BGH: Prozessuale Folgen der Löschung einer Limited

ZPO §§ 50 I, 239 I, 241, 249 I, 339 I

Wird eine in Deutschland verklagte Limited nach Rechtshängigkeit im Gründungsstaat England gelöscht und verliert sie hierdurch nach englischem Recht ihre Rechtsfähigkeit, ist sie – vorbehaltlich einer Weiterführung als Rest-, Spalt- oder Liquidationsgesellschaft oder als Einzelunternehmer – nicht mehr partei- oder prozessfähig. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Beschluss vom 19.01.2017 - VII ZR 112/14, BeckRS 2017, 101570

Anmerkung von 
Richter am KG Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 04/2017 vom 03.03.2017

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Sachverhalt

Kläger K fordert von der Beklagten B, einer Private Limited Company nach englischem Recht, Architektenhonorar iHv 130.742 EUR. Die Klageschrift wird am 3.2.2012 in der X-Road in London in den Briefkasten eingelegt. Bei dieser Adresse handelte es sich um die Anschrift des Büros des Wirtschaftsprüfers W, den B damit beauftragt hatte, ihre Post entgegenzunehmen (an W's Haus ist ein Schild angebracht, welches ausweist, dass dort – wie auch aus dem Register ersichtlich – B's „Registered Office" ist). Das LG erlässt am 23.2.2012 im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil. Am 24.4.2012 wird die B aus dem Gesellschaftsregister des englischen Companies House in C. (Register) gelöscht und dort als aufgelöst (dissolved) geführt. Ungeachtet dessen, wird das Versäumnisurteil am 25.6.2012 in W's Briefkasten eingelegt. Am 24.8.2012 legt B Einspruch ein und beantragt Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand: das Versäumnisurteil sei nicht wirksam zugestellt worden.

Das LG weist den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwirft den Einspruch als unzulässig. Während des Berufungsverfahrens wird B wieder eingetragen („restoration"). Das OLG weist B's Berufung zurück. Die Zustellung des Versäumnisurteils sei wirksam. Die Wiederherstellung der B wirke ex tunc. Wenn B aber so stehe, als sei sie nie gelöscht worden, müsse dies auch für die zwischenzeitlich erfolgte Zustellung gelten. Dagegen wendet sich B mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Mit Erfolg!

Entscheidung

Das Versäumnisurteil habe nicht ergehen dürfen. B habe am 24.4.2012 ihre Existenz und damit ihre Rechts,- Partei- und Prozessfähigkeit verloren. Die verfahrensrechtlichen Wirkungen im Zusammenhang mit Verlust und Wiedererlangung der Rechtsfähigkeit richteten sich nach der ZPO (Hinweis auf BGHZ 51, 27 [29] = BeckRS 1968 30372571). Das Verfahren sei danach entsprechend §§ 239, 241 ZPO unterbrochen worden (für die Revisionsinstanz sei dabei davon auszugehen, dass die Limited in Deutschland nicht als Rest-, Spalt- oder Liquidationsgesellschaft oder Einzelunternehmer weitergeführt worden sei). Zwar führe die Löschung nicht zu einer Gesamtrechtsnachfolge, weil etwaiges (Aktiv-)Vermögen – vorbehaltlich im Ausland belegenen Vermögens, welches von dem Heimfallrecht nicht erfasst wird – der englischen Krone zufalle. Eine entsprechende Anwendung der §§ 239, 241 ZPO sei jedoch wegen vergleichbarer Interessenlage geboten, wenn die Wiedereintragung der Limited betrieben werde oder betrieben werden könne. Aus § 249 ZPO folge daher, dass die Zustellung grds. unwirksam gewesen sei (Hinweis ua auf BGH NJW 2013, 2438 Rn. 14). Ein gleichwohl erlassenes Urteil sei den Parteien gegenüber unwirksam; allerdings müsse diese Unwirksamkeit mit dem zulässigen Rechtsmittel geltend gemacht werden. So liege es hier.

Da die Zustellung des Versäumnisurteils die Einspruchsfrist nach § 339 I, II ZPO im Übrigen nicht in Gang gesetzt habe, habe die Einspruchsfrist bei Einreichung der Einspruchsschrift noch nicht zu laufen begonnen und sei der Einspruch rechtzeitig gewesen. Der Einspruch sei auch zulässig gewesen. Zwar sei die Einlegung eines Rechtsbehelfs vor Urteilsverkündung unzulässig. Gegen ein im schriftlichen Vorverfahren nach § 331 III ZPO erlassenes, mangels ordnungsgemäßer Zustellung (§ 310 III ZPO) noch nicht existentes Versäumnisurteil werde aber der Einspruch schon zur Beseitigung des Rechtsscheins eines Versäumnisurteils als zulässig erachtet (Hinweis ua auf BGH NJW 1996, 1969 = BeckRS 9998, 55400). Der Einspruch sei auch wirksam erhoben worden. Die Unterbrechung des Verfahrens stehe dem nicht entgegen; insoweit sei B als partei- und prozessfähig anzusehen gewesen. Auch hat B den Einspruch durch die nach Wiedererlangung der Parteifähigkeit gefertigten Schriftsätze jedenfalls konkludent genehmigt (BGHZ 51, 27 [29] = BeckRS 1968 30372571).

Praxishinweis

Tritt der Verlust der Rechtsfähigkeit durch Tod einer Naturalpartei nach Rechtshängigkeit ein, bestimmt § 239 I ZPO, dass der Rechtsstreit unterbrochen ist. Dies geschieht, damit der Prozess mit dem Rechtsnachfolger fortgeführt wird. Hierdurch wird vermieden, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird und der Kläger anschließend eine neue Klage gegen den Rechtsnachfolger erheben müsste. Der Verfahrensstillstand ermöglicht es, den Rechtsnachfolger zu ermitteln, der den Rechtsstreit in dem Verfahrensstand übernehmen muss, in dem er sich befindet, und gibt diesem Gelegenheit, sich auf den gesetzlichen Parteiwechsel einzustellen (ähnlich liegt es bei § 241 ZPO). Nach der Rechtsprechung ist § 239 I ZPO beim Untergang solcher juristischer Personen entsprechend anzuwenden, deren Untergang keine Liquidation, sondern eine Gesamtrechtsnachfolge nach sich zieht (BGH NZG 2004, 611 unter I. = BeckRS 2004, 04949; BGH NJW 2002, 1207 unter 1. = BeckRS 2002 30240041).

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2017.

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