LSG Thüringen: Keine Betriebshilfe für Gebäudereiniger

SGB VII § 54; ALG § 1

Betriebshilfe erhalten Verletzte nach einem Arbeitsunfall gem. § 54 SGB VII ggf. in Verbindung mit einer Satzungsregelung nur dann und insoweit, als es sich um ein landwirtschaftliches Unternehmen handelt, dem die Betriebshilfe zu Gute kommen soll. (Leitsatz des Verfassers)

LSG Thüringen, Urteil vom 21.03.2019 - L 1 U 1289/17, BeckRS 2019, 8898

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 17/2019 vom 30.08.2019

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Sachverhalt

Streitig ist, ob dem Kläger infolge eines Arbeitsunfalls ein Anspruch auf Betriebshilfe zusteht. Der 1964 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt Inhaber einer Gebäudereinigung. Am 03.08.2013 erlitt er bei der Jagdausübung einen Unfall, infolge dessen er vom Unfalltag bis zum 22.08.2013 stationär behandelt wurde und anschließend bis Mitte September 2013 arbeitsunfähig war. Der Kläger übersandte der Beklagten eine Rechnung der K Gebäudereinigung über 3.500 EUR. Mit diesem Betrag wurden Leistungen bezahlt, die für den Kläger vertretungsweise erbracht wurden. Der Kläger legte dazu auch den Steuerbescheid vor, aus dem sich Mindereinnahmen während der Arbeitsunfähigkeit ergaben. Die Beklagte lehnte den Anspruch ab, da der Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 1 SGB VII als landwirtschaftlicher Unternehmer den Arbeitsunfall erlitten hat. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der Ausfall des Unternehmers sei unter Berücksichtigung des Gebots der Gleichbehandlung auch in einem anderen als dem landwirtschaftlichen Unternehmen durch Betriebshilfe zu ersetzen. Bei der Jagd handele es sich im Übrigen um ein landwirtschaftliches Unternehmen.

Entscheidung

Das LSG weist die Berufung als unbegründet zurück. Nach § 54 Abs. 1 SGB VII erhalten landwirtschaftliche Unternehmer während einer stationären Behandlung Betriebshilfe, wenn ihnen wegen dieser Behandlung die Weiterführung des Unternehmens nicht möglich ist und in dem Unternehmen Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige nicht ständig beschäftigt werden. Ob es sich bei der Jagd um ein landwirtschaftliches Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 2 ALG handelte und damit der Anspruch auf Betriebshilfe jedenfalls während der stationären Behandlung unmittelbar aus § 54 Abs. 1 SGB VII folgt, könne – so das LSG ausdrücklich – offengelassen werden.

Voraussetzung für den Anspruch auf Betriebshilfe ist nämlich, dass es sich bei dem Unternehmen, dessen Weiterführung andernfalls nicht möglich ist, um ein landwirtschaftliches Unternehmen handelt. Hierzu hat das BSG mit Urteil vom 26.06.2014 (BeckRS 2014, 73473) entschieden, dass der Gesetzgeber den Geltungsbereich dieser Vorschrift nicht auf alle Gewerbezweige der gesetzlichen Unfallversicherung erstrecken wollte. § 54 SGB VII will den (Weiter-)Betrieb des landwirtschaftlichen Unternehmens absichern – nicht den eines anderen Gewerbes. Die Reinigungsfirma des Klägers ist kein der Jagd untergeordnetes Unternehmen oder ein gleichgestellter Nebenbetrieb, so dass Anspruch auf Betriebshilfe auch unter diesem Aspekt nicht in Betracht kommt.

Praxishinweis

1. Die Betriebshilfe ist abzugrenzen von der Haushaltshilfe gem. § 54 Abs. 2 SGB VII. Letztere wird ebenfalls landwirtschaftlichen Unternehmern gewährt, die während einer stationären Behandlung ihren Haushalt nicht weiterführen können.

2. Die vom LSG zu § 54 Abs. 1 SGB VII vertretene Rechtsauffassung entspricht allgemeiner Meinung. Das Argument des Klägers, sein Reinigungsunternehmen sei in gleicher Weise wie das landwirtschaftliche Unternehmen, auf eine Betriebshilfe während seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit angewiesen, ist unmittelbar einleuchtend. Dennoch wird man wohl einen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hergeleiteten Anspruch auf Leistungen verneinen, da der soziale Schutz von Landwirten und mitarbeitenden Familienangehörigen traditionell Sonderregelungen aufweist. Jedenfalls aktuell ist man wohl allgemein der Auffassung, dass die Begrenzung der Betriebshilfe auf landwirtschaftliche Unternehmen keine willkürliche Ungleichbehandlung darstellt, vgl. dazu allgemein Mell, in: Schulin (Hrsg.): Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2 - Unfallversicherung, 1996, § 70; Feddern, in: jurisPR-SozialR 16/2019, Anm. 3.

Redaktion beck-aktuell, 2. September 2019.

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