BGH: Analoge Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 3 HeizkostenV im Wohnungseigentumsrecht

WEG § 16 III; HeizkostenV §§ 7 I 3, 9a

1. § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV ist auch im Wohnungseigentumsrecht auf überwiegend ungedämmte, aber nicht freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung nicht analog anwendbar.

2. In den Fällen der sog. Rohrwärmeabgabe kann eine Verteilung der Kosten des Wärmeverbrauchs auch dann nicht nach § 9a Abs. 1 und 2 HeizkostenV erfolgen, wenn von den elektronischen Heizkostenverteilern infolge der Rohrwärmeverluste weniger als 20 % der abgegebenen Wärmemengen erfasst wird.

BGH, Urteil vom 15.11.2019 - V ZR 9/19, BeckRS 2019, 39775

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 06/2020 vom 26.03.2020

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Sachverhalt

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnungseigentumsanlage besteht aus 154 Wohnungen in Mehrfamiliendoppelhäusern. Die Klägerin ist Eigentümerin von 20 Dachgeschosswohnungen. Nach § 11 Abs. 2 b) der Teilungserklärung werden die Heizkosten nach Verbrauch abgerechnet, was durch Beschluss der Wohnungseigentümer dahingehend konkretisiert worden ist, die Heizkosten im Verhältnis von 30 % Grundkosten und 70 % Verbrauchskosten aufzuteilen. Die Heizkörper in den Wohnungen sind mit elektronisch messenden Heizkostenverteilern ausgestattet. Die im Keller der Häuser verlaufenden Leitungen sind freiliegend und überwiegend gedämmt. Die Verteilleitungen innerhalb der Wohnungen liegen unter Putz. Sie sind schlecht oder gar nicht gedämmt.

Die Wohnungseigentümer haben in der Eigentümerversammlung vom 28.11.2015 die Hausgeldabrechnungen für das Jahr 2014 genehmigt. Die Aufteilung der hierin enthaltenen Heizkosten erfolgte zu 30 % als Grundkosten und zu 70 % nach Verbrauch. Die Klägerin hat beantragt, den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung insoweit für ungültig zu erklären, als die Hausgeldabrechnungen für sie für das Jahr 2014 genehmigt worden sind. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Berufung der übrigen Wohnungseigentümer ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht meint, die der Klägerin erteilten Jahreseinzelabrechnungen für 2014 entsprächen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil die verbrauchsabhängige Umlage der Heizkosten zu einer Verteilung führe, die keinen nachvollziehbaren Bezug zu dem tatsächlichen Nutzerverhalten aufweise. Die Rohrleitungen in den Wohnungen gäben aufgrund der fehlenden Dämmung Wärme ab und trügen somit zur Beheizung der Räume bei. Das führe dazu, dass ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs von den Heizkostenverteilern nicht erfasst werde. Eine Verteilungsgerechtigkeit könne nur durch eine Bestimmung des Wärmeverbrauchs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV herbeigeführt werden. Zwar sei die Vorschrift nicht unmittelbar anwendbar, weil die Verteilleitungen innerhalb der Wohnungen nicht frei, sondern unter Putz lägen. Die Vorschrift sei aber analog anwendbar. Es sei technisch unerheblich, ob die Leitungen, die Wärme abgeben, frei lägen oder unter Putz bzw. im Estrich verliefen. In beiden Fällen komme es zu einer Verzerrung der Erfassungswerte. So sei es auch hier. Die erfassten Verbrauchswärmeanteile hätten nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens in den Jahren 2010 bis 2013 fast immer unter dem Grenzwert der Richtlinie VDI 2077 von 34 % gelegen, und zwar überwiegend im Bereich unter 20 %, teilweise auch unter 12 bis 14 %. Seither habe sich an der Situation der Beheizung nichts geändert. Das den Wohnungseigentümern eingeräumte Ermessen sei hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendung eines Korrekturverfahrens deshalb auf Null reduziert.

Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidung

Die Revision hat Erfolg.

Das Berufungsurteil könne keinen Bestand haben, weil die Klägerin mit der Beschlussanfechtungsklage gegen die Jahresabrechnungen 2014 nicht eine von der Teilungserklärung und der Beschlusslage der Wohnungseigentümer abweichende Verteilung der Heizkosten erreichen könne. Im Ausgangspunkt zutreffend gehe das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass allein eine den Anforderungen der Heizkostenverordnung genügende Abrechnung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Dies gelte unabhängig davon, ob die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung oder Beschluss abweichende Bestimmungen getroffen haben, da sich die Verpflichtung, nach den Vorschriften der Heizkostenverordnung abzurechnen, unmittelbar aus § 3 Satz 1 HeizkostenV ergebe, der die Anwendung der Vorschriften der Heizkostenverordnung im Verhältnis der Wohnungseigentümer vorschreibe.

Das Berufungsgericht verkenne jedoch, dass die Heizkosten in den Jahresabrechnungen 2014 richtigerweise nach dem von den Wohnungseigentümern beschlossenen Verteilungsschlüssel umgelegt worden seien. Die Heizkostenverordnung gebe kein festes Abrechnungssystem vor, sondern nur einen Rahmen (vgl. §§ 4, 5, 7, 8 HeizkostenV). Dieser Rahmen müsse von den Wohnungseigentümern durch Vereinbarung oder Beschluss ausgefüllt werden, bevor eine Abrechnung nach der Heizkostenverordnung möglich sei. Diese Entscheidung über die Ausfüllung des von der Heizkostenverordnung vorgegebenen Rahmens betreffe die Frage, wie die Wohnungseigentümer die vorgeschriebene verbrauchsabhängige Abrechnung vornehmen, insbesondere welchen der möglichen Verteilungsmaßstäbe sie wählen. Insoweit bedürfe es für eine Abrechnung auf der Grundlage der Heizkostenverordnung einer Regelung durch die Wohnungseigentümer.

Die Wohnungseigentümer haben hier diesen Rahmen ausgefüllt und eine Verteilung der Heizkosten zu 70 % nach Verbrauch und zu 30 % als Grundkosten beschlossen. Dieser Beschluss ist nicht nichtig, sondern entspreche § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV, wonach von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage mindestens 50 vom Hundert, höchstens 70 vom Hundert, nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen sind. Auf der Grundlage des Beschlusses der Wohnungseigentümer seien deshalb die Heizkosten in den Jahresabrechnungen umzulegen. Eine Änderung des von der Wohnungseigentümergemeinschaft gewählten, der Heizkostenverordnung entsprechenden Kostenverteilungsschlüssels könne nicht inzident mit dem Beschluss über die Jahresabrechnung erfolgen. Eine solche Änderung des Verteilungsschlüssels im Rahmen der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung sei auch nicht sinnvoll, weil der Beschluss keine Rechtswirkungen für künftige Abrechnungszeiträume entfalten könne und sich die Frage nach der Verteilung der Heizkosten immer wieder neu stellen würde. Der Sonderrechtsnachfolger sei ebenfalls an einen solchen Beschluss nicht gebunden (§ 10 Abs. 4 WEG).

Anders sei es nur, wenn die Heizkostenverordnung zwingend eine von dem beschlossenen Verteilungsschlüssel abweichende Verteilung der Kosten vorschriebe. In diesem Fall gingen die Vorgaben der Verordnung vor (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 2 HeizkostenV), und zwar mit der Folge, dass die Jahresabrechnung zumindest anfechtbar wäre. So liege es hier aber nicht.

Anders als das Berufungsgericht meint, müsse der Wärmeverbrauch der einzelnen Wohnungen nicht in Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV bestimmt werden. Die Vorschrift, nach der der erfasste Wärmeverbrauch der Nutzer in den Fällen der sog. Rohrwärmeabgabe nach den anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden könne, wenn es sich um Gebäude handle, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt seien und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst werde, sei weder direkt noch analog anwendbar. Sie gelte in gleicher Weise für das Wohnungseigentumsrecht. § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV sei auch im Wohnungseigentumsrecht auf überwiegend ungedämmte, aber nicht freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung nicht analog anwendbar.

Ebensowenig haben die Kosten in Anwendung von § 9a Abs. 1 und 2 HeizkostenV verteilt werden müssen. Die Vorschrift bestimmte, wie die Heiz- und Warmwasserkosten zu verteilen seien, wenn der Verbrauch für einen Abrechnungszeitraum durch einen Geräteausfall oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden könne. In diesem Fall sei der Verbrauch grundsätzlich auf der Grundlage des Verbrauchs der betroffenen Räume in vergleichbaren Zeiträumen oder des Verbrauchs vergleichbarer anderer Räume im jeweiligen Abrechnungszeitraum oder des Durchschnittsverbrauchs des Gebäudes oder der Nutzergruppe zu ermitteln (§ 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV). Überschreite die von der Verbrauchsermittlung betroffene Wohn- oder Nutzfläche oder der umbaute Raum 25 vom Hundert der für die Kostenverteilung maßgeblichen gesamten Wohn- oder Nutzfläche oder des maßgeblichen gesamten umbauten Raumes, so seien die Kosten des Wärmeverbrauchs ausschließlich nach der Wohn- und Nutzfläche oder nach dem umbauten Raum zu verteilen (§ 9a Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 5 HeizkostenV).

Es liege schon kein Geräteausfall im Sinne dieser Vorschrift vor. Die elektronischen Heizkostenverteiler seien ordnungsgemäß installiert und funktionieren gemäß ihrer Bestimmung. Die geringe Erfassungsrate der abgegebenen Wärme stelle auch keinen anderen zwingenden Grund im Sinne des § 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV dar. Ein „anderer zwingender Grund“ für eine nicht ordnungsgemäße Erfassung des Verbrauchs liege vor, wenn Umstände gegeben seien, die dem Geräteausfall gleichzusetzen seien, weil sie eine rückwirkende Korrektur der Erfassungsmängel ausschließen. Dies sei unter anderem dann der Fall, wenn der am Heizkörper abgelesene Messwert aus zwingenden physikalischen Gründen nicht dem tatsächlichen Verbrauchswert entsprechen könne und damit fehlerhaft sei. So sei es im Fall der Rohrwärmeabgabe nicht. Die Messinstrumente funktionieren fehlerfrei.

Praxishinweis

Der BGH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest (Urteil vom 15.03.2017 - VIII ZR 5/160, BeckRS 2017, 109157), dass § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV auf überwiegend ungedämmte, aber nicht freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung nicht analog anwendbar ist. Für den – wie hier - vorliegenden Fall, wenn die Rohre nicht freiliegen, sondern unter Putz verlegt sind, wird dies in der Literatur (Blank in Blank/Börstinghaus, 5. Auflage 2017, § 556a BGB Rn. 7; Serwe ZMR 2018, 11; Wedel ZMR 2017, 720) und Instanzrechtsprechung (LG Landau, Urteil vom 18.10.2013 – 3 S 110/12, BeckRS 2015, 12095; AG Bayreuth, Urteil vom 19.08.2014 – 102 C 1359/13, BeckRS 2014, 23029) anders beurteilt. Für den BGH spricht schon der eindeutige Wortlaut der Vorschrift: die sich unter Putz befindlichen Leitungen sind gerade nicht „freiliegend“ (so auch Lammel ZMR 2017, 711).

Darüber hinaus ist der Wohnungseigentümer, der durch den von den Wohnungseigentümern gewählten Kostenverteilungsschlüssel aufgrund der nicht erfassten Rohrwärme benachteiligt wird, nicht schutzlos: Zum einen steht ihm die Möglichkeit offen, die anderen Wohnungseigentümer mit der Verteilung der Heizkosten zu befassen und einen Beschluss nach § 16 Abs. 3 WEG über einen anderen Verteilungsmaßstab herbeiführen, etwa in Form von 50% Verbrauchskosten zu 50% Grundkosten (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV). Der Wohnungseigentümer kann ggf. auch das Ergreifen technischer Maßnahmen verlangen, wie das Absenken der Vorlauftemperatur (vgl. Wall WuM 2009, 221, 222) oder die Anbringung von für die Erfassung der Rohrwärme geeigneteren Messgeräten (vgl. Schmidt-Zehelein in Münchner Kommentar, 7. Auflage, § 5 HeizKV Rn. 3)

Redaktion beck-aktuell, 27. März 2020.