Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 03/2020 vom 06.02.2020
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Sachverhalt
Der Antragsteller beantragte im Hauptsacheverfahren die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ein gemeinsames minderjähriges Kind auf sich. Im Termin schlossen die Beteiligten nach der Ankündigung des Gerichts, ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, eine «Zwischenvereinbarung», wonach das Kind seinen Aufenthalt von Freitag nach dem Kindergarten bis Montag vor dem Kindergarten bei der Antragsgegnerin und von Montag nach dem Kindergarten bis Freitag vor dem Kindergarten beim Antragsteller hat. Nach Eingang des Sachverständigengutachtens schlossen die Beteiligten in einem weiteren Anhörungstermin eine Vereinbarung, in der sie erklärten, sich darüber einig zu sein, dass sie weiterhin gemeinsam das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben. Hinsichtlich des Aufenthalts des Kindes bei den Kindeseltern vereinbarten sie unter II., dass das Kind jeweils neun Tage bei der Kindsmutter und fünf Tage beim Kindsvater verbringt. Die Kindsmutter werde das Kind am Montag, den 11.11. vom Kindergarten abholen und 20.11. in den Kindergarten bringen. Der Kindsvater werde das Kind am 20.11. vom Kindergarten abholen und am Montag, den 25.11. zum Kindergarten bringen. Dieser Turnus sollte sich wiederholen.
Zu einer Billigung beider Vereinbarungen äußerte sich das AG nicht. Das AG setzte mit Beschluss den Verfahrenswert für das Verfahren auf 4.500 EUR fest, die Festsetzung beruhe auf § 45 Abs. 3 FamGKG. Eine Erhöhung des Verfahrenswerts rechtfertige sich aus den besonderen Umständen. Es seien zwei Termine erforderlich gewesen, eine Zwischenvereinbarung sei geschlossen worden und die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin mit seiner Beschwerde und beantragte, neben dem Verfahrenswert von 4.500 EUR einen weiteren Verfahrenswert für die Vereinbarung (Umgang) in Höhe von 3.000 EUR festzusetzen. Er monierte, Ziffer II der geschlossenen Vereinbarung beinhalte eine zusätzliche Regelung des Umgangs der Beteiligten mit dem gemeinsamen Kind, sodass diesbezüglich ein überschießender Vergleichswert in Höhe von 3.000 EUR festzusetzen sei.
Das AG half der Beschwerde nicht ab und führte aus, aus der Wortwahl der Vereinbarung ergebe sich, dass die Beteiligten eine Regelung über den Aufenthalt des Kindes bei beiden Eltern treffen wollten und nicht geregelt hätten, dass das Kind seinen Aufenthalt bei der Mutter habe und dem Vater nur ein Umgangsrecht zustehen solle. Sie hätten ein Wechselmodell - wenn auch nicht mit hälftiger Betreuung - vereinbart. Ein Verfahrenswert für eine Umgangsvereinbarung sei daher nicht festzusetzen. Die Beschwerde hatte Erfolg.
Entscheidung: Wechselmodell mit konkreten Betreuungszeiten führt zu Verfahrenswert entsprechend einer Umgangsregelung
Werde in einem Sorgerechtsverfahren auch das Umgangsrecht für längere Zeit geregelt, handele es sich um mehrere Kindschaftssachen, deren Werte gesondert nach § 45 FamGKG zu ermitteln und dann nach § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zu addieren seien. Es gebe also in solchen Verfahren keinen überschießenden Vergleichswert, sondern einen aus der Summe der beiden Verfahrensgegenstände (3.000 EUR elterliche Sorge + 3.000 EUR Umgang, soweit kein Fall des § 45 Abs. 3 FamGKG vorliegt) gebildeten Verfahrenswert. Grund hierfür sei der Umstand, dass Umgangsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden könnten und faktisch die Erörterung des Umgangs die Einleitung eines solchen Verfahrens von Amts wegen und seine Verbindung mit dem Verfahren zur elterlichen Sorge darstelle, weshalb es auch keine nicht anhängige Angelegenheit gebe. Die Einleitung eines Umgangsverfahrens von Amts wegen werde darin deutlich, dass das Gericht über den Umgang gemäß § 156Abs. 2 FamFG eine Sachprüfung vorzunehmen habe, weil die gerichtliche Billigung einer Umgangsregelung eine Kindeswohlprüfung erfordere und in seinen Wirkungen einer (streitigen) gerichtlichen Entscheidung zum Umgangsrecht gleichstehe.
Das FamG gehe im vorliegenden Verfahren allerdings davon aus, dass die beiden Vereinbarungen keine Umgangsregelungen darstellten, sondern im Verfahren der elterlichen Sorge ein nicht paritätisches Wechselmodell vereinbart worden sei. Die vom AG vorgenommene Abgrenzung zwischen einer Regelung des «Aufenthalts des Kindes bei beiden Elternteilen» und einer Umgangsregelung lasse sich kaum durchführen. In beiden Fällen werde das Aufenthalts- und das Umgangsbestimmungsrecht des oder der Inhaber der elterlichen Sorge eingeschränkt. Unterschiedlich seien allerdings bei beiden Regelungen die Möglichkeiten der Vollstreckung, wenn man mit dem AG davon ausgehe, dass keine Umgangsregelung vorliege. Jedenfalls für die Festsetzung des Verfahrenswerts müsse eine solche einer Umgangsregelung vergleichbare Aufteilung von Betreuungszeiten zwischen den Eltern deshalb einer Umgangsregelung gleichgestellt werden. Stelle man die Regelung von Betreuungsanteilen der Umgangsregelung gleich, sei deshalb der Wert im vorliegenden Verfahren auf 7.500 EUR festzusetzen.
Praxishinweis
Das OLG Nürnberg arbeitet heraus, dass es sich bei einer Regelung des Aufenthalts des Kindes bei beiden Elternteilen im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens um eine zusätzlich zu bewertende Regelung des Umgangsrechts handelt. Dies führt zu einer Streitwertaddition (vgl. in diesem Zusammenhang auch Dürbeck in BeckOK Streitwert, Familienrecht, Sorgerechtsverfahren, Rn. 9). Zutreffend hatte auch das Ausgangsgericht den Streitwert gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG erhöht. Umstände, die für eine Erhöhung des Regelwerts sprechen, sind unter anderem auch die Einholung eines oder mehrerer kinderpsychologischer Sachverständigengutachten (vgl. in diesem Zusammenhang auch Dürbeck in BeckOK Streitwert, Familienrecht Umgangsverfahren, Rn. 6 m. w. N.).