Änderung beim Geschlechtseintrag soll einfacher werden
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Künftig soll jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und einfach beim Standesamt ändern können. Das Bundeskabinett will am Mittwoch das Selbstbestimmungsgesetz beschließen. Es richtet sich an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.

"Trans" sind laut dem Entwurf für ein Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. "Inter" bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, "die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen". "Nicht-Binär" wird als Selbstbezeichnung für Menschen definiert, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren. 

Für Betroffene ist es bislang kompliziert und auch sehr teuer, das eigene Geschlecht offiziell anpassen zu lassen. Das bisherige "Transsexuellengesetz" empfinden viele Transmenschen zudem als demütigend, da es etwa vorsieht, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung offiziell ändern dürfen. Das Prozedere ist langwierig, häufig müssen sie die Trans-Personen sich sehr intime Fragen gefallen lassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach wesentliche Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.

Wie funktioniert das neue Selbstbestimmungsgesetz?

Möchte jemand seinen Geschlechtseintrag ändern, muss die Person künftig eine Erklärung und eine Eigenversicherung beim Standesamt abgeben. Das soll unabhängig davon geschehen, ob Betroffene sich bereits medizinischen Behandlungen zur Geschlechtsangleichung unterzogen haben oder nicht. Theoretisch können Betroffene den Eintrag ändern, so oft sie wollen. Das Gesetz soll allerdings eine Sperrfrist vorsehen - erst nach einem Jahr soll eine erneute Änderung möglich sein.

Eine Ausnahme gilt für Kinder und Jugendliche, sie können ihren Geschlechtseintrag nicht selbstständig ändern. Bis zum Alter von 14 Jahren müssen die Sorgeberechtigten die Erklärung gegenüber dem Standesamt abgeben, danach müssen sie nur noch zustimmen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn Eltern mit ihrer Haltung das Kindeswohl gefährden.

Um zu verhindern, dass straffällige Personen mit dem Gesetz einfach ihren Namen ändern könnten, um einer Strafverfolgung zu entgehen, sollen die Standesämter laut Gesetzentwurf die Daten bei den Anträgen an die Meldebehörden, also auch die Strafverfolgungsbehörden, weitergeben können. Diese schauen dann, ob gegen die Person bereits ein Verfahren oder eine Fahndung läuft. Ist das der Fall, wissen die Sicherheitsbehörden, dass die Person einen neuen Namen angenommen hat und können das registrieren.

Buschmann: "Gesetz ganz im Geist der Verfassung"

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), aus dessen Haus der Entwurf stammt, verbucht diesen gegenüber dem "Tagesspiegel" als Erfolg der Ampel-Koalition. "Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf, hinter dem die gesamte Bundesregierung steht und der allen Bedenken - und seien sie noch so fernliegend - Rechnung trägt." Auch auf die sicherheitspolitischen Bedenken sei man in aller Gründlichkeit eingegangen. Man müsse allerdings bedenken, worum es eigentlich gehe: "Um die Freiheit und die Würde von transgeschlechtlichen Menschen." Es sei ein Gesetz "ganz im Geist der Verfassung". 

Bundesfamilienministerin Lisa Paus bezeichnete die geplante Verabschiedung des Entwurfs durch das Bundeskabinett als "großen Moment" für trans- und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland und einen gesellschaftspolitischen Fortschritt. "Das Selbstbestimmungsgesetz dient dem Schutz lang diskriminierter Minderheiten und ist ein gesellschaftspolitischer Fortschritt", sagte die Grünen-Politikerin.

Union sorgt sich um Frauenrechte

Die Union sieht in dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz dagegen eine Gefahr für die Frauenrechte. "So überlässt das Gesetz dem Bademeister oder dem Fitnesstrainer, ob eine Transperson in die Frauenumkleide darf", sagte die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Silvia Brehe gegenüber der Nachrichtenagentur "dpa". Die Notwendigkeit von Schutzräumen werde ignoriert. Auch Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte vor Gefahren für Frauen etwa in Frauensaunen gewarnt, die AfD sieht das geplante Gesetz ebenfalls kritisch.

Für die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman ist dies dagegen eine irrationale Debatte. "Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen", sagt sie.

Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass ein eingetragenes Geschlecht einem nicht automatisch Zugang zu geschützten Räumen gibt. Es soll weiterhin das private Hausrecht gelten, also das Recht des Inhabers, darüber zu bestimmen, wer beispielsweise seine Wohnung oder Geschäftsräume betritt. Hier schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz transgeschlechtliche Personen jedoch vor Diskriminierung - sie dürfen nicht aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt werden. Aus der FDP-Organisation "Liberale Schwule, Lesben, Bi, Trans und Queer" heißt es, das geplante Gesetz berücksichtige alle Eventualitäten, um Missbrauch insbesondere durch Cis-Männer zu verhindern.

Mögliches Inkrafttreten am 1. November 2024

Noch nicht klar ist offenbar, wann das Gesetz in Kraft treten soll. Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom heutigen Mittwoch ist im aktuellen Gesetzentwurf ein Inkrafttreten zum 1. November 2024 vorgesehen. Das Transsexuellengesetz soll zeitgleich außer Kraft treten, zwischen Verkündung und Geltung sollen laut Entwurf mindestens drei Monate liegen. Diese Übergangszeit sei für die erforderlichen Anpassungen im Personenstandswesen erforderlich, aber auch ausreichend, heißt es im Entwurf aus dem BMJ.

Allein wird Deutschland mit dem neuen Selbstbestimmungsrecht nicht sein. In der Schweiz ist der Geschlechtseintrag im Personenregister problemlos möglich, das Register erlaubt jedoch nur die Kategorien "männlich" und "weiblich". In der EU haben Länder wie Irland, Dänemark oder Portugal bereits Selbstbestimmungsgesetze eingeführt. Zudem gibt es auch in Argentinien und Uruguay solche Gesetze. 

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 23. August 2023 (ergänzt durch Material der dpa).