Vorsitzstelle am OLG: Auf die "Standzeit" kommt es nicht an

In einem Auswahlverfahren für einen Vorsitz am OLG bekam eine langjährige LG-Vorsitzende gegenüber einem stellvertretenden OLG-Senatsvorsitzenden den Vorzug. Laut VG Freiburg begründet die Erfahrung auf einer bestimmten Stelle aber keinen automatischen Vorsprung. Auf die "Standzeit" komme es nicht an.

Das baden-württembergische Justizministerium hatte zunächst einen Bewerber befürwortet, der stellvertretender OLG-Senatsvorsitzender ist. Es schwenkte aber um, nachdem der Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit einen Gegenvorschlag gemacht und sich für eine Bewerberin mit gleichem Gesamturteil in der Anlassbeurteilung ausgesprochen hatte, die Vorsitzende LG-Richterin ist. Im abschließenden Vermerk, auf dem die Auswahlentscheidung beruhte, wurde diese "vor dem Hintergrund des Auswahlvermerks und der Stellungnahme mit Gegenvorschlag des Präsidialrats" vorgeschlagen. Der Präsidialrat hatte seinen Vorschlag damit begründet, dass die Bewerberin aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in ihrer Position einen deutlichen Erfahrungsvorsprung und deshalb eine größere Fachkompetenz habe. 

Dagegen wandte sich der unterlegene Bewerber mit einem Eilantrag, um die Besetzung der Stelle vorläufig zu verhindern. Er monierte, dass die Auswahlentscheidung im Widerspruch zum ursprünglichen Auswahlvermerk des Ministeriums stehe. Das habe festgestellt, dass er deutlich vor der Konkurrentin liege, auch bei der Fachkompetenz. Eine nachvollziehbare Begründung der dem zuwiderlaufenden Auswahlentscheidung fehle.

Kein automatischer Vorsprung durch Stellenerfahrung

Der Eilantrag hatte beim VG Freiburg Erfolg. Der freie OLG-Senatsvorsitz darf vorerst nicht mit der ausgewählten Bewerberin besetzt werden (Beschluss vom 21.07.2025 3 K 1791/25). Das VG sieht den unterlegenen Richter durch die Auswahlentscheidung in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Die Auswahlentscheidung sei unzureichend begründet und nicht nachvollziehbar. Die im Nachgang zu einem Gegenvorschlag des Präsidialrats getroffene Auswahlentscheidung müsse sich an den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG messen lassen. Dem werde die auf einem widersprüchlichen Auswahlvermerk beruhende Auswahlentscheidung nicht gerecht.

Ferner moniert das VG die Stellungnahme des Präsidialrats als rechtlich nicht tragfähig: Die Erfahrung auf einer bestimmten Stelle begründe keinen automatischen Vorsprung. Es komme nicht auf die "Standzeit", sondern allein auf die individuelle Eignung, Leistung und Befähigung (Art. 33 Abs. 2 GG) in Bezug auf das angestrebte, höhere Statusamt an, die in den dienstlichen Beurteilungen bewertet würden. Einer rechtlich nicht tragfähigen Stellungnahme des Präsidialrats dürfe sich das Ministerium nicht kommentarlos anzuschließen, sondern müsse seine Entscheidung nachvollziehbar begründen. Schließlich seien auch die Erfolgsaussichten des unterlegenen Bewerbers bei einer erneuten Auswahl offen; seine Auswahl erscheine möglich, so das VG.

VG Freiburg, Beschluss vom 21.07.2025 - 3 K 1791/25

Redaktion beck-aktuell, hs, 6. August 2025.

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