BGH: Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags wegen Prozessverschleppungsabsicht

ZPO § 227

1. Eine geplante Urlaubsreise des Prozessbevollmächtigten einer Partei ist regelmäßig ein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung nach § 227 I ZPO, insbesondere, wenn der Prozessbevollmächtigte als Einzelanwalt tätig ist und eine Vertretung durch einen Sozius nicht in Betracht kommt, und erst Recht, wenn die betreffende Reise bereits gebucht ist.

2. Jede Partei ist in Erfüllung ihrer Prozessförderungspflicht gehalten, etwaige Gründe, die der Wahrnehmung eines Termins entgegenstehen, dem Gericht möglichst frühzeitig mitzuteilen.

3. Ein erst kurz vor dem Termin gestellter Verlegungsantrag kann auch dann, wenn das Gericht den Termin bei rechtzeitiger Antragstellung hätte verlegen müssen, im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot in pflichtgemäßer Ermessensausübung des Gerichts zurückgewiesen werden, wenn Verhandlungstermine schon mehrfach verlegt worden sind und ein weiterer Verlegungsantrag rechtsmissbräuchlich allein in der Absicht gestellt wird, den Prozess zu verschleppen. Eine Verzögerungsabsicht, die im Einzelfall den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs rechtfertigen könnte, kann sich dabei insbesondere aus dem vorausgegangenen Prozessverhalten der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten ergeben. Die Zurückweisung des Verlegungsantrags ist aber dann ermessensfehlerhaft, wenn sie ausreichende Gründe nicht erkennen lässt. (Leitsätze des Bearbeiters)

BGH, Urteil vom 24.01.2019 - VII ZR 123/18, BeckRS 2019, 1588

Anmerkung von 
Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 05/2019 vom 08.03.2019

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Sachverhalt

Auf die Berufung der in erster Instanz unterlegenen Klägerin hat das Berufungsgericht durch Versäumnisurteil die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil haben die Beklagten form- und fristgerecht Einspruch eingelegt und wegen Urlaubsabwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten eine entsprechende Verlängerung der Einspruchsbegründungsfristbeantragt. Das Berufungsgericht hat mit Verfügung des Vorsitzenden Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache bestimmt und den Fristverlängerungsantrag zurückgewiesen, weil die Beklagten sich ausweislich ihres bisherigen Prozessverhaltens bislang jeder Mitwirkung am Berufungsverfahren verweigert hätten und ihr Prozessbevollmächtigter durch die Anbringung des Verlegungsantrags erst unmittelbar vor dem Termin dessen Verlegung habe erzwingen wollen. Am Tag vor dem Termin haben die Beklagten die zur Entscheidung berufenen Richter des Berufungsgerichts wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und höchstvorsorglich für den Fall der Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs die Verlegung des Termins auf einen Zeitpunkt nach Rückkehr ihres Prozessbevollmächtigten von seiner ca. vier Monate zuvor gebuchten Auslandsreise beantragt. Die abgelehnten Richter haben das Befangenheitsgesuch verworfen und der Vorsitzende hat den Terminsverlegungsantrag zurückgewiesen. Im Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache ist für die Beklagten niemand erschienen. Auf Antrag der Klägerin hat das Berufungsgericht daraufhin den Einspruch der Beklagten durch das im Termin verkündete zweite Versäumnisurteil verworfen.

Entscheidung

Auf die Revision der Beklagten hat der BGH zweite Versäumnisurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, wobei er von der Möglichkeit des § 563 I 2 ZPO Gebrauch gemacht und die die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen hat. Die Revision sei zulässig und begründet. Sie habe schlüssig dargelegt, dass ein Fall der unverschuldeten Säumnis des Beklagtenvertreters im Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache vorgelegen habe, womit die Voraussetzungen für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils nach § 345 ZPO nicht vorgelegen hätten. Die Säumnis der Beklagten sei allerdings nicht bereits deshalb unverschuldet gewesen, weil ihr Prozessbevollmächtigter habe darauf vertrauen dürfe, dass der Termin wegen des Ablehnungsgesuchs nicht stattfinden würde. Die fehlende oder unverschuldete Säumnis könne nicht mit der Rüge begründet werden, das erkennende Gericht sei bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil es ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen habe, §§ 547 Nr. 1, 579 I Nr. 1 ZPO. Die Säumnis der Beklagten sei jedoch deshalb unverschuldet gewesen, weil in der Person ihres Prozessbevollmächtigten ein erheblicher Grund vorgelegen habe, der für sich betrachtet bei pflichtgemäßem Ermessen zu einer Verlegung des Verhandlungstermins hätte führen müssen, und hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer rechtsmissbräuchlich verspäteten Antragstellung nach den im Revisionsverfahren zu berücksichtigenden Umständen nicht vorgelegen hätten.

Bei rechtzeitiger Beantragung hätte Termin verlegt werden müssen

Eine Terminsverlegung setzte voraus, dass ein erheblicher Grund vorliege und dieser glaubhaft gemacht werde. Das Gericht habe bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung verlegt werde (§ 227 I 1 ZPO), nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen. Erhebliche Gründe iSv § 227 I ZPO seien regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erforderten. Lägen solche Gründe vor, verdichte sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif halte und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werde. Ein solcher erheblicher Grund habe hier vorgelegen (vgl. o. LS 1).

Rechtsmissbräuchlichkeit des Terminsverlegungsantrags nicht erkennbar

Der vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Hinblick auf seine gebuchte Urlaubsreise kurz vor dem Verhandlungstermin gestellte Terminsverlegungsantrag sei auf der Grundlage der im Revisionsverfahren zu berücksichtigenden Umstände des Streitfalls noch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Allerdings seien die Beklagten wegen der nicht zeitnah nach Erhalt der Terminsladung, sondern erst kurz vor dem Termin erfolgten Mitteilung der Verhinderung ihres Prozessbevollmächtigten ihrer Prozessförderungspflicht (vgl. o. LS 2) nicht nachgekommen; dies könne sich als rechtemissbräuchlich darstellen (vgl. o. LS 3). Die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Terminsverlegungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen, stelle sich gleichwohl im Ergebnis als ermessensfehlerhaft dar. Hinreichende Gründe dafür, dass die Beklagten den Verlegungsantrag hier rechtsmissbräuchlich ausschließlich mit dem Ziel gestellt hätten, eine Verzögerung des Prozesses zu erreichen, würden vom Berufungsgericht nicht angeführt. Hierzu genüge jedenfalls nicht allein der Hinweis darauf, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe durch die Anbringung des Verlegungsantrags unmittelbar vor dem Termin dessen Verlegung erzwingen wollen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es den Beklagten mit dem verspäteten Terminsverlegungsantrag ausschließlich darum ging, eine Verzögerung des Rechtsstreits herbeizuführen, würden vom Berufungsgericht nicht konkret benannt. Der lediglich allgemein gehaltene Vorwurf mangelnder Beteiligung am Berufungsverfahren vermöge eine Ablehnung des Terminsverlegungsantrags wegen einer Prozessverschleppungsabsicht nicht zu rechtfertigen. Die für eine Überprüfung durch das Revisionsgericht maßgeblichen Ausführungen in der gerichtlichen Verfügung des Vorsitzenden ließen nicht erkennen, auf welche konkreten Umstände oder welches vorangegangene Verhalten der Beklagten die Annahme eines Rechtsmissbrauchs gestützt werden solle.

Praxishinweis

Gegen ein zweites Versäumnisurteil ist kein Einspruch nach § 338 ZPO gegeben, § 345 ZPO. Angefochten werden kann es nur mit den Rechtsmitteln der Berufung (§ 514 II 1 ZPO) bzw. der Revision (§ 565 S. 1 ZPO iVm § 514 II 1 ZPO). Für letztere gilt dabei nach der – auf die in § 565 S. 2 ZPO angeordnete entsprechende Anwendung des Berufungsrechts gestützte – Rechtsprechung des BGH die Besonderheit, dass sie abweichend von § 543 ZPO zulassungsfrei statthaft ist (im entschiedenen Fall war die Rechtsmittelschrift allerdings aufgrund eines Schreibversehens als „Nichtzulassungsbeschwerde“ bezeichnet worden, doch hat der BGH in entsprechender Anwendung § 140 BGB eine Umdeutung vorgenommen, weil dies wegen des offensichtlichen Versehens – der Begründungsschriftsatz war ausdrücklich als „Revisionsbegründung“ bezeichnet und genügte auch den gesetzlichen Anforderungen für eine solche – dem mutmaßlichen Parteiwillen entspreche und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegenstehe). Allerdings unterliegt ein zweites Versäumnisurteil nach § 514 II 1 ZPO (ggf. iVm § 565 S. 1 ZPO) einem Rechtsmittel allein insoweit, als dieses darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Säumnis nicht vorgelegen habe. Ohne schlüssige Darlegung, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden ist, ist das Rechtsmittel daher bereits unzulässig.

Rechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe

Redaktion beck-aktuell, 12. März 2019.