LG Köln: Bemessungsgrundlage einer Nutzungsentschädigung

BGB §§ 307 II Nr. 1, 546a I

1. Heißt es in einer Auftragsbestätigung für die Anmietung von Monteurzimmern, die zugleich Rechnung ist, der in Rechnung gestellte Betrag sei ein Sonderpreis für den Fall pünktlicher Zahlung, andernfalls sei ein etwa dreimal so hoher Normalpreis zu zahlen, so handelt es sich rechtlich um eine Vertragsstrafe für den Fall unpünktlicher Zahlung.

2. Diese Vertragsstrafe ist nicht Teil der Bemessungsgrundlage einer Nutzungsentschädigung wegen verspäteter Rückgabe des Mietobjekts gemäß § 546a Abs. 1 BGB.

3. Allgemeine Geschäftsbedingungen, wonach die Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGGB bis zur Neuvermietung des Objekts zu zahlen sei, sind unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sind.

LG Köln, Urteil vom 28.03.2019 - 2 O 272/18, BeckRS 2019, 28873

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 25/2019 vom 19.12.2019

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Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Vermietung für Monteurzimmer. Die Beklagte ist ein Personaldienstleistungsunternehmen. Mit Schreiben vom 08.09.2017 bestätigte die Klägerin der Beklagten die Buchung von 7 Zimmern für 20 Personen in noch nicht festgelegten Wohnungen für die Zeit vom 20.09.2017 bis zum 20.03.2018. Als Miete wurden 11 EUR pro Person und Nacht vereinbart.

Die Klägerin übersandte der Beklagten per E-Mail die Auftragsbestätigung, die zugleich Rechnung für die ersten 30 Tage ist und hierfür eine Gesamtmiete von 6.600 EUR netto ausweist.

Darin heißt es auch:

„Sonderpreis statt 35 Euro pro Mann und Tag wegen fristgerechter Zahlung der Miete im Voraus, auch bei einer Verlängerung, ohne Kautionszahlung“

Am Ende der Mail sind die Kontaktdaten der Klägerin aufgeführt. Darunter ist zu lesen:

„An- und Vermietungen sowie An- und Verkäufe erfolgen immer auf Basis unserer AGB“.

In den AGB der Klägerin heißt es in Ziffer 4.1. im letzten Absatz, der Auszug und die Schlüsselrückgabe müssten bis spätestens um 11 Uhr am letzten gebuchten Tag erfolgen. Sollte diese Frist überschritten werden, berechne man vorbehaltlich weiterer Schadensersatzansprüche mindestens 40 EUR pro Tag und Person bis zu dem Tag, an dem man die Wohnung neu vermieten könne.

Die Beklagte zahlte die Miete für die beiden Wohnungen der Klägerin bis zum 20.03.2018 im Voraus. Anfang März 2018 kam es zwischen den Parteien zum Streit. Die Beklagte ließ am 01.03.2018 auf eigene Kosten die Schlösser der beiden damals gemieteten Wohnungen austauschen. Am folgenden Tag rügte die Beklagte, dass in beiden Wohnungen der Strom ausgefallen sei. Die Klägerin reagierte mit einer Mail vom 05.03.2018, in der sie diverse Lösungsmöglichkeiten vorschlug. Die Beklagte antwortete mit Mail vom 06.03.2018, dass ihre Mitarbeiter nun auszögen. Mit Rechnung vom gleichen Tag verlangte sie von der Klägerin Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 2.513,32 EUR brutto, nämlich für die Kosten des Schlüsseldiensts (225,06 EUR netto) sowie für die angebliche Anmietung von zwei Ersatzwohnungen in der Zeit vom 06.03.2018 bis zum 20.03.2018 (1.887,14 EUR netto). Die Beklagte übersandte die Wohnungsschlüssel erst am 17.04.2018 an die Klägerin.

Mit der Klage verlangt die Klägerin eine Nutzungsentschädigung für die Zeit jedenfalls vom 20.03.2018 bis zum 17.04.2018. Die Klägerin macht für diesen Zeitraum 80 EUR pro Nacht und Zimmer geltend und rechnet hierfür 11.984 EUR aus. Sie meint, dies sei kulant, denn sie könne gemäß § 546a Abs. 1 BGB die Fortzahlung der vereinbarten Miete verlangen. Diese betrage 35 EUR pro Person und Nacht, da nur bei fristgerechter Zahlung der „Sonderpreis“ von 11 EUR gelte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, in zwei Wohnungen sei Anfang März 2018 der Strom ausgefallen. Es habe kein Kurzschluss vorgelegen. Der Sicherungskasten sei in Ordnung gewesen. Die Schlösser seien am 01.03.2018 verklebt gewesen und dadurch unbrauchbar geworden. Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.513,32 EUR brutto für die Anmietung von Ersatzwohnungen und den Austausch der Schlösser.

Entscheidung

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte aus § 546a Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit bis zum 17.04.2018 i.H.v. 5.301,45 EUR wegen verspäteter Rückgabe.

Das Mietende sei für den 20.03.2018 vereinbart gewesen. Die Beklagte habe die Wohnungen jedenfalls nicht vor dem 17.04.2018 zurückgegeben, als sie der Klägerin die Schlüssel übersandte. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, das Mietverhältnis Anfang März 2018 fristlos zu kündigen, weil der Strom ausfiel und die Klägerin nicht zeitnah reagiert habe. Denn auch in diesem Fall hätte sie die Verpflichtung zur Rückgabe gehabt, die sie aber vor dem genannten Tag nicht erfüllt habe. Allerdings sei die Miete für den genannten Zeitraum (27 Tage) nicht in der von der Klägerin verlangten Höhe anzusetzen. Vertraglich vereinbart seien 11 EUR pro Person gewesen, bei 15 Personen also 165 EUR. Das mache für den gesamten Zeitraum 4.455 EUR netto (5.301,45 EUR brutto).

Die Differenz zwischen dem „Sonderpreis“ und der verlangten Miete sei eine Vertragsstrafe für den Fall nicht pünktlicher Zahlung der Miete und daher nicht Teil der Bemessungsgrundlage des § 546a Abs. 1 BGB. Es handle sich hingegen nicht um einen Nachlass, der (nur) im Falle pünktlicher Zahlung gewährt wird. Dies folge schon daraus, dass die Klägerin nie Rechnungen über den - von ihr so angesehenen - „Normalpreis“ gestellt habe. Vielmehr habe sie die „Auftragsbestätigung“ vom 08.09.2017 zugleich als Rechnung deklariert und in dieser den „Sonderpreis“ ausgewiesen, obwohl damals ungewiss gewesen sei, ob die Beklagte fristgerecht, nämlich bis zum 12.09.2017, zahlen würde. Auch aus wirtschaftlichen Gründen könne die Wertung der Klägerin als Preisnachlass nicht zutreffen. Soweit sie behaupte, die ortsübliche Miete betrage 35 € pro Person und Nacht, sei dies offensichtlich unwahr. Wäre die ortsübliche Miete so hoch, dann wäre die Klägerin nicht bereit, einen Vertrag zu knapp einem Drittel dieses Preises zu schließen. Die pünktliche Vorauszahlung der Miete allein sei dafür kein hinreichender wirtschaftlicher Grund. Die Klägerin müsse, wenn ihr Vortrag zur Höhe der ortsüblichen Miete zuträfe, im eigenen wirtschaftlichen Interesse geradezu darauf hoffen, dass die Zahlungen unpünktlich erfolgen, da nur so die ortsübliche Miete erzielt werden könne.

Ein darüberhinausgehender Anspruch stehe der Klägerin auch nicht aus ihren AGB zu, in denen festgelegt sei, dass bei verspäteter Rückgabe 40 € pro Tag und Person gezahlt werden müssten, und zwar bis zu dem Tag, an dem das Mietobjekt erneut vermietet werde. Bei dieser Klausel handle es sich um eine Vertragsstrafe, die indes gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken des § 546a Abs. 1 BGB, von dem sie abweiche, nicht zu vereinbaren sei. Diese Vorschrift gewähre eine Nutzungsentschädigung nur bis zur (verspäteten) Rückgabe und nicht bis zur Neuvermietung.

Die Hilfsaufrechnung der Beklagten habe nur in Höhe der Kosten des Schlüsseldienstes (225,06 EUR netto) Erfolg. Es sei unstreitig, dass die Schlösser verklebt und damit defekt gewesen waren. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz folge aus § 536a Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung des Bestands der Mietsache erforderlich gewesen sei. Der Aufwendungsersatzanspruch beschränke sich auf den Nettobetrag, da die Beklagte zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Hingegen bestehe kein Anspruch der Beklagten auf Ersatz der Kosten für die angeblich angemieteten Ersatzwohnungen im Zeitraum 06.03.2018 bis 20.03.2018 (1.887,14 € netto). Es könne dahinstehen, ob die von der Klägerin gemieteten Wohnungen ohne Strom gewesen seien, ohne dass dies auf einem von Leuten der Beklagten verursachten Kurzschluss beruhe. Denn die Beklagte habe der Klägerin nicht die Abhilfe ermöglicht. Sie hätte die Klägerin nicht darauf verweisen dürfen, die Wohnungen erst ab 15 Uhr zur Fehlersuche und -behebung aufzusuchen.

Praxishinweis

Mit guter Argumentation bewertet das LG Köln die vorliegende AGB-Klausel als Regelung einer Vertragsstrafe und entscheidet folgerichtig, dass sie gegen den wesentlichen Grundgedanken des § 546a Abs. 1 BGB verstößt und damit nicht als Bewertungsgrundlage für die Bemessung der Nutzungsentschädigung herangezogen werden kann.

Gem. § 546a Abs. 1 BGB kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete verlangen. Von einer Vorenthaltung ist solange auszugehen, bis der Mieter dem Vermieter den vollständigen Besitz an den Räumen verschafft. Dazu gehört, dass der Mieter sämtliches Zubehör einschließlich der erhaltenen Haus- und Wohnungsschlüssel an den Vermieter zurückgibt. Behält der Mieter die Schlüssel zurück, ist die Rückgabepflicht nicht erfüllt (BGH, Urteil vom 10.01.1983 - VIII ZR 304/81, NJW 1983, 1049). Dem Vermieter sind grundsätzlich sämtliche Schlüssel zurückzugeben (OLG Köln, Urteil vom 27.01.2006 - 1 U 6/05, BeckRS 2006, 05624), sogar die selbst angefertigten Nachschlüssel (OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.03.1995 – 24 U 163/94, NJW-RR 1996, 209), da andernfalls der Mieter wegen der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit zumindest Mitbesitzer des Objekts bleibt, was einer Rückgabe im Sinne des § 546 BGB entgegen steht.

In einem Wohnraummietvertrag ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe schon gemäß § 555 BGB unwirksam. Ein solcher liegt hier nicht vor, denn Mieter war das Personaldienstleistungsunternehmen und nicht deren Mitarbeiter persönlich, so dass Räumlichkeiten angemietet wurden, um sie Mitarbeitern als Wohnung zu überlassen (Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 535 BGB Rn. 94; ähnlich BGH, Urteil vom 11.02.1981 - VIII ZR 323/79, NJW 1981, 1377, wenn die Mieträume vom mietenden Unternehmen an die Mitarbeiter weiter(unter)vermietet werden).

Redaktion beck-aktuell, 20. Dezember 2019.