LSG Baden-Württemberg: Keine weitere Vergütung des Rechtsanwalts im PKH-Überprüfungsverfahren

RVG §§ 15 V, 16 Nr. 2; ZPO § 120a

Der im Rahmen von Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat keinen Anspruch auf eine weitere Vergütung im PKH-Überprüfungsverfahren. (Leitsatz des Gerichts)

LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.02.2020 - L 10 SF 3437/19 E-B, rechtskräftig (SG Mannheim), BeckRS 2020, 5306

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 09/2020 vom 30.04.2020

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Sachverhalt

Das Sozialgericht gewährte im Dezember 2014 dem damaligen Kläger des Hauptsacheverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers. Im November 2015 einigten sich die Beteiligten in der Hauptsache vergleichsweise. Der Vergleich beinhaltete übereinstimmende Erledigungserklärungen und eine Kostenregelung (Gegner 1/3). Im Anschluss daran setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG auf Antrag des Erinnerungsführers vom November 2015 die Vergütung aus der Staatskasse antragsgemäß fest und veranlasste die Auszahlung (Dezember 2015). Mitte Oktober 2018 leitete die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Schreiben an den Erinnerungsführer unter Hinweis auf § 73a SGG in Verbindung mit § 120a ZPO eine Überprüfung der zu leistenden Zahlungen aus der PKH ein. Nachdem der Erinnerungsführer Einkommensnachweise des damaligen Klägers vorgelegt und sich eine Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ergeben hatte, verfügte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Vorgang zu den Akten.

Mitte April 2019 machte der Erinnerungsführer für das PKH-Überprüfungsverfahren eine Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von insgesamt 202,30 EUR geltend (Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG in Höhe von 150 EUR, Auslagenpauschale von 20 EU nach Nr. 7002 VV RVG zuzüglich Umsatzsteuer) und verwies zur Begründung auf die Regelung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle lehnte eine (weitere) Vergütung aus der Staatskasse ab. Die Tätigkeit des Erinnerungsführers im PKH-Überprüfungsverfahren gehöre zur Tätigkeit im Hauptsacheverfahren und sei mit der dort gewährten Verfahrensgebühr abgegolten. Denn der Auftrag zur Vertretung im PKH-Verfahren sei erst erledigt, wenn seit Beendigung des Hauptsacheverfahrens vier Jahre vergangen seien.

Mit seiner hiergegen erhobenen Erinnerung machte der Erinnerungsführer im Wesentlichen geltend, dass die gesetzliche Fiktion einer neuen anwaltlichen Tätigkeit alleine wegen eines mindestens zweijährigen «Tätigkeitsstillstands» eintrete, ohne dass es auf den vorherigen Abschluss eines Verfahrens oder anwaltlichen Auftrags ankomme. Das SG wies die Erinnerung zurück. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Entscheidung: Überprüfungsverfahren nach § 120a ZPO integraler Teil des Prozesskostenhilfeverfahrens

Das PKH-Überprüfungsverfahren nach § 73a Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGG, § 120a ZPO sei unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Fortführung respektive «Wiederaufnahme» des (ursprünglichen) PKH-Bewilligungsverfahrens, also ein Teil davon. Dabei bilde das (gesamte) PKH-Verfahren mit dem Hauptsacheverfahren, für das PKH bewilligt worden sei, eine Einheit, und zwar selbst dann, wenn das Hauptsacheverfahren beendet sei. Damit handele es sich beim PKH-Überprüfungsverfahren auch in gebührenrechtlicher Hinsicht um dieselbe Angelegenheit wie die des (Hauptsache-)Verfahrens, für das (ursprünglich) PKH bewilligt worden sei. Demgemäß verdiene der Rechtsanwalt, der von dem Beteiligten - wie vorliegend - unbedingt sowohl mit der Vertretung im Hauptsacheverfahren als auch mit der Vertretung im PKH-Verfahren beauftragt und in beiden Verfahren auch tätig geworden sei, grundsätzlich nur die Gebühren des Hauptsacheverfahrens, denn gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG könne der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern, sodass die Verfahrensgebühr für das PKH-Verfahren (Nr. 3335 VV RVG) in diesem Fall vollständig in der Verfahrensgebühr für das Verfahren der Hauptsache (Nr. 3102 VV RVG) aufgehe.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen lägen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG gerade nicht vor. Danach gelte die weitere Tätigkeit des Anwalts (nur dann) als neue Angelegenheit, wenn der «frühere Auftrag» seit mehr als zwei Kalenderjahren «erledigt» sei. Der Bundesgerichtshof habe bereits zu der gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO entschieden, dass sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach den Gesetzesmaterialien für die Festlegung des Zeitpunkts, zu dem der Lauf der Zwei-Jahres-Frist beginne, (alleine) die Erledigung des Auftrags maßgeblich sei. Von einer solchen Erledigung könne vorliegend aber keine Rede sein. Der «frühere Auftrag» des Erinnerungsführers sei zum Zeitpunkt seines Tätigwerdens im PKH-Überprüfungsverfahren mitnichten «erledigt» gewesen. Der maßgebliche (frühere) „Auftrag“ des seinerzeitigen Klägers an den Erinnerungsführer im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG sei (auch) die Vertretung im PKH-Verfahren für das Hauptsacheverfahren gewesen. Nur weil das PKH-Verfahren mit dem Hauptsacheverfahren (gebührenrechtlich) eine Einheit bilde, habe sich dieser Auftrag nicht mit der Beendigung der Hauptsache erledigt. Denn das PKH-Verfahren umfasse auch ein etwaiges Überprüfungsverfahren nach § 120a ZPO, letzteres sei ein (integraler) Teil des Prozesskostenhilfeverfahrens. Demgemäß beziehe sich der (unbeschränkte) Auftrag des Mandanten auf die Vertretung im gesamten PKH-Verfahren. Dieser Auftrag sei nicht erledigt, solange das PKH-Verfahren noch nicht (endgültig) abgeschlossen sei.

Von einem Abschluss oder einer Beendigung des PKH-Verfahrens im obigen Sinne könne im Hinblick auf die Regelung des § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO, wonach der Beteiligte «auf Verlangen des Gerichts jederzeit erklären muss», ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten sei, erst dann gesprochen werden, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Hauptsacheverfahrens vier Jahre vergangen seien (§ 120a Abs. 1 Satz 4 ZPO).

Praxishinweis

Die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg ist im Ergebnis unbefriedigend, da die Vertretung eines Mandanten im Überprüfungsverfahren mehr als zwei Jahre nach Beendigung des Ursprungsverfahrens es wieder nötigt macht, sich zu weiten Teilen in das Vorverfahren einzuarbeiten. Das LSG Baden-Württemberg liegt mit seiner Entscheidung auf der Linie der überwiegenden Rechtsprechung (siehe OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.08.2018 - 10 WF 973/18, BeckRS 2018, 21447 m. Anm. Mayer FD-RVG 2018, 410921; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 11.10.2016 - 2 WF 237/16, BeckRS 2016, 21409 m. Anm. Schneider, NZFam 2017, 625). Zumindest de lege ferenda sollte hier eine Abhilfe geschaffen werden, da der Vorschlag der Literatur, eine Vergütungspflicht des Mandanten für den Fall zu bejahen, dass der Anwalt ihn auf die gesonderte Vergütungspflicht vor Annahme des Mandats hingewiesen hat (Schneider, NZFam 2017, 625), vielfach in der Praxis nicht umgesetzt werden dürfte.

Redaktion beck-aktuell, 30. April 2020.