Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 05/2017 vom 08.03.2017
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Sachverhalt
Die Kläger reichten am 28.9.2015 beim Landgericht eine Klageschrift ein. Am 29.9.2015 reichten sie die identische Klageschrift erneut bei Gericht ein.
Mit Schriftsatz vom 29.10.2015 erklärten die Kläger die Rücknahme der am 29.9.2015 eingereichten Klage. Mit Kostenrechnung vom 10.11.2015 setzte das LG Gerichtskosten iHv insgesamt 1.626 EUR gegen die Kläger fest. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wies das LG zurück. Die Beschwerde der Kläger hatte vor dem OLG Frankfurt a. M. keinen Erfolg.
Rechtliche Wertung
Da die Kläger mit Einreichung ihrer Klageschrift am 29.9.2015 das Verfahren beantragt haben, seien sie gem. § 22 I 1 GKG Kostenschuldner. Sie hätten deshalb die Verfahrensgebühr zu zahlen, die gem. § 3 II GKG iVm KV 1210, 1211 Nr. 1 a GKG mit einem Satz von 1,0 anfalle, wenn eine Klage – wie vorliegend - vor Schluss der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werde. Diese Gebühr betrage bei dem mit Beschluss des Landgerichts vom 30.9.2015 festgesetzten Streitwert von 176.800 EUR 1.626 EUR.
Der Umstand, dass die Kläger die identische Klageschrift bereits zuvor am 28.9.2015 beim LG eingereicht hatten und die erneute Einreichung im vorliegenden Verfahren auf einem Versehen beruhte, stehe dem Kostenansatz nicht entgegen. Die Auffassung des OLG München (BeckRS 2001, 04823), für eine wiederholt eingereichte Klage könnten über die bereits für die erste Klageeinreichung angesetzten Kosten hinaus weitere Kosten nicht angesetzt werden, weil eine rechtssuchende Partei davon ausgehen könne, dass die Gerichtsorganisation so gestaltet sei, dass Doppelvorgänge bemerkt und zutreffend zugeordnet würden, sei unzutreffend. Da es – insbesondere in Bankensachen wie der vorliegenden – nicht unüblich sei, dass zwischen identischen Beteiligten mehrere Verfahren mit ähnlichem Streitgegenständen anhängig seien, setze das Erkennen von Doppelvorgängen eine Prüfung des jeweiligen Streitgegenstands voraus. Die klagende Partei könne nicht erwarten, dass die Eingangsstelle des Gerichts diese rechtliche Prüfung vornehme.
Hinzu komme, dass die Kläger mit ihrer mit Schriftsatz vom 29.10.2015 erklärten Klagerücknahme selbst zu erkennen gegeben hätten, dass sie die am 29.9.2015 eingereichte Klage als eine eigenständige solche angesehen hätten. Hätten sie die am 29.9.2015 eingereichte Klage als gegenstandslos verstanden, hätte es nach dem OLG Frankfurt a. M. einer Rücknahme nicht bedurft.
Anhaltspunkte dafür, dass eine unrichtige Sachbehandlung vorliegt, wegen der Kosten gem. § 21 I 1 GKG nicht zu erheben wären, seien nicht gegeben. Eine unrichtige Sachbehandlung läge nur vor, wenn ein erkennbares Versehen des das Verfahren führenden Gerichts oder evidente – also offen zutage tretende – schwere Rechtsverstöße gegeben wären. Dies sei nicht der Fall. Insbesondere sei die Eingangsstelle des Gerichts vor Vergabe des Aktenzeichens nicht zur Prüfung einer möglichen Identität des Streitgegenstands mit einer bereits eingereichten Klage verpflichtet.
Praxistipp
Das OLG München hatte sich auf den – aus Anwaltssicht freundlichen – Standpunkt gestellt, dass für eine wiederholte mit identischer Klageschrift eingereichte Klageschrift über die schon für die erste Klage bezahlten Gerichtsgebühren hinaus keine weiteren Gerichtsgebühren gefordert werden können, da keine Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass die Gerichtsgebühren doppelt bezahlt werden müssten, wenn erkennbar die geforderte Leistung (Rechtsschutzgewährung wegen eines bestimmten Gegenstandes) gegen eine bestimmte Person nur einmal begehrt werde (BeckRS 2001, 04823). Die Literatur hingegen nimmt eine restriktivere Haltung ein und billigt sogar erneut Gerichtskosten zu, wenn auf Anforderung des Gerichts eine geänderte Antragsschrift eingereicht wird, jedoch jeglicher Hinweis auf das bereits anhängige Verfahren fehlt (so Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, FamGKG § 9 Rn. 22; siehe auch Hagen Schneider in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, § 20 FamGKG Rn. 32). Das OLG Frankfurt a. M. nimmt in der berichteten Entscheidung die restriktive Position ein und weist insbesondere darauf hin, dass die Eingangsstelle des Gerichts nicht zur Prüfung einer möglichen Identität des Streitgegenstands mit einer bereits eingereichten Klage verpflichtet ist (s. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1670). Es ist somit ratsam, bei der Einreichung von Klageschriften äußerst sorgsam vorzugehen.