KG: Wahlschuldverhältnis bei Vergütungsvereinbarung

BGB § 262; RVG § 3 a

Eine anwaltliche Honorarvereinbarung kann auch als Wahlschuldverhältnis im Sinne von § 262 BGB qualifiziert werden, bei dem der Mandant entsprechend den von ihm verfolgten Ziel wählen kann, ob die anwaltliche Tätigkeit durch eine Pauschalhonorarvereinbarung oder eine Abrechnung auf Stundenbasis vergütet werden soll. (von der Schriftleitung bearbeiteter Leitsatz des Gerichts)

KG, Urteil vom 07.05.2019 - 13 U 26/18, BeckRS 2019, 14368

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 17/2019 vom 21.08.2019

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Sachverhalt

Der Kläger war leitender Angestellter - Bereichsleiter - in einem V… unternehmen. Im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung eröffnete ihm der Arbeitgeber im Juli 2016, dass er nicht mehr als „Bereichsleiter“, sondern als ein in der Unternehmenshierarchie nachgeordneter „Abteilungsleiter“ gesehen werde. Daraufhin wandte sich der Kläger an die Beklagte, eine auf die arbeitsrechtliche Vertretung von Führungskräften spezialisierte Anwaltsgesellschaft. Am 15.8.2016 fand ein Beratungsgespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten statt, in dem dieser dem Kläger dessen Handlungsalternativen in der konkreten Situation aufzeigte und ihn in arbeitsrechtlicher Hinsicht beriet. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger noch nicht klar, wie er sich zu dem Verlangen seines Arbeitgebers stellen und ob er um den Erhalt des Arbeitsplatzes kämpfen oder das Unternehmen verlassen möchte. Der Geschäftsführer der Beklagten händigte dem Kläger dabei den „Rohentwurf“ für einen noch auszuhandelnden arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag aus. Der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten sprachen auch über die Vergütung der Beklagten; der genaue Inhalt des Gesprächs ist streitig. Bei dem Beratungsgespräch überreichte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger zwei von ihm bereits unterschriebene Vergütungsvereinbarungen vom 18.8.2016 mit der Bitte, beide gegengezeichnet zurückzureichen. Eine Vergütungsvereinbarung sah für die arbeitsrechtliche Beratung des Klägers und dessen außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in erster Instanz ein Pauschalhonorar iHv 15.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer vor („Pauschalhonorarvereinbarung“), wohingegen die zweite, vom Wortlaut weitestgehend identische Vergütungsvereinbarung ein Honorar iHv 350 EUR je Zeitstunde zzgl. Mehrwertsteuer vorsah („Stundenhonorarvereinbarung“).

Am 11.9.2016 übersandte der Kläger der Beklagten die beiden von ihm unterzeichneten Honorarvereinbarungen sowie das von ihm ergänzte Muster des Aufhebungsvertrages zurück. Auch teilte er der Beklagten die Kontaktdaten der Personalleiterin seines Arbeitgebers mit, um den Geschäftsführer der Beklagten in die Lage zu versetzen, mit dieser für ihn einen Aufhebungsvertrag auszuhandeln. Dem kam der Geschäftsführer der Beklagten nach und handelte für den Kläger eine arbeitsrechtliche Aufhebungsvereinbarung aus.

Mit Schreiben vom 17.10.2016 rechnete die Beklagte das Mandat ab. Sie forderte vom Kläger Zahlung von 15.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer iHv 2.850 EUR (brutto 17.850 EUR) abzüglich des gezahlten Vorschusses von 5.000 EUR, sodass sich ein Rechnungsendbetrag von 12.850 EUR ergab. Die Beklagte setzte hiervon weitere 3.249,12 EUR ab, die die Rechtsschutzversicherung des Klägers an sie ausgezahlt hatte, sodass ein Zahlbetrag von 9.600,88 EUR verblieb.

Der Kläger zahlte nicht, sondern forderte die Beklagte auf, die von ihm geleisteten 5.000 EUR zurück zu erstatten. Nachdem die Beklagte dem Verlangen nicht nachkam, erhob der Kläger Klage und begehrte Zahlung von zuletzt 4.850 EUR (geleisteter Vorschuss von 5.000 EUR abzgl. des mit der Rechtsschutzversicherung vereinbarten Selbstbehalts von 150 EUR) nebst Zinsen. Die Beklagte trat dem entgegen, beantragte Abweisung der Klage und begehrte im Wege der Widerklage den Kläger zu verurteilten, an sie 9.600,88 EUR zu bezahlen. Mit Urteil vom 22.8.2018 wies das LG die Klage ab und verurteilte den Kläger, auf die Widerklage an die Beklagte 81,39 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Widerklage wies es zurück.

Mit der Berufung verfolgte der Kläger den von ihm erstinstanzlich geltend gemachten Rückzahlungsanspruch fort. Die Beklagte wandte sich mit der von ihr angebrachten Berufung gegen die teilweise Zurückweisung des von ihr mit der Widerklage verfolgten Anspruchs. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg, die Berufung der Beklagten hingegen war erfolgreich.

Entscheidung: Wahlschuldverhältnis zwischen Pauschalhonorarvereinbarung und Abrechnung auf Stundenbasis

Der Kläger habe insoweit vorgetragen bzw. in seiner persönlichen Anhörung erklärt, dass vereinbart worden sei, dass auf Stundenbasis abgerechnet werde, solange die Angelegenheit nicht kompliziert werde und man mit dem Arbeitgeber nicht in einen Rechtsstreit vor Gericht ziehen müsse. Die Pauschalvergütung habe dagegen gelten sollen, wenn deutlich werde, dass die Angelegenheit nur mit erhöhtem Aufwand betrieben werden könne und man sich vor Gericht streiten müsse.

Die Beklagte trug demgegenüber vor, es sei vereinbart worden, dass sich die Vergütung nach dem vom Kläger angestrebten Ziel richte: Wenn Ziel der anwaltlichen Tätigkeit sein solle, dass der Kläger im Unternehmen verbleiben könne und seinen Arbeitsplatz behalte, solle ein Stundenhonorar gelten. Sollte die anwaltliche Tätigkeit dagegen darauf ausgerichtet sein, für den Kläger einen Aufhebungsvertrag auszuhandeln, dann sei vereinbart gewesen, dass ein Pauschalhonorar gelten solle. Die Beklagte habe weiter vorgetragen, der Kläger habe sie damit beauftragt, mit dessen Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag auszuhandeln; damit habe sich der Kläger zugleich für das Vergütungsmodell „Pauschalhonorar“ entschieden.

In rechtlicher Hinsicht sei das als ein Wahlschuldverhältnis zu qualifizieren (§ 262 BGB); die Vergütung würde nach dem KG unterschiedlich ausfallen, je nachdem, welche Art von anwaltlicher Leistung erbracht werden solle.

Die Frage, welche dieser beiden grundsätzlich denkbaren und rechtlich möglichen Vergütungsformen von den Vertragsparteien vereinbart worden sei, sei durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Der Vortrag der Beklagten lasse sich zwanglos mit dem Wortlaut der beiden Vergütungsvereinbarungen in Übereinstimmung bringen. Die vorliegenden Vertragsdokumente harmonierten mit dem Vortrag der Beklagten, sie habe dem Kläger zwei Vergütungsmodelle vorgestellt - ein Pauschalhonorar und eine Vergütung auf Basis eines Stundenhonorars; demgemäß lägen auch zwei in den entscheidenden Punkten unterschiedliche Vergütungsvereinbarungen vor.

Der Vortrag des Klägers finde in den vorliegenden beiden Vergütungsvereinbarungen dagegen weder Stütze noch Anhalt.

Praxishinweis

Gerade noch einmal gut gegangen ist es für die beklagte Anwaltsgesellschaft in der berichteten Entscheidung des Kammergerichts. Die ausführliche Begründung, insbesondere der „mutige“ Rückgriff auf § 262 BGB zeigen, dass es im Zweifel ratsam ist, beim Abschluss von Vergütungsvereinbarungen von vornherein für Eindeutigkeit und Klarheit zu sorgen.

Redaktion beck-aktuell, 21. August 2019.