Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 3/2019 vom 14.02.2019
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Sachverhalt
Der Betroffene hatte von der Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid u.a. wegen fahrlässig begangener Missachtung eines Rotlichts erhalten mit Geldbuße und angeordnetem einmonatigen Fahrverbot. Er war innerorts auf eine Kreuzung zugefahren, an der die Fahrstreifen gesonderte Markierungen hatten und gesondert mit einer Lichtzeichenanlage versehen waren. Zwei Spuren waren durch Linksabbiegepfeile für Linksabbieger vorgesehen und gesondert ampelgeregelt. Ein weiterer Fahrstreifen war durch Richtungspfeil „geradeaus“ gekennzeichnet und rechts daneben war noch ein weiterer Fahrstreifen mit Richtungspfeil „geradeaus und rechts“ gekennzeichnet. Diese zuletzt genannten Fahrstreifen hatten eigene Lichtzeichen. An den beiden rechten Lichtzeichenanlagen für die beiden rechten Fahrstreifen zeigte die Ampel Grünlicht. Die beiden Linksabbiegerfahrstreifen hatten Rotlicht. Dort staute sich zweispurig der Verkehr. Der Betroffene fuhr auf dem Geradeausfahrstreifen an den gestauten Linksabbiegern vorbei, in die Kreuzung hinein und bog in der Kreuzung nach links ab, wobei er mit Gegenverkehr nicht kollidierte. Er behinderte beim Einfahren und Linksabbiegen in die Kreuzung keine anderen Verkehrsteilnehmer.
Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Er beschränkte diesen auf den Rechtsfolgenausspruch und hatte damit – vorläufigen – Erfolg insoweit er zu einer Geldbuße von 55 EUR verurteilt wurde und von einem Fahrverbot Abstand genommen wurde. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass aufgrund atypischer Umstände der Grad des vorwerfbaren Handelns gering erscheine. Die Staatsanwaltschaft legt Rechtsbeschwerde ein und hat damit – vorläufigen – Erfolg. Das staatsanwaltschaftliche Rechtsmittel führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Entscheidung
Der Bußgeldsenat stört sich schon daran, dass das Amtsgericht von einer Ausnahmesituation ausgehe, weil der Betroffene niemanden gefährdet habe. Das sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht damit das Fehlen eines Sanktionsschärfungsgrundes dem Betroffenen sanktionsmindernd zugute bringt. Der Verordnungsgeber habe die ausgebliebene Gefährdung Dritter bereits bei den Regelsanktionen berücksichtigt. Auch dass der Gegenverkehr und die Fußgänger nicht gefährdet worden seien, greife nicht. Beim Rotlichtverstoß genüge die damit einhergehende abstrakte Gefahrerhöhung.
Auch müsse von jedem Verkehrsteilnehmer erwartet werden, dass er die geltenden Verkehrsregeln in den Grundzügen kennt. Der Betroffene sei an wartender Autoschlange vorbeigefahren, um sich vor dieser Kolonne nach Passieren seiner Grünampel vor die Wartenden einzureihen. Schon dieses Verhalten habe den Betroffenen klar gezeigt, dass sein Vorgehen, mit dem er sich einen Vorsprung vor anderen Abbiegern verschaffte, den Regeln nicht entsprechen könne.
Dass schließlich das Amtsgericht auch berücksichtigt habe, dass der Betroffene „zum ersten Mal einen Rotlichtverstoß“ begangen habe, verkehre die Wertentscheidung des Verordnungsgebers: Dieser gehe davon aus, dass die Regelahndung fehlende Vorahndungen des Betroffenen als Grundlage habe.
Praxishinweis
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist eindeutig. Der Betroffene hatte – vermeintlich – Glück beim Amtsrichter. Das „Umfahren“ einer stehenden Rotlichtkolonne, um sich bei grün vor diese hinein zu quetschen, ist ärgerlich. Besonders ärgern sich die brav in der Kolonne Wartenden. Diese bilden die Mehrzahl. Sie haben für den Falsch-rechts-Überholer kein Verständnis. Da im Großstadtverkehr derartige Ampelschaltungen und Fahrstreifenmarkierung nicht gerade selten sind, sei diese Entscheidung „für den täglichen Bedarf“ besonders erwähnenswert.