OLG Karls­ru­he: Keine Rei­se­kos­ten­er­stat­tung bei nicht not­wen­di­ger Be­auf­tra­gung eines aus­wär­ti­gen Rechts­an­walts

ZPO § 91 II 1

Die Re­ge­lung in § 91 II 1 ZPO dient der Gleich­be­hand­lung aller in einem Ge­richts­be­zirk nie­der­ge­las­se­nen Rechts­an­wäl­te. Deren Be­auf­tra­gung soll un­ge­ach­tet der Ent­fer­nung vom Ge­richt ohne Nach­tei­le im Rah­men der Kos­ten­er­stat­tung er­fol­gen. Rei­se­kos­ten eines nicht im Be­zirk des Ver­fah­rens­ge­richts (Pro­zess­ge­richts) nie­der­ge­las­se­nen Rechts­an­walts, des­sen Be­auf­tra­gung nicht not­wen­dig war, sind nicht er­stat­tungs­fä­hig, auch nicht in Höhe der fik­ti­ven Rei­se­kos­ten eines fik­ti­ven Be­voll­mäch­tig­ten mit Nie­der­las­sung am wei­test ent­fernt ge­le­ge­nen Ort in­ner­halb des Ge­richts­be­zirks. (von der Schrift­lei­tung be­ar­bei­te­ter Leit­satz des Ge­richts)

OLG Karls­ru­he, Be­schluss vom 25.04.2017 - 20 UF 81/15, BeckRS 2017, 108416

An­mer­kung von
Rechts­an­walt Dr. Hans-Jo­chem Mayer, Fach­an­walt für Ver­wal­tungs­recht und Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Bühl

Aus beck-fach­dienst Ver­gü­tungs- und Kos­ten­recht 10/2017 vom 17.05.2017

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Ver­gü­tungs- und Kos­ten­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Ver­gü­tungs- und Kos­ten­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Ver­gü­tungs- und Kos­ten­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

Sach­ver­halt

Die An­trag­stel­le­rin – So­zi­al­ver­wal­tung des Be­zirks O. in Bay­reuth – ließ sich im Be­schwer­de­ver­fah­ren vor dem OLG Karls­ru­he durch in Bay­reuth kanz­lei­an­säs­si­ge Rechts­an­wäl­te ver­tre­ten. Nach rechts­kräf­ti­gem Be­schluss des Se­nats vom 22.1.2016 hatte die An­trag­stel­le­rin 44 %, die An­trags­geg­ne­rin 56 % der Kos­ten zu tra­gen. Im Kos­ten­fest­set­zungs­ver­fah­ren mel­de­te die An­trag­stel­le­rin Rei­se­kos­ten und Ab­we­sen­heits­gel­der für ihre Be­voll­mäch­tig­ten für zwei Ge­richts­ter­mi­ne in Karls­ru­he und einen Ge­richts­ter­min beim Amts­ge­richt Bam­berg (Rechts­hil­fe­ver­neh­mung) an. Diese wur­den von der Rechts­pfle­ge­rin des Amts­ge­richts im Kos­ten­fest­set­zungs­be­schluss ab­ge­setzt mit der Be­grün­dung, die An­trag­stel­le­rin als Be­hör­de sei durch­aus in der Lage ge­we­sen, einen An­walt am Ort des Ge­richts schrift­lich zu in­for­mie­ren. Er­satz­wei­se wur­den tat­säch­li­che (Ter­min 28.11.2014) und fik­ti­ve (Ter­mi­ne 6.5.2015, 17.9.2015) Fahrt­kos­ten für je­weils einen Mit­ar­bei­ter der Be­hör­de zu den Ge­richts­ter­mi­nen an­ge­setzt.

Gegen die­sen Kos­ten­fest­set­zungs­be­schluss legte die An­trag­stel­le­rin so­for­ti­ge Be­schwer­de ein, der die Rechts­pfle­ge­rin nicht ab­half. Die An­trag­stel­le­rin be­rief sich dar­auf, dass für sie in jedem Fall Rei­se­kos­ten in der Höhe er­stat­tungs­fä­hig seien, wie sie für einen am ent­fern­tes­ten Ort des OLG-Ge­richts­be­zirks nie­der­ge­las­se­nen Rechts­an­walt ent­stan­den wären. Diese wür­den sich auf 535,20 EUR be­lau­fen und seien somit höher als die tat­säch­lich gel­tend ge­mach­ten Kos­ten von ins­ge­samt 298,70 EUR. Die An­trags­geg­ne­rin trat der so­for­ti­gen Be­schwer­de ent­ge­gen. Die so­for­ti­ge Be­schwer­de hatte vor dem OLG Karls­ru­he teil­wei­se Er­folg.

Recht­li­che Wer­tung

Ent­ge­gen der von der Be­schwer­de­füh­re­rin ver­tre­te­nen An­sicht seien die Rei­se­kos­ten eines aus­wär­ti­gen Rechts­an­walts nicht stets bis zur Höhe der fik­ti­ven Rei­se­kos­ten von dem wei­test ent­fernt lie­gen­den Ort im Ge­richts­be­zirk zu er­stat­ten. Diese Frage sei al­ler­dings um­strit­ten. Zwei­fels­frei sei, dass die Rei­se­kos­ten auch eines am wei­test ent­fernt ge­le­ge­nen Ort in­ner­halb des OLG-Be­zirks (hier nach An­ga­ben der Be­schwer­de­füh­re­rin Lau­fen­burg, Ent­fer­nung nach Karls­ru­he 231 km) nie­der­ge­las­se­nen be­voll­mäch­tig­ten Rechts­an­walts ohne wei­te­re Prü­fung der Not­wen­dig­keit er­stat­tungs­fä­hig wären, §§ 113 I FamFG, 91 II 1 ZPO. Diese Kon­stel­la­ti­on liege je­doch hier nicht un­mit­tel­bar vor. Die An­trag­stel­le­rin habe tat­säch­lich nicht einen Rechts­an­walt in Lau­fen­burg be­auf­tragt.

Die Re­ge­lung in § 91 II 1 ZPO lege zu­nächst den Schluss nahe, dass bis zur Höhe der – fik­ti­ven – Kos­ten der Reise eines – fik­ti­ven – Ver­fah­rens­be­voll­mäch­tig­ten mit Nie­der­las­sung am wei­test ent­fern­ten Ort im Ge­richts­be­zirk auch die Rei­se­kos­ten eines am Dritt­ort au­ßer­halb des OLG-Be­zirks nie­der­ge­las­se­nen Ver­fah­rens­be­voll­mäch­tig­ten er­stat­tungs­fä­hig seien, da sich sonst bei glei­cher oder gar ge­rin­ge­rer Ent­fer­nung eine nicht ge­recht­fer­tig­te Un­gleich­be­hand­lung er­gä­be. Die­ses Ar­gu­ment über­zeu­ge letzt­lich aber nicht. Über­zeu­gend habe das OLG Celle (BeckRS 2015, 11589) dar­ge­legt, dass die Re­ge­lung in § 91 II 1 ZPO der Gleich­be­hand­lung aller in einem Ge­richts­be­zirk nie­der­ge­las­se­nen Rechts­an­wäl­te die­nen dürf­te. Deren Be­auf­tra­gung solle un­ge­ach­tet der Ent­fer­nung vom Ge­richt ohne Nach­tei­le im Rah­men der Kos­ten­er­stat­tung er­fol­gen kön­nen. Nach der Ge­set­zes­be­grün­dung trage die Re­ge­lung der „Orts­be­zo­gen­heit“ Rech­nung. Die­ser Zweck recht­fer­ti­ge auch bei ähn­li­cher oder gar ge­rin­ge­rer Ent­fer­nung die – vom Ge­set­zes­wort­laut klar vor­ge­nom­me­ne – Un­ter­schei­dung zwi­schen den in­ner­halb des Be­zirks und den au­ßer­halb des Be­zirks nie­der­ge­las­se­nen Rechts­an­wäl­ten. Diese ge­setz­li­che Vor­ga­be un­ter­schei­de sich auch klar von den Re­geln für VKH / PKH – dort gelte gem. § 121 III ZPO be­züg­lich be­zirks­frem­der Rechts­an­wäl­te le­dig­lich ein Mehr­kos­ten­ver­bot. Es sei nach allem am Wort­laut des § 91 II 1 ZPO fest­zu­hal­ten. Die Not­wen­dig­keits­prü­fung ent­fal­le nur bei den Rei­se­kos­ten des tat­säch­lich im Ge­richts­be­zirk nie­der­ge­las­se­nen Rechts­an­walts.

So­weit der an­ge­grif­fe­ne Be­schluss dar­auf ab­stel­le, dass es für die An­trag­stel­le­rin als Be­hör­de mit recht­lich ge­schul­ten Mit­ar­bei­tern nicht not­wen­dig ge­we­sen sei, einen Rechts­an­walt an ihrem Sitz zu be­auf­tra­gen, brin­ge die Be­schwer­de hier­ge­gen nichts vor. Werde die An­ge­le­gen­heit von recht­lich ge­schul­ten Mit­ar­bei­tern be­ar­bei­tet, so könne er­war­tet wer­den, dass diese in der Lage seien, einen am Sitz des Pro­zess­ge­richts an­säs­si­gen Rechts­an­walt um­fas­send schrift­lich zu un­ter­rich­ten.

Die – fik­ti­ven – wei­te­ren Be­tei­lig­ten­aus­la­gen für die je­weils se­pa­ra­te An­rei­se eines Mit­ar­bei­ters der An­trag­stel­le­rin habe das Amts­ge­richt im an­ge­grif­fe­nen Be­schluss be­reits be­rück­sich­tigt.

Hin­zu­zu­set­zen seien al­ler­dings noch die fik­ti­ven Rei­se­kos­ten eines am Ge­richts­ort in Karls­ru­he nie­der­ge­las­se­nen Ver­fah­rens­be­voll­mäch­tig­ten zu der Rechts­hil­fe­ver­neh­mung beim Amts­ge­richt Bam­berg. Die An­trag­stel­le­rin sei dort tat­säch­lich an­walt­lich ver­tre­ten ge­we­sen.

Pra­xis­tipp

Wird ein nicht im Be­zirk des Pro­zess­ge­richts nie­der­ge­las­se­ner und am Ort des Pro­zess­ge­richts auch nicht wohn­haf­ter Rechts­an­walt be­auf­tragt, setzt nach § 91 II 1 ZPO die Er­stat­tungs­fä­hig­keit sei­ner Rei­se­kos­ten eine Not­wen­dig­keits­prü­fung vor­aus. Fällt diese ne­ga­tiv aus, so ist in der Recht­spre­chung um­strit­ten, ob dann gleich­wohl zu­min­dest die Rei­se­kos­ten die­ses An­walts bis zur Höhe der Rei­se­kos­ten eines fik­ti­ven Be­voll­mäch­tig­ten mit der wei­tes­ten Ent­fer­nung in­ner­halb des Ge­richts­be­zirks er­stat­tungs­fä­hig sind. Das OLG Celle (BeckRS 2015, 11589) und das OLG Frank­furt (Jur­Bü­ro 2016, 203) leh­nen in einem sol­chen Fall die Er­stat­tungs­fä­hig­keit der Rei­se­kos­ten eines aus­wär­ti­gen An­walts über­haupt ab, das OLG Karls­ru­he hat sich in der be­rich­te­ten Ent­schei­dung die­ser Auf­fas­sung an­ge­schlos­sen (vgl. zur Ge­gen­auf­fas­sung OLG Köln NZFam 2016 mAnm Schnei­der).

Redaktion beck-aktuell, 22. Mai 2017.

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