Änderungen der Straßenverkehrsordnung seit 2009 ungültig?

Wegen Formfehlern könnten aus Sicht von Juristen alle Änderungen der StVO seit elf Jahren ungültig sein. Das berichtet die "Neue Osnabrücker Zeitung" unter Berufung auf ein Schreiben des baden-württembergischen Justizressorts an das Bundesverkehrsministerium. Darin geht es vor allem um eine Verordnung aus dem Jahr 2013, in der gegen das Zitierverbot verstoßen worden sein könnte. Das Bundesministerium, aber auch der ADAC, winken ab.

Bußgeldkatalog 2020 außer Kraft

Wegen eines Formfehlers war der Ende April in Kraft getretene Bußgeldkatalog der neuen StVO von den Ländern außer Kraft gesetzt worden. Dabei geht es vor allem um härtere Strafen für Raser. Die Bundesländer und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ringen um eine Neuregelung. Bei der neuen StVO wurde das Zitiergebot des Grundgesetzes verletzt: Bei Erlass einer Verordnung muss angegeben werden, auf welcher Rechtsgrundlage der Verordnungsgeber gehandelt hat.

Zitierfehler auch in vorhergehenden Novellen der StPO?

Wie das baden-württembergische Verkehrsministerium nun an das Bundesverkehrsministerium schrieb, könnte es auch in vorherigen Novellen der StVO Verstöße gegen das Zitiergebot gegeben haben. Verwiesen wird auf ein Schreiben des baden-württembergischen Justizministeriums, das darin Bedenken aus der "gerichtlichen Praxis" aufnimmt. Das Schreiben lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Konkret habe die Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrsordnung vom 06.03.2013 eine Rechtsgrundlage nur unzureichend zitiert. Auch die Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 05.08.2009 sei wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot nichtig. Dies hätte zur Folge, dass die bis zum 31.08.2009 geltende Rechtslage anzuwenden wäre.

Bundesministerium sieht keinen Zitierfehler

Eine Sprecherin des baden-württembergischen Justizministerium bestätigte, dass aus der "Justizpraxis" Bedenken vorgebracht worden seien. Diese seien an das zuständige Verkehrsministerium weitergeleitet worden. Das Bundesverkehrsministerium erklärte am 03.09.2020, nach Auffassung des Ressorts leide die Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrsordnung vom 06.03.2013 nicht an einem Zitierfehler. 

ADAC stimmt Bundesministerium zu

Auch der ADAC sieht dies so. Die Neufassung der StVO 2013 sei damals gerade zu dem Zweck erfolgt, eine rechtssichere Verordnung aufgrund früherer Zitierfehler zu schaffen. "Dort sind alle relevanten Ermächtigungsgrundlagen unseres Erachtens korrekt angeführt." In den zurückliegenden sieben Jahren seien zudem nach ADAC-Recherche keine Gerichtsentscheidungen veröffentlicht worden, die Bedenken hinsichtlich des Zitiergebots bei der StVO angeführt haben. "Daher können wir eine Fehlerhaftigkeit im Neuerlass der StVO 2013 nicht bestätigen."

Streit um Novelle 2020 dauert an

Im Streit um den Formfehler in der neuen Straßenverkehrsordnung ist umstritten, ob zunächst nur der Formfehler korrigiert werden soll - das wollen die Grünen. Dagegen wollen unionsgeführte sowie SPD-geführte Länder sowie Scheuer, dass auch die härteren Strafen für Raser gemildert werden. Sie sehen die neuen Fahrverbotsregeln als unverhältnismäßig an und warnen vor möglichen verfassungsrechtlichen Risiken. Über einen Ausweg aus der Sackgasse wird seit Wochen gerungen.

Redaktion beck-aktuell, 4. September 2020 (dpa).

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