BVerwG: Terminsgebühr bei fernmündlichem Vergleichsvorschlag des Klägeranwalts

VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG

Die Terminsgebühr für die Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen (VV 3104 iVm Vorbem. 3 III RVG) entsteht auch dann, wenn ein Prozessbevollmächtigter einen auf Erledigung des Verfahrens gerichteten fernmündlichen Vorschlag des gegnerischen Prozessbevollmächtigten zur Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt. (Leitsatz des Gerichts)

BVerwG, Beschluss vom 03.09.2018 - 3 KSt 1.18, BeckRS 2018, 23002

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 21/2018 vom 17.10.2018

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Sachverhalt

In einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen am 18.1.2018 ein Telefonat. Das Gespräch wurde nicht von beiden Seiten mit dem Ziel der vergleichsweisen Erledigung des Klageverfahrens geführt, vielmehr konnte sich der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen auf den klägerischen Vergleichsvorschlag hin nicht einmal zur Vergleichsbereitschaft seiner Mandanten äußern, sondern erklärte lediglich, er werde den Vorschlag an diese weiterleiten. Eine Diskussion fand nicht statt. Der Vorschlag führte auch nicht zur Erledigung, weil die Beigeladenen ihn ablehnten und die Klage ausschließlich wegen geringer Erfolgsaussichten zurückgenommen würde. Im sich anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren wurde im Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundebeamten der Geschäftsstelle zu Lasten des Klägers eine Terminsgebühr festgesetzt. Die hiergegen erhobene Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundebeamten des Bundesverwaltungsgerichts hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Nach dem unstreitigen Inhalt des Telefonats vom 18.1.2018 seien die Voraussetzungen für das Entstehen der Terminsgebühr nach VV 3104 RVG erfüllt. Ein Rechtsanwalt verdiene die Terminsgebühr gem. VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG für die Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet seien. Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließe, entstehe die Gebühr auch dann, wenn der gegnerische Anwalt – wie hier – die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Vorschläge zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennehme. Dies liege in der Intention des Gesetzgebers, das Kostenrecht zu vereinfachen und an das Merkmal einer Besprechung keine besonderen Anforderungen zu stellen. Dem entspreche, dass einem Rechtsanwalt außergerichtliche Besprechungen – einer gängigen Praxis folgend – auch fernmündlich möglich seien.

Eine Besprechung setze daher nur die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Dass sie darüber hinaus kausal für die Erledigung des gerichtlichen Verfahrens geworden sei, sei nicht erforderlich. Mit der Regelung über die Terminsgebühr solle das ernsthafte Bemühen eines Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich – auch zur Entlastung der Gerichte – die außergerichtliche Streitbeilegung gefördert werden. Die Anreizfunktion der Gebühr wäre nach dem Bundesverwaltungsgericht beeinträchtigt, wäre die Honorierung der unter Umständen aufwändigen Einigungsbemühungen von ihrem Erfolg abhängig. Daher komme es nicht darauf an, dass die Klage hier letztlich aus anderen Motiven, nämlich wegen geringer Erfolgsaussichten, zurückgenommen worden sei.

Seine Bereitschaft zur Einigung habe der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen am 18.1.2018 verlautbart. Anders sei die Entgegennahme des klägerseitigen Vorschlags zur Weiterleitung an die Beigeladenen nicht zu verstehen. Ein Rechtsanwalt könne es in solchen Fällen nicht dabei belassen, seiner Partei den gegnerischen Vorschlag als Bote unkommentiert weiterzuleiten; er sei aufgrund seiner prozessualen Beratungspflicht im Gegenteil zu dessen Prüfung und zur Abgabe einer Empfehlung oder jedenfalls Stellungnahme verpflichtet. Hierin liege die innere Berechtigung für das Entstehen der Terminsgebühr. Dem könne der Kläger nicht überzeugend entgegenhalten, dass bei dieser Sicht jedes Telefonat die Gebühr auslöse. Eine „Besprechung“ komme nämlich dann nicht zustande, wenn der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung verweigere oder ihm auf Erledigung zielende Erwägungen gar nicht abverlangt würden. Dies könne der Fall sein, wenn nur ein Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft zur Streitbeilegung geführt werde oder die abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung ausgelotet werden solle. So aber sei der Fall hier nicht gelegen, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem konkreten Vergleichsvorschlag an den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen herangetreten war.

Praxistipp

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zeichnet sich – anders als sonst bisweilen in der Rechtsprechung zu bemerken – durch einen souveränen Umgang mit der Terminsgebühr für die außergerichtliche Erledigungsbesprechung nach VV Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 RVG aus. Denn Voraussetzung für die Entstehung der Terminsgebühr in dieser Variante durch – auch fernmündliche – Besprechungen ist, dass die Bereitschaft auf beiden Seiten vorliegt, in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung einzutreten (siehe hierzu näher Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018 Vorbem. 3 Rn. 69). Ein Telefonat ist schon dann als eine auf die Erledigung des Verfahren gerichtete Besprechung zu werten, wenn es sich nicht nur um ein allgemeines Gespräch über die abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung handelt, sondern Gegenstand der Besprechung eine konkrete Fragestellung ist (BGH BeckRS 2010, 03322 mAnm Mayer FD-RVG 2010, 299231). So fällt eine Terminsgebühr an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt (BGH NJW-RR 2007, 286). Voraussetzung ist dabei eine beiderseitige Bereitschaft der Prozessgegner zu einer eventuellen einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens (OVG Münster BeckRS 2017, 120458). Daran fehlt es, wenn der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung verweigert (VGH München BeckRS 2015, 52024). Ausreichend ist aber, dass auf die telefonische Anregung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten beim Kläger, die Klage zurückzunehmen, der Klägeranwalt mit dem Hinweis reagiert, er werde die Angelegenheit mit seinem Auftraggeber besprechen (OLG Koblenz NJW 2005, 2162 mBesprechung Mayer RVG-Letter 2005, 66).

Redaktion beck-aktuell, 22. Oktober 2018.