BGH: Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung und Streitgegenstand

ZPO §§ 253 II Nr. 2, 322 I

Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, § 823 II BGB iVm § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) und § 826 BGB (sittenwidrige Schädigung), die auf die Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung gerichtet sind und im Kern darauf gestützt werden, dass durch den Emissionsprospekt ein unzutreffender Eindruck von den Risiken der Beteiligung vermittelt worden sei, betreffen im Regelfall denselben Streitgegenstand. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urteil vom 21.11.2017 - II ZR 180/15, BeckRS 2017, 141821

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin 

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 05/2018 vom 09.03.2018

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Zivilverfahrensrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Zivilverfahrensrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Zivilverfahrensrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

K ist auf Initiative von B1 Kommanditist an der M. GmbH & Co. KG (Fondsgesellschaft). Mit seiner Klage macht K in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen Aufklärungspflichtverletzung geltend. Er nimmt insoweit B1, Herausgeberin des Emissionsprospekts sowie Initiatorin und Geschäftsbesorgerin, B2, Komplementärin und Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft, und die Bank B3, die K’s Einlage finanziert hat, als Gesamtschuldner auf Rückabwicklung in Anspruch. Das LG weist die Klage als unbegründet ab. Das OLG weist die Berufung mit der Maßgabe zurück, dass die Klage als unzulässig – weil unbestimmt – abgewiesen wird. K habe die Klage bei einheitlicher Antragstellung gegenüber sämtlichen Beklagten auf verschiedene Streitgegenstände gestützt, nämlich auf Prospekthaftung im engeren Sinne, Prospekthaftung im weiteren Sinne und deliktische Ansprüche aus § 823 II iVm §§ 263, 264a StGB sowie aus § 826 BGB. Insoweit seien von K verschiedene Lebenssachverhalte vorzutragen, die sich grundlegend voneinander unterschieden und daher unterschiedliche Streitgegenstände bildeten. Es liege also eine alternative Klagehäufung vor, bei der K in unzulässiger Weise dem Gericht die Auswahl überlasse, auf welchen Streitgegenstand es eine stattgebende Entscheidung stützen wolle. Die gebotene Klarstellung, in welcher Reihenfolge die verschiedenen, der Klage zugrunde gelegten Streitgegenstände geprüft werden sollen, habe K auch nach Hinweis nicht vorgenommen. Mit der Revision verfolgt K seine Anträge weiter. Mit Erfolg!

Entscheidung

Nach Ansicht des BGH genügen K’s Anträge der Bestimmung des § 253 II Nr. 2 ZPO. Ein Klageantrag sei hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichne, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) abstecke, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lasse, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälze und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lasse (Hinweis ua auf BGH NJW 2016, 708 Rn. 8 und BGH NJW 2016, 1094 Rn. 19). Die von K gestellten Anträge genügten diesen Anforderungen. Soweit K mehrere Anspruchsgrundlagen anführe, mache er mehrere materiell-rechtliche Ansprüche aus ein und demselben Lebenssachverhalt geltend. Denn die von K gegen B1 auf Prospekthaftung im weiteren Sinne, auf § 823 II BGB iVm § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) und aus § 826 BGB (sittenwidrige Schädigung) gestützten Ansprüche wegen mangelhafter Aufklärung beträfen jeweils denselben Streitgegenstand. Ein solcher werde durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiere, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleite, bestimmt. Zum Anspruchsgrund seien dabei alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehörten (Hinweis auf BGH NJW 2015, 3040 Rn. 14 mAnm Elzer FD-ZVR 2015, 372342). Vom Streitgegenstand würden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten ließen (Hinweis auf BGH NJW 2014, 314 Rn. 15 mAnm Toussaint FD-ZVR 2013, 352771). Nur ein Streitgegenstand sei auch dann gegeben, wenn der Tatsachenstoff nicht sinnvoll auf verschiedene eigenständige, den Sachverhalt in seinem Kerngehalt verändernde Geschehensabläufe aufgeteilt werden könne, selbst wenn diese einer eigenständigen rechtlichen Bewertung zugänglich seien (Hinweis auf BGH LMRR 2013, 31 Rn. 19 – Biomineralwasser). Danach liege im Fall ein Streitgegenstand vor. Sämtliche Ansprüche seien im Kern darauf gestützt, dass der Emissionsprospekt fehlerhaft gewesen sei und den Anlegern einen unzutreffenden Eindruck von den Risiken und Nachteilen der Fondsbeteiligung vermittelt habe. Dem stehe nicht entgegen, dass sich die Anspruchsgrundlagen in einzelnen Merkmalen, insbes. in den subjektiven Voraussetzungen und den Anforderungen an die Passivlegitimation, unterschieden.

Bei der Frage, ob und inwieweit eine unzulässige alternative (objektive) Klagehäufung vorliege, sei im Übrigen zwischen den einzelnen Prozessrechtsverhältnissen zu differenzieren. Eine unzulässige alternative Klagehäufung komme nur in dem jeweiligen Prozessrechtsverhältnis in Betracht. Gegenüber B2 stütze K sein Begehren aber nur auf Prospekthaftung im weiteren Sinne, gegen B3 hingegen nur auf eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung, also jeweils auf nur eine Anspruchsgrundlage.

Praxishinweis

Der BGH geht in Fällen, in denen ein Schadensersatzanspruch wegen eines fehlerhaften Emissionsprospekts auf Prospekthaftung im weiteren Sinne und auf Delikt, sowie häufig auch auf Prospekthaftung im engeren Sinne gestützt wurde, wohl auch von einem einheitlichen Streitgegenstand aus. Stützt sich der Anleger auch auf eine fehlerhafte Beratung, so ist ein einheitlicher Streitgegenstand jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Kläger zugleich Prospektfehler geltend macht und der Prospekt der Beratung zugrunde lag oder der Kläger sich darauf beruft, über Prospektfehler in der Beratung nicht aufgeklärt worden zu sein (BGH BeckRS 2016, 02556 Rn. 15; BGH NJW-RR 2015, 299 Rn. 7 und Rn. 18). Bei der Bestimmung des Streitgegenstandes soll nicht zwischen einzelnen Prospekt- oder Beratungsfehlern zu differenzieren sein (BGHH BeckRS 2016, 02556 Rn. 15; NJW 2015, 2411 Rn. 11).

Eine alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen § 253 II Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen (BGH GRUR 2011, 1043 Rn. 10 ff. – TÜV II).

Eine einfache Streitgenossenschaft ändert nichts an der Unabhängigkeit und Selbständigkeit der äußerlich verbundenen Verfahren. Anders als bei einer notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) ist bei der einfachen Streitgenossenschaft jeder Streitgenosse gem. § 61 ZPO so zu behandeln, als ob nur er allein gegen den Kläger prozessiere. Die Verurteilung des einen Beklagten hindert also nicht die Verurteilung eines weiteren Beklagten aus einem anderen Klagegrund.

Redaktion beck-aktuell, 14. März 2018.