme." Die E-Zi­ga­ret­ten-Bran­che und der Zoll strei­ten über die Aus­le­gung des Ge­set­zes. Darin ist von "Er­zeug­nis­sen" die Rede, die der Ta­bak­steu­er un­ter­lie­gen. Aber was ist ein Er­zeug­nis? Nur das fer­ti­ge Pro­dukt, sagen die Klä­ger: etwas, das "er­zeugt" wurde. Der Zoll hin­ge­gen ver­steht das Wort so, dass so­wohl das Fer­tig­erzeug­nis als auch die "Misch­kom­po­nen­ten" für E-Zi­ga­ret­ten - Gly­ce­rin und Pro­py­len­gly­kol - ta­bak­steu­er­pflich­tig seien.

Zweck­be­stim­mung ent­schei­det über Steu­er­pflicht

Ku­ri­os mutet die im Ge­setz ver­an­ker­te Zweck­be­stim­mung an: Wer­den die Roh­stof­fe zum Zwe­cke des E-Zi­ga­ret­ten-Damp­fens ver­kauft, greift die Ta­bak­steu­er. Fehlt die­ser Zweck, tut sie es nicht. "Die in Apo­the­ken und Dro­ge­rie­märk­ten an­ge­bo­te­nen Pro­duk­te, wie Gly­ce­rin und Pro­py­len­gly­kol, un­ter­lie­gen auf­grund der feh­len­den Zweck­be­stim­mung [...] nicht einer Be­steue­rung", sagt eine Spre­che­rin der Ge­ne­ral­zoll­di­rek­ti­on. Ein Re­chen­bei­spiel: Der­zeit kos­tet ein Liter Pro­py­len­gly­kol grob zwi­schen zehn und 30 Euro. Würde Ta­bak­steu­er fäl­lig, kämen 160 Euro oben drauf. Das macht klar: In einem E-Zi­ga­ret­ten-Shop würde das Pro­dukt zum La­den­hü­ter, da im Dro­ge­rie­markt der glei­che In­halt 160 Euro we­ni­ger kos­tet. Setzt sich die Hal­tung des Zolls vor Ge­richt durch, wäre das ein her­ber Rück­schlag für die auf­stre­ben­de E-Zi­ga­ret­ten-Bran­che. Die ist oh­ne­hin unter Druck, weil auch ihre Stan­dard­pro­duk­te - die fer­ti­gen Li­quids – erst­mals der Ta­bak­steu­er un­ter­lie­gen und da­durch teuer wer­den. Das könn­te die Kauf­lau­ne der Kund­schaft trü­ben.

Steu­er­li­che Gleich­stel­lung mit Ta­bak­zi­ga­ret­ten vor BVerfG mo­niert

In dem Streit zwi­schen der E-Zi­ga­ret­ten-Bran­che und dem Staat gibt es noch einen an­de­ren Strang: Im Früh­jahr hatte das Bünd­nis für Ta­bak­frei­en Ge­nuss eine Be­schwer­de beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ein­ge­reicht, um wei­te­re, in den nächs­ten Jah­ren an­ste­hen­de Steu­er­erhö­hun­gen zu ver­hin­dern. Dass E-Zi­ga­ret­ten ein viel ge­rin­ge­res Scha­dens­po­ten­zi­al als Ta­bak­zi­ga­ret­ten haben und in der neuen Steu­er­ge­setz­ge­bung trotz­dem gleich­ge­stellt wer­den, sei un­ver­hält­nis­mä­ßig, mo­niert das Bran­chen­bünd­nis. Ob es zur Ver­hand­lung kommt, ent­schei­det das BVerfG wohl erst 2023. In dem Jahr dürf­te es auch am saar­län­di­schen Fi­nanz­ge­richt zum Roh­stoff-Streit eine Ent­schei­dung geben.

Redaktion beck-aktuell, Wolf von Dewitz, 17. Oktober 2022 (dpa).