LSG Rheinland-Pfalz: Rechtsweg für einen Streit um die Anmeldung zur Sozialversicherung

SGG § 51; ArbGG § 2; SGB IV §§ 7, 28a

Für einen Rechtsstreit, in dem der Kläger von seinem früheren Arbeitgeber begehrt, ihn für das Beschäftigungsverhältnis zur Sozialversicherung anzumelden, ist der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben. (Leitsatz des Gerichts)

LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018 - L 5 KR 81/18 B, BeckRS 2018, 19421

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 25/2018 vom 21.12.2018

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Sachverhalt

Umstritten ist, ob das Sozialgericht für den Rechtsstreit des Klägers zuständig ist. Der Kläger nahm am 02.02.2016 bei der beklagten GmbH eine Tätigkeit als Kraftfahrer eines Müllfahrzeugs auf. Ab dem 12.02.2016 war er arbeitsunfähig krank. Am 19.02.2016 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger telefonisch mit, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen müsse. Im Rechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einigten sich die Parteien darauf, dass das Arbeitsverhältnis am 18.03.2016 geendet habe und alle Ansprüche aus ihm erledigt seien. Die beklagte GmbH gab in der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III gegenüber der Bundesagentur für Arbeit an, es habe sich um ein versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Die Beklagte, die die Tätigkeit des Klägers bei der Knappschaft Bahn-See als Minijob angemeldet hatte, lehnte eine nachträgliche Meldung des Klägers als sozialversicherungspflichtig beschäftigt ab.

Am 07.04.2017 hat der Kläger beim SG Speyer Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn für das zwischen den Beteiligten im Zeitraum vom 02.02.2016 bis zum 18.03.2016 bestehende Arbeitsverhältnis zur Sozialversicherung anzumelden, mit der Maßgabe, dass zwischen den Beteiligten ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, welches über das Maß einer geringfügigen Beschäftigung hinausgegangen sei. Der Kläger ist der Auffassung, der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit sei gegeben. Die Beklagte hat vorgetragen, der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit sei gegeben. Durch Beschluss hat das SG Speyer den Rechtsstreit an das ArbG Kaiserslautern verwiesen. Für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen (früheren) Arbeitgeber auf Anmeldung zur Sozialversicherung sei nicht gem. § 51 SGG der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit, sondern nach § 2 Abs. 1 ArbGG der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet. Der vorliegende Rechtsstreit betreffe eine privatrechtliche Streitigkeit, die aus dem Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten herrühre. Soweit das BAG den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit für Streitigkeiten wie die vorliegende bejaht habe (NZA 2005, 1429), habe es den privatrechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses außer Acht gelassen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Klägers, der geltend macht, es gehe um die Korrekturmeldung eines Arbeitgebers an die zuständige Krankenkasse. Ein solcher Anspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur.

Entscheidung: Rechtsweg zum SG eröffnet, da es um die Anwendbarkeit öffentlich-rechtlicher Vorschriften geht

Das LSG gibt der Beschwerde statt. Das SG hat den Rechtsstreit zu Unrecht an das ArbG verwiesen. Der Arbeitgeber hat nach § 28 a SGB IV i.V.m. DEÜV für jeden kraft Gesetzes in der Kranken-, Renten- oder Pflegeversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherten Beschäftigten eine Meldung zu erstatten. Der Inhalt der Meldung ergibt sich im Wesentlichen aus § 28a Abs. 3 SGB IV. Die Versicherungsträger können die Meldepflichten, soweit diese privaten Personen oder Institutionen obliegen oder in Streit stehen, durch Verwaltungsakt feststellen. Die Nichtbeachtung der Meldepflichten kann nach § 111 SGB IV eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Ob der vom Kläger geltend gemachte Anspruch besteht, kann allein unter Heranziehung dieser öffentlich-rechtlichen Vorschriften bestimmt werden, weshalb der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, wie es das BAG entschieden hat (a.a.O.; ebenso Steppler/Denecke, NZA 2013, 482, 487).

Praxishinweis

1. Die Pflicht zur Meldung nach § 28a SGB IV ist eine mit dem Sozialversicherungsrecht untrennbare öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, so dass offensichtlich der Sozialrechtsweg gegeben ist (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, BeckRS 2017, 125152; Zieglmeier, NZA 2015, 651 zum Thema Rechtswegzersplitterung bei der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen). Nach dem OLG Celle (BeckRS 2018, 14916) sind für Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Beitragserhöhung in der privaten Pflegeversicherung ebenfalls die Sozialgerichte zuständig.

2. Nach der Zurückverweisung wird im vorliegenden Fall das SG die Klage wohl als unzulässig zurückweisen, da über die Frage, ob der Arbeitgeber seiner Meldepflicht nachgekommen ist oder nicht, zunächst die Einzugsstelle zu entscheiden hat. Dies geschieht durch Verwaltungsakt, gegen den dann der Kläger Widerspruch einlegen kann. Hier hatte der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis der Minijobzentrale gemeldet. Diese müsste darüber dem Kläger eine Mitteilung gemacht haben, so dass ggf. auch dort ein Rechtsmittel möglich war.

3. Nach dem sehr kurzen Sachverhalt hat der Kläger im Unternehmen eine Woche gearbeitet und das Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich nach gut einem Monat beendet, so dass die Meldung des Arbeitgebers wohl dahingehend lautete, dass wegen Kurzfristigkeit gem. § 8 SGB IV eine Sozialversicherungspflicht nicht in Betracht kommt. Da Müllfahrzeuge aber über das ganze Jahr im Einsatz sind, bestehen Zweifel, ob hier zu Beginn der Tätigkeit tatsächlich die für die Kurzfristigkeit erforderliche Befristung vereinbart war.

4. Der Arbeitgeber hat eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III erstellt. Für die Klage auf Berichtigung einer Eintragung in die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III sind ebenfalls die Sozialgerichte zuständig (LSG Niedersachsen, NZS 1994, 288). Ausführlich zum gespaltenen Rechtsweg was einerseits die Ausstellung der Arbeitsbescheinigung und andererseits deren Berichtigung anlangt vgl. Thommes, in Gagel, SGB II/SGB III, § 312 SGB III Rn. 59 ff.

5. Gelingt es dem Kläger, SG und Einzugsstelle davon zu überzeugen, dass er für den kurzen Zeitraum vom 12.02.2016 bis 18.03.2016 beschäftigt war, wird der Arbeitgeber für die eine Woche der Arbeitstätigkeit den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nachzuzahlen haben. Einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand nicht, da die Beschäftigung noch nicht vier Wochen ausgeübt wurde, § 3 Abs. 4 EFZG. Stattdessen hätte der Kläger Anspruch auf Krankengeld gegenüber seiner Krankenkasse – vorausgesetzt, er hat die AU fristgerecht gemeldet, § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V.

Redaktion beck-aktuell, 3. Januar 2019.