Corona ist kein ausreichender Grund für "Pop-up-Radwege" in Berlin
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© Christian Charisius / dpa

Die Berliner Stadtverwaltung muss die von ihr aus Anlass der Corona-Pandemie eingerichteten acht "Pop-up-Radwege" wieder abbauen. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin auf einen Eilantrag entschieden. Die Einrichtung temporärer Radfahrwege sei zwar möglich, aber nur aufgrund einer konkreten verkehrsbezogenen Gefahrenlage, die die Stadt hier nicht nachgewiesen habe. Die Pandemie selber stelle keine solche Gefahrenlage dar.

Stadt wollte systemrelevante Mobilität sichern

Im zeitlichen Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie ordnete die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Berlin die Einrichtung von Pop-up-Radfahrstreifen an. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, in der Pandemie sei es erforderlich, die systemrelevante Mobilität zu gewährleisten. Ein Großteil der Berliner verfüge über kein Auto und in öffentlichen Verkehrsmitteln sei der Mindestabstand kaum einzuhalten. Das rechtfertige es, beschleunigt und gegebenenfalls provisorisch Radwege zu schaffen. Diese seien geeignet, die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu verbessern.

Rechtsgrundlage angezweifelt

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit Klage und Eilantrag. Er meint, die Radwege entbehrten einer Rechtsgrundlage. Auch hätte es einer Teileinziehung der Straßen bedurft, die fehle. Zudem dürften Radwege innerhalb geschlossener Ortschaften nur außerhalb von Fahrbahnen errichtet werden. Verkehrsfremde Erwägungen wie die Pandemie könnten zur Begründung nicht herangezogen werden. Eine konkrete Gefahrenlage, die Voraussetzung für Fahrradwege sei, habe die Senatsverwaltung nicht dargelegt.

Konkrete Gefahrenlage erforderlich

Das VG hat dem Eilantrag stattgegeben und den Antragsgegner verpflichtet, die entsprechende Beschilderung zu entfernen. Denn es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Radwegeinrichtung. Zwar könne die Senatsverwaltung befristete Radwege einrichten, ohne dass es einer straßenrechtlichen Teileinziehung bedürfe. Unbedenklich sei ebenso, dass der Radfahrstreifen auf der zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liege und die Radwege nur befristet eingerichtet seien. Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen und die Anordnung damit zwingend erforderlich sei.

Pandemie kein zulässiger Anlass

Eine solche Gefahrenlage habe der Antragsgegner nicht dargelegt, sondern sei fälschlich davon ausgegangen, er müsse keine Gefahrenlage begründen. Tatsachen, die auf eine konkrete Gefahr für den Radverkehr auf den betroffenen Straßenabschnitten hindeuteten, ließen sich der Begründung zur Anordnung nicht entnehmen. Insbesondere könne die Pandemie nicht zum Anlass der Anordnungen genommen werden, da es sich dabei nicht um verkehrsbezogene Erwägungen handele. Die weitere Begründung der Senatsverwaltung bleibe ohne konkrete Belege und gehe über allgemeine, an einer Vielzahl von Straßenzügen gültige Situationsbeschreibungen nicht hinaus. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

VG Berlin, Beschluss vom 04.09.2020 - 11 L 205/20

Redaktion beck-aktuell, 7. September 2020.