OLG München: Wirksame Vereinbarung eines Mindesthonorars in Höhe des 2-fachen der gesetzlichen Gebühren in AGB

BGB §§ 305 c I, 307 I; RVG § 3a II

Die Vereinbarung des 2-fachen der gesetzlichen Vergütung als Honoraruntergrenze durch eine allgemeine Geschäftsbedingung ist keine überraschende Klausel im Sinne des § 307 c I BGB, und zwar auch dann nicht, wenn die Vergütungsvereinbarung zuerst ein Zeithonorar regelt und im Anschluss daran, aber noch unter der gleichen Gliederungsnummer, das Mindesthonorar. Eine solche Klausel verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB) und stellt auch aus anderen Gründen keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar. Das 2-fache der gesetzlichen Vergütung ist auch keine unangemessen hohe Vergütung im Sinne von § 3 a II RVG. (Leitsatz der Schriftleitung)

OLG München, Urteil vom 30.11.2016 - 15 U 1298/16 Rae, BeckRS 2016, 20652

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 01/2017 vom 11.01.2017

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Sachverhalt

Der Kläger beauftragte den Beklagten, einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt, am 11.12.2013 mit der Überprüfung des Entwurfs eines Geschäftsführeranstellungsvertrags. Am gleichen Tag unterschrieb er die Mandatsbedingungen des Beklagten und schloss mit ihm eine Vergütungsvereinbarung. Diese sah ua vor, dass die Kanzlei in allen Fällen, sowohl im Falle der Beratung als auch bei außergerichtlicher und/oder gerichtlicher Vertretung, mindestens das 2-fache der gesetzlichen Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) einschließlich Vergütungsverzeichnis (VV) unter Berücksichtigung der Streitwertregelung gem. folgendem Absatz erhält. Am 13.12.2013 führten die Parteien ein Beratungsgespräch von ca. 2,5 bis 3 Stunden. Am 14.12.2013 erhielt der Kläger vom Beklagten mit einer erläuternden E-Mail den überarbeiteten Entwurf des Geschäftsführervertrags, in dem am 20.12.2013 noch eine weitere Passage geändert wurde. Am 30.12.2013 zahlte der Kläger gem. Kostenrechnung einen Vorschuss von 5.000 EU zzgl. 950 EUR Umsatzsteuer. Am 13.1.2014 stellte der Beklagte dem Kläger eine weitere Kostenrechnung mit einer Endsumme von 49.896 EUR brutto. Mit seiner in diesem Verfahren ursprünglich erhobenen negativen Feststellungsklage wandte sich der Kläger gegen diese Forderung. Der Beklagte erhob Widerklage auf Zahlung der Rechnung. Nach Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer verurteilte das LG den Kläger unter Abweisung der weitergehenden Widerklage zur Zahlung von 15.567 EUR nebst Zinsen. Die Berufung des Klägers, mit der er sich gegen die Zahlung des Betrages iHv 15.567 EUR nebst Zinsen wandte, hatte keinen Erfolg.

Rechtliche Wertung

Nach der wirksam vereinbarten Mindesthonorarklausel in der Vergütungsvereinbarung erhalte der Beklagte als Vergütung vorliegend das 2-fache der gesetzlichen Gebühren. Diese Bestimmung in der Vergütungsvereinbarung, bei der es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, sei Vertragsbestandteil geworden und nicht gem. §§ 307, 310 III Nr. 3 BGB unwirksam. Es handele sich nicht um eine überraschende Klausel iSd § 305 c I BGB. Die Vereinbarung des 2-fachen der gesetzlichen Vergütung als Untergrenze solle zwar nach Einschätzung der Rechtsanwaltskammer München unüblich sein. Indes brauche die Frage, ob es sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handele, vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn dies allein genüge für die Annahme einer überraschenden Klausel iSd § 305 c I BGB nicht. Zum empirischen Merkmal der objektiven Ungewöhnlichkeit müsse als zweite, normative Voraussetzung ein Überraschungsmoment hinzukommen, das heiße eine Diskrepanz zwischen dem Klauselinhalt und den Erwartungen des Kunden, die von den allgemeinen und individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses geprägt seien. Die Berufung argumentiere, eine solche Erwartung des Kunden ergebe sich vorliegend daraus, dass die Vergütungsvereinbarung auf der Abrechnung eines im Vordergrund stehenden Stundenhonorars „basiere“. Daher habe das Mindesthonorar, das „quasi beiläufig“ vereinbart würde, einen Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt, sodass das nötige Überraschungsmoment gegeben sei. Diese Argumente überzeugten nicht. Daraus, dass die Vergütungsvereinbarung zuerst das Zeithonorar regele und im Anschluss daran, aber noch unter der gleichen Gliederungsnummer, das Mindesthonorar, lasse sich nicht ableiten, dass das Zeithonorar im Vordergrund stünde und die Vereinbarung auf diesem „basiere“. Die Vergütungsvereinbarung beginne sprachlich notwendig mit nur einer der Berechnungsweisen der Vergütung und stelle im Anschluss daran die andere dar. Eine Rangordnung lasse sich daraus nicht entnehmen. Auch von einer „beiläufigen“ Vereinbarung des Mindesthonorars könne nicht die Rede sein, wenn die Regelungen dazu – wie hier – annähernd ebenso viel Raum in der Vergütungsvereinbarung einnehmen und drucktechnisch genauso gestaltet seien wie die zum Zeithonorar.

Die Klausel verstoße auch nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB). Eine Verpflichtung des Rechtsanwalts, den Mandanten ungefragt über die voraussichtliche Höhe der gesetzlichen Gebühren aufzuklären, bestehe grundsätzlich nicht. Gleiches gelte für den voraussichtlich anfallenden Zeitaufwand des nach einer Zeithonorarvereinbarung abrechnenden Rechtsanwalts. Deshalb könne von dem Rechtsanwalt nach den Umständen nicht gefordert werden, die für eine Vielzahl unterschiedlicher Ausgangssachverhalte vorformulierte Vertragsklausel so zu gestalten, dass der Mandant schon beim Abschluss der Vergütungsvereinbarung erkennen könne, ob in seinem konkreten Fall eine Abrechnung nach Zeitaufwand oder das Mindesthonorar iHd 2-fachen der gesetzlichen Gebühren zur Anwendung komme.

Die Mindesthonorarvereinbarung stelle auch nicht aus anderen Gründen eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten im Sinn des § 307 BGB dar. Die vereinbarte Vergütung iHd 2-fachen Satzes der gesetzlichen Vergütung sei ferner nicht unangemessen hoch iSd § 3 a II 1 RVG.

Praxistipp

Die Entscheidung des OLG München bringt weitere Klarheit in den von der Rechtsprechung bislang nur spärlich behandelten Problembereich, welche Regelungen bei einer Vergütungsvereinbarung in Form einer allgemeinen Geschäftsbedingung möglich sind. Nach der eingehend begründeten Entscheidung ist es möglich, im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung, die ein Zeithonorar vorsieht, zusätzlich durch eine allgemeine Geschäftsbedingung eine Mindesthonorarklausel in Höhe des 2-fachen der gesetzlichen Gebühren zu vereinbaren (s. näher zu der AGB-Kontrolle von Vergütungsvereinbarungen Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar/Mayer RVG § 3 a Rn. 54 ff.).

Redaktion beck-aktuell, 12. Januar 2017.

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