OLG Bamberg: Qualifizierter Rotlichtverstoß wegen Fahrspurwechsels auf Kreuzung

StVG § 25; StVO §§ 37 II, 41 I, 49; OWiG § 79 I Nr. 3; BKatV §§ 3 I, 4 I 1

1. Ein bei länger als 1 Sekunde andauernder Rotphase eines innerörtlichen Wechsellichtzeichens grundsätzlich mit einem Regelfahrverbot nach § 4 I 1 Nr. 3 i.V.m. lfd.Nr. 132.3 BKat zu ahndender Verstoß ist nicht deshalb milder zu bewerten, weil der Fahrzeugführer auf einer mit mehreren Fahrspuren versehenen, durch Richtungspfeile markierten Fahrbahn mit jeweils eigener Lichtzeichenregelung nach Überfahren der Haltelinie im Kreuzungsbereich von der durch Grünlicht frei gegebenen Geradeausspur auf die durch Rotlicht gesperrte Spur für Linksabbieger überwechselt (u.a. BayObLG, DAR 2002, 173).

2. Die Anerkennung einer Privilegierungswirkung im Hinblick auf das in diesem Fall aufgrund der abstrakten Gefährlichkeit des Verkehrsvorgangs verwirkte Regelfahrverbot mit der Begründung, durch den Fahrspurwechsel seien andere Verkehrsteilnehmer nicht konkret gefährdet worden, ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil damit das Fehlen des besonderen Sanktionsschärfungsgrundes nach lfd.Nr. 132.3.1 BKat dem Betroffenen zu Unrecht zugute gebracht würde.

3. Ein Absehen von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot sowie die Herabsetzung der Regelgeldbuße wegen Fehlens einschlägiger Vorahndungen ist verfehlt, weil die in der BKatV vorgesehenen Regelsanktionen gemäß § BKATV § 3 BKATV § 3 Absatz I BKatV von einen nicht vorgeahndeten Betroffenen ausgehen. (amtl. Leitsätze)

OLG Bamberg, Beschluss vom 22.01.2019 - 3 Ss OWi 1698/18, BeckRS 2019, 694

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 3/2019 vom 14.02.2019

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Straßenverkehrsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Straßenverkehrsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Straßenverkehrsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Der Betroffene hatte von der Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid u.a. wegen fahrlässig begangener Missachtung eines Rotlichts erhalten mit Geldbuße und angeordnetem einmonatigen Fahrverbot. Er war innerorts auf eine Kreuzung zugefahren, an der die Fahrstreifen gesonderte Markierungen hatten und gesondert mit einer Lichtzeichenanlage versehen waren. Zwei Spuren waren durch Linksabbiegepfeile für Linksabbieger vorgesehen und gesondert ampelgeregelt. Ein weiterer Fahrstreifen war durch Richtungspfeil „geradeaus“ gekennzeichnet und rechts daneben war noch ein weiterer Fahrstreifen mit Richtungspfeil „geradeaus und rechts“ gekennzeichnet. Diese zuletzt genannten Fahrstreifen hatten eigene Lichtzeichen. An den beiden rechten Lichtzeichenanlagen für die beiden rechten Fahrstreifen zeigte die Ampel Grünlicht. Die beiden Linksabbiegerfahrstreifen hatten Rotlicht. Dort staute sich zweispurig der Verkehr. Der Betroffene fuhr auf dem Geradeausfahrstreifen an den gestauten Linksabbiegern vorbei, in die Kreuzung hinein und bog in der Kreuzung nach links ab, wobei er mit Gegenverkehr nicht kollidierte. Er behinderte beim Einfahren und Linksabbiegen in die Kreuzung keine anderen Verkehrsteilnehmer.

Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Er beschränkte diesen auf den Rechtsfolgenausspruch und hatte damit – vorläufigen – Erfolg insoweit er zu einer Geldbuße von 55 EUR verurteilt wurde und von einem Fahrverbot Abstand genommen wurde. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass aufgrund atypischer Umstände der Grad des vorwerfbaren Handelns gering erscheine. Die Staatsanwaltschaft legt Rechtsbeschwerde ein und hat damit – vorläufigen – Erfolg. Das staatsanwaltschaftliche Rechtsmittel führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Entscheidung

Der Bußgeldsenat stört sich schon daran, dass das Amtsgericht von einer Ausnahmesituation ausgehe, weil der Betroffene niemanden gefährdet habe. Das sei schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht damit das Fehlen eines Sanktionsschärfungsgrundes dem Betroffenen sanktionsmindernd zugute bringt. Der Verordnungsgeber habe die ausgebliebene Gefährdung Dritter bereits bei den Regelsanktionen berücksichtigt. Auch dass der Gegenverkehr und die Fußgänger nicht gefährdet worden seien, greife nicht. Beim Rotlichtverstoß genüge die damit einhergehende abstrakte Gefahrerhöhung.

Auch müsse von jedem Verkehrsteilnehmer erwartet werden, dass er die geltenden Verkehrsregeln in den Grundzügen kennt. Der Betroffene sei an wartender Autoschlange vorbeigefahren, um sich vor dieser Kolonne nach Passieren seiner Grünampel vor die Wartenden einzureihen. Schon dieses Verhalten habe den Betroffenen klar gezeigt, dass sein Vorgehen, mit dem er sich einen Vorsprung vor anderen Abbiegern verschaffte, den Regeln nicht entsprechen könne.

Dass schließlich das Amtsgericht auch berücksichtigt habe, dass der Betroffene „zum ersten Mal einen Rotlichtverstoß“ begangen habe, verkehre die Wertentscheidung des Verordnungsgebers: Dieser gehe davon aus, dass die Regelahndung fehlende Vorahndungen des Betroffenen als Grundlage habe.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist eindeutig. Der Betroffene hatte – vermeintlich – Glück beim Amtsrichter. Das „Umfahren“ einer stehenden Rotlichtkolonne, um sich bei grün vor diese hinein zu quetschen, ist ärgerlich. Besonders ärgern sich die brav in der Kolonne Wartenden. Diese bilden die Mehrzahl. Sie haben für den Falsch-rechts-Überholer kein Verständnis. Da im Großstadtverkehr derartige Ampelschaltungen und Fahrstreifenmarkierung nicht gerade selten sind, sei diese Entscheidung „für den täglichen Bedarf“ besonders erwähnenswert.

Redaktion beck-aktuell, 14. Februar 2019.