Käufer eines VW Polo begehrte von Volkswagen deliktischen Schadensersatz
In dem ersten Verfahren hatte die Klägerin 2010 für 18.445 Euro einen VW Polo BlueMotion 1,2 l TDI erworben, in dem ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 verbaut ist, der laut Kraftfahrt-Bundesamt bis zu der zwischenzeitlich erfolgten Installation eines Software-Updates über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügte. Die Klägerin verlangte von der Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeugs Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Ferner forderte sie Ersatz der ihr für das Fahrzeug entstandenen Kosten (insbesondere Wartungs- und Inspektionskosten). Das Landgericht gab der Klage teilweise statt. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein.
OLG bejaht Anspruch auf "Rückabwicklung" nach arglistiger Täuschung
Die Berufungen blieben im Wesentlichen erfolglos. Laut OLG hat die Klägerin gegen VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB einen Schadensersatzanspruch in Form der Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs. In dem Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten und damit mangelbehafteten Motors sei eine arglistige Täuschung potentieller Erwerber entsprechender Fahrzeuge zu sehen. Denn hierin liege die konkludente - allerdings tatsächlich nicht zutreffende - Erklärung, dass die Fahrzeuge entsprechend ihrem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden können und über eine Betriebserlaubnis verfügen, deren Fortbestand nicht auf Grund (versteckter) konstruktiver Eigenschaften der Fahrzeugmotoren gefährdet sei.
Täuschung der Behörden und Kunden zur Gewinnmaximierung sittenwidrig
Die Sittenwidrigkeit ergebe sich aus der Verheimlichung des Einsatzes der Software sowohl gegenüber den zuständigen Behörden als auch gegenüber potentiellen Kunden, so das OLG weiter. Denn daraus lasse sich schließen, dass die verantwortlichen Mitarbeiter in der Vorstellung gehandelt hätten, dass der Einsatz der Software im Fall des Bekanntwerdens zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typgenehmigung und der weiteren Betriebszulassung der entsprechend ausgestatteten Fahrzeuge führen werde. Zudem könne die Täuschung offensichtlich nur dazu gedient haben, unter Ausnutzung der Fehlvorstellung potentieller Kunden hohe Absatzzahlen zu erreichen, durch Kostensenkung eine Gewinnmaximierung zu erzielen und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Klägerin muss sich Nutzungsentschädigung anrechnen lassen
Der Schaden der Klägerin liegt laut OLG darin, dass der abgeschlossene Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht ihren berechtigten Erwartungen entsprochen hat. Dieser Schaden sei dadurch zu ersetzen, dass die Beklagte der Klägerin gegen Rücknahme des Fahrzeugs den Kaufpreis erstatte. In diesem Zusammenhang müsse sich die Klägerin allerdings die Vorteile, die sie durch die mehrjährige Nutzung des Fahrzeugs erlangt habe, anrechnen lassen.
Inspektions- und Wartungskosten nicht zu ersetzen
Einen Anspruch auf Erstattung von Kosten für Inspektions- und Wartungsarbeiten hat das OLG verneint. Diese seien keine unmittelbare Folge des "ungewollten" Vertragsschlusses über das streitgegenständliche Fahrzeug, sondern - vergleichsweise mit den Kraftstoffkosten für das Fahrzeug - hätten der im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden uneingeschränkten Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin gedient.
Porsche Cayenne-Käufer verlangte vom Händler Rückabwicklung des Kaufvertrags
In dem zweiten Verfahren erwarb der Kläger 2017 für 63.000 Euro einen gebrauchten Porsche Cayenne 3,0 Liter Diesel (Abgasnorm Euro 6). Er verlangte von dem beklagten Autohaus aus kaufrechtlicher Gewährleistung die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt wegen einer bei diesem Fahrzeugtyp verbauten Motorsteuerungsgeräte-Software, durch die die Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstandlauf und realem Fahrbetrieb verändert werden, Beanstandungen erhoben hatte, hatte der Kläger zeitnah den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Die Beklagte hatte eine Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Hinweis auf eine bevorstehende Rückrufaktion, bei der die Beanstandung durch Aufspielen eines Software-Updates behoben würde, abgelehnt. Das Landgericht gab der Klage statt. Dagegen legte das Autohaus Berufung ein.
OLG: Kläger hätte ausreichend Zeit zum Aufspielen des Software-Updates geben müssen
Die Berufung hatte Erfolg. Das OLG hat in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abgewiesen. Das Rückabwicklungsverlangen scheitere daran, dass der Kläger der Beklagten vor Erklärung des Rücktritts keine ausreichende Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben habe. Die insoweit durch den Kläger gesetzte Frist von lediglich zwei Wochen sei nicht ausreichend und eine hierdurch in Lauf gesetzte angemessene Frist zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch nicht abgelaufen gewesen. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte bei der Nachbesserung auf eine Mitwirkung des Herstellers angewiesen gewesen sei, der seinerseits die Rückrufaktion in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt habe vorbereiten müssen. Da die Beklagte den Kläger hierüber sowie über ihre Bereitschaft zur Nachbesserung informiert habe, sei diesem ein Zuwarten von jedenfalls drei Monaten zumutbar gewesen, zumal er das Fahrzeug in der Zwischenzeit ohne Gebrauchsbeeinträchtigung habe nutzen können.