BGH: Antrag auf Anhörung des Sachverständigen

GG Art. 103; ZPO §§ 397, 402, 411 III

Dem Antrag, einen Sachverständigen anzuhören, ist nachzugehen. Die Frage, ob das Gericht selbst Erläuterungsbedarf sieht, ist dabei unerheblich. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 6.3.2019 - VII ZR 303/16, BeckRS 2019, 4584

Anmerkung von 
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 09/2019 vom 03.05.2019

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Sachverhalt

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer führt gegen Bauträger B wegen des Tiefgaragenbodens ein selbständiges Beweisverfahren durch (die Wohnungseigentümer meinen, der Aufbau des Tiefgaragenbodens und seine Entwässerung entspreche nicht den anerkannten Regeln der Technik). Der Sachverständige bestätigt die Ansicht der Wohnungseigentümer. K klagt nun gegen B auf Kostenvorschuss iHv 96.985 EUR brutto sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere aus dem Mangel entstehende Kosten und Schäden. Das LG sieht den Mangel auf der Grundlage des Gutachtens für bewiesen an und gibt der Klage statt. Die Berufung des B hat keinen Erfolg. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beschwerde des B. Mit Erfolg!

Entscheidung: LG und OLG hätten dem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen nachgehen müssen

Das OLG habe den Anspruch des B auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 I GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Das OLG habe den in der Berufungsbegründung erneut gestellten Antrag des B auf mündliche Anhörung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens übergangen. Es habe diesen Antrag in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt. Es sei auch nicht ersichtlich, warum es den Sachverständigen nicht angehört habe. Sollte es gemeint haben, es selbst habe keinen Erläuterungsbedarf gehabt, wäre es darauf nicht angekommen. Weiter wäre es unerheblich gewesen, ob das schriftliche Gutachten Mängel aufwies. Denn die Parteien hätten zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für wesentlich erachten, in einer mündlichen Anhörung zu stellen. Dieses Antragsrecht bestehe unabhängig von § 411 III ZPO (Hinweis auf BGH NJW-RR 2015, 510 Rn. 8).

Praxishinweis

Nach §§ 402, 397 ZPO sind die Parteien berechtigt, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Der BGH hat daraus in stRspr die Pflicht abgeleitet, dem Antrag einer Partei auf mündliche Befragung gerichtlicher Sachverständiger nachzukommen (siehe nur BGH NJW-RR 2017, 1144 Rn. 6 mAnm Toussaint FD-ZVR 2017, 394225; BGH NJW-RR 2017, 762 mAnm Toussaint FD-ZVR 2017, 389231; BeckRS 2015, 15122 Rn. 8 und BGH NJW-RR 2014, 295 Rn. 9 mAnm Elzer FD-ZVR 2013, 352972). „Gerichtlicher“ Sachverständiger ist dabei auch der Sachverständige aus einem vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahrens (BGH BeckRS 2015, 15122 Rn. 5 mAnm Elzer FD-ZVR 2015, 373125). Beschränkungen des Antragsrechts ergeben sich allein aus den Gesichtspunkten des Rechtsmissbrauchs und der Prozessverschleppung (BGH NJW-RR 2003, 208, juris Rn. 7).

Redaktion beck-aktuell, 10. Mai 2019.