Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 23/2019 vom 21.11.2019
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de.
Sachverhalt
Die Parteien waren über einen im Jahr 2010 geschlossenen Gewerbemietvertrag über ein Ladenlokal verbunden. Die Beklagte zu 1., deren Gesellschafterinnen die Beklagten zu 2. und 3. sind, betrieben darin entsprechend dem vereinbarten Mietzweck ein Geschäft für Accessoires. Die Monatsmiete betrug insgesamt 1.681,86 EUR.
Auf dem Dach des Hauses befindet sich eine Lüftungsanlage, die mit einem sog. Kalt-Wasser-Aufsatz verbunden ist. Dieser sorgt dafür, dass gekühlte Luft in die Mieteinheiten geleitet werden kann. Ab Mai 2016 traten Störungen in der Lüftungsanlage auf. Es wurde zwar noch Luft zugeführt, diese aber nicht mehr gekühlt. Der Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung ist zwischen den Parteien im Streit.
Die Beklagten teilten dem Kläger mit, sie würden rückwirkend für die Monate Juni und Juli die Ladenmiete um 30 % kürzen und diesen Betrag mit der Augustmiete in Anrechnung bringen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.09.2016 forderten sie den Kläger unter Fristsetzung auf, den Defekt an der Lüftungsanlage zu beseitigen, und gaben an, dass eine Minderungsquote von 35 % der monatlichen Bruttomiete gerechtfertigt sei. Des Weiteren verwiesen sie auf ein Recht zur Ersatzvornahme.
In den Monaten Mai bis einschließlich Juli 2016 zahlten die Beklagten 1.681,52 EUR je Monat. Für die Augustmiete zahlten sie lediglich 1.275,75 EUR, für September lediglich 1.478,63 EUR. Für Oktober 2016 leisteten sie keine Zahlungen. Für die Novembermiete zahlten sie 860,90 EUR und für die Dezembermiete 1.080,81 EUR.
Am 05.04.2017 wurde die Lüftungsanlage erneuert.
Mit Schreiben vom 09.06.2017 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit der Beklagten zu 1. fristlos und forderte sie auf, die Räumlichkeiten spätestens bis zum 30.06.2017 an ihn herauszugeben. Weiterhin wurden die Beklagten aufgefordert, binnen derselben Frist Anwaltskosten i.H.v. 1.430,38 EUR zu zahlen. Die Beklagten wiesen die Kündigung und die Zahlungsaufforderung als unbegründet zurück und vertraten die Auffassung, sie seien zur Mietminderung in der geltend gemachten Höhe berechtigt gewesen. Die Lüftungsanlage habe seit Mai 2016 nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert. Seit Mai/Juni 2016 bis Ende September 2016 habe die Innentemperatur durchgängig zwischen 26 und 42 Grad C gelegen. Dadurch sei das Mietobjekt nur eingeschränkt nutzbar gewesen, am 13.06.2016 und 13.09.2016 hätten sie wegen der großen Hitzeentwicklung das Geschäft schließen müssen.
Der auf Räumung und Herausgabe sowie Zahlung der ausstehenden Mieten und Anwaltskosten gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung.
Entscheidung
Die Berufung der Beklagten hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Das Landgericht habe den Zahlungsanträgen und dem Räumungsanspruch zutreffend stattgegeben; die Berufung sei zurückzuweisen.
Hinsichtlich einer zu beurteilenden Minderung könne hier lediglich auf die Monate August und September 2016 abgestellt werden. In den Monaten Mai 2016, Juni 2016 und Juli 2016 habe die Beklagte zu 1. die Miete ohne Vorbehalte gezahlt.
Eine Minderung in den Monaten Oktober bis Dezember 2016 scheide aus, denn eine solche könne sich nur auf die Zeiträume beziehen, die von der Gebrauchsbeeinträchtigung betroffen sind. Wirke sich ein Mangel nur periodisch auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aus, sei der Mietzins auch nur in diesem Zeitraum kraft Gesetzes herabgesetzt. Dass indes seit Oktober 2016 bis zum Jahresende die Gebrauchstauglichkeit einschränkende Temperaturen in dem Mietobjekt herrschten, trage die Beklagte nicht vor, denn sie nenne stets einen Zeitraum bis einschließlich September 2016. Infolgedessen minderten sich die Mieten in den Monaten Oktober einschließlich Dezember 2016 nicht.
Abzustellen sei somit allein darauf, ob in den Monaten August und September 2016 die Gebrauchstauglichkeit durch Wärmeeinwirkungen, welche durch die mietvertraglich vereinbarte, jedoch defekte Belüftungsanlage nicht vermindert werden konnten, nicht nur unerheblich eingeschränkt gewesen sei (§ 536 Abs. 1 BGB).
Welche Anforderungen an einen Vermieter in Bezug auf die Raumtemperatur des Mietobjekts zu stellen seien, könne offengelassen werden, denn die Beklagte zu 1. habe die Beeinträchtigung des Gebrauchs jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht nicht substantiiert dargelegt. Hierfür bedürfe es der konkreten Darlegung des Mieters, an welchen Tagen Temperaturverhältnisse herrschten, die auf einen Mangel der Mieträume zurückzuführen sind. Dazu genüge weder die pauschale Behauptung, in dem Zeitraum von „Mai bis September 2016“ habe die Innentemperatur „bei 30 bis über 40 Grad gelegen“ noch die Temperaturerhöhungen seien durchgehend gewesen. Nicht jeder Sommer verlaufe gleich warm und sonnig und das Klima sei auch in insgesamt warmen Sommern nicht an jedem Tag gleich. Deshalb bedürfe es präziser Angaben über die konkreten Raumtemperaturen und der damit korrespondierenden Außentemperaturen, jedenfalls soweit ein Mangel aus dem Nichteinhalten eines Abstands zwischen Außen- und Innentemperatur hergeleitet werden soll.
Nach Auffassung des Senats müssen die Außentemperaturen in allen Fällen beachtet werden. Die Innentemperaturen allein seien für die Annahme, ob ein Mangel vorliegt oder nicht, nicht aussagekräftig. Insbesondere im Hinblick auf die Klimaerwärmung und der insoweit festgestellten und auch zukünftig prognostizierten Erhöhungen der Temperaturen würde das Risiko einer Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit allein dem Vermieter überbürdet. Selbst bei einem dem Stand der Technik entsprechenden Gebäude können sich bei hohen Außentemperaturen auch die Innentemperaturen auf mehr als 26 Grad erhöhen. Bedenke man, dass im Juli 2019 an mehreren Orten in Deutschland Temperaturen von mehr als 40 Grad erreicht wurden, so dränge sich geradezu auf, dass den Außentemperaturen ein erhebliches Gewicht beizumessen sei. Sei wie hier keine Klimatisierung durch eine Klimaanlage mietvertraglich vereinbart, bei welcher die Temperatur gradgenau eingestellt werden könne, sondern bestehe lediglich eine Luftkühlung durch einen sog. Kalt-Wasser-Aufsatz oder eine vergleichbare Einrichtung, so lasse sich bei entsprechenden Außentemperaturen eine Erhöhung auf über 26 Grad kaum vermeiden. Entsprechendes gelte, wenn eine Klimaanlage eingebaut wurde, welche bei exorbitanten und ungewöhnlich hohen Außentemperaturen eine niedrigere Temperatur als 26 Grad nicht zu erreichen vermag. Hier sei zudem zu beachten, dass der Beklagten zu 1. bei Abschluss des Mietvertrages die großen Schaufensterfronten in Süd- bzw. Südwestlage bekannt waren sowie der Umstand, dass durch diese keine Belüftung erfolgen konnten. Sie haben demgemäß damit rechnen müssen, dass sich bei Sonneneinstrahlung die Innenräume stark aufheizen können. Das Landgericht habe deshalb zu Recht beanstandet, dass die Beklagten zu den Außentemperaturen nichts Konkretes vorgetragen haben. Ihr Vorbringen erschöpfe sich im Wesentlichen in dem Verweis auf das erstellte Temperaturprotokoll mit der alleinigen Angabe von Innentemperaturen und mehreren Lichtbildern von Thermometern, von denen auch völlig unklar sei, wo sie positioniert wurden und an welchen Tagen die Fotos überhaupt erstellt worden sind.
Praxishinweis
Das OLG Düsseldorf lässt mehrere Fragen offen.
Die Frage, welche Anforderungen an einen Vermieter in Bezug auf die Raumtemperatur des Mietobjekts zu stellen seien, wird unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird auf die Arbeitsstättenverordnung, die Arbeitsstätten-Richtlinie und die DIN 1946 (betreffend Anforderungen an die Klimatisierung von Räumen) zurückgegriffen, wonach ein Mangel vorliegen soll, wenn die Innentemperaturen eine „Wohlfühltemperatur“ von 26° übersteige bzw. bei Außentemperaturen von über 32 Grad C die Innentemperatur nicht 6 Grad C unter der Außentemperatur liegen soll (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.06.1998 – 24 U 194/96, NZM 1998, 915; OLG Rostock, Urteil vom 29.12.2000 – 3 U 83/98, NZM 2001, 425). Andere meinen, dass die Hitze durch Sonneneinstrahlung in nicht baurechtswidrigen Gebäuden allgemeines Lebensrisiko des Mieters sei (OLG Frankfurt, Urteil vom 19.01.2007 – 2 U 106/06, NZM 2007, 330). Letztere Ansicht überzeugt: Zwar scheidet nach allgemeinen Grundsätzen ein Mangel der Mietsache noch nicht deshalb aus, weil das Baurecht eingehalten ist (BGH, Urteil vom 07.06.2010 – VIII ZR 85/09, NJW 2010, 3088), die technischen Normen haben jedoch in beide Richtungen Indizwert. Werden sie eingehalten, liegt es nahe, dass mangels anderer Vereinbarungen ein Mangel nicht vorliegt (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage 2009, Kap. VIII, Rn. 41, 42; KG, Urteil vom 05.03.2012 – 8 U 48/11, MDR 2012, 756).
Welche Anforderungen an den Mieter hinsichtlich seiner Darlegungs- und Beweislast in Bezug einen Mangel aufgrund zu hoher Raumtemperaturen zu stellen sind, konnte das OLG ebenfalls offenlassen, da der Mieter keine Aufzeichnungen zu den konkreten Außentemperaturen vorgenommen hatte, ein Mangel jedoch aus dem Nichteinhalten eines Abstands zwischen Außen- und Innentemperatur hergeleitet werden sollte.
Teilweise wird vertreten, dass der Mieter ein „tagebuchartiges Wärmeprotokoll“ führen muss, bei dem die Außentemperatur und die Temperatur in jedem einzelnen Zimmer an bestimmten Messpunkten zu verschiedenen, festgelegten Tageszeiten vermerkt ist (vgl. Seldeneck/Wichert/Fallak, Gewerbemiete, 5. Auflage 2013, Kap. 151, Rn. 6). Dies ist zwar sinnvoll, geht aber zu weit. Es genügt bereits, wie der BGH zur Darlegungslast aufgrund einer Lärmbeeinträchtigung entschieden hat (Urteil vom 29.02.2012 - VIII ZR 155/11, NZM 2012, 381), eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer welche Innen- und Außentemperaturen aufgetreten sind.
Diese Grundsätze gelten auch für Wohnraummietverhältnisse.