AG Dortmund: Mietminderung bei fehlendem Fernsehempfang

BGB §§ 535 I, 536 I

1. Hat der Vermieter im Mietvertrag die Versorgung der Wohnung mit „Hör- und Sehfunk“ übernommen, stellt die Einstellung der Versorgung und der Verweis auf die Möglichkeit, individuelle Versorgungsverträge mit einem Kabelversorger abzuschließen, einen Mangel der Wohnung dar.

2. Die Miete mindert sich in diesem Fall um 10 %.

AG Dortmund, Urteil vom 08.10.2019 - 425 C 5770/19, BeckRS 2019, 24300

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 22/2019 vom 07.11.2019

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Sachverhalt

Die 97 Jahre alte Klägerin hat von einer Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Wohnung gemietet. Unter Ziffer 1 dieses Mietvertrages heißt es auszugsweise wörtlich:

„Das Haus ist mit folgenden Gemeinschaftseinrichtungen ausgestattet:

 - Zentralheizung,

 - Antenne für Hör- und Sehfunk, 1. 2. 3. Programm“.

Inzwischen ist die Beklagte die Vermieterin der Wohnung. Die Beklagte hat das Gebäude in Wohnungseigentum umgewandelt. Die Fernsehversorgung wird nunmehr durch die Firma Unitymedia zur Verfügung gestellt. Die übrigen Eigentümer/Mieter im Hause haben jeweils eigene Verträge mit Unitymedia zur Versorgung mit dem Fernsehprogramm abgeschlossen. Die Klägerin hat dies nicht getan. Eine Versorgung der Wohnung mit DVB-T2 ist nicht möglich, da das Gebäude nicht in einem entsprechenden Empfangsbereich liegt.

Die Klägerin begehrt Mängelbeseitigung durch Herstellung eines Fernsehanschlusses, der den Empfang des ersten, zweiten und der dritten Programme durch Installation einer dafür ausgelegten Antenne ermöglicht sowie Feststellung, berechtigt zu sein, ab dem 01.03.2019 die Miete i.H.v. 10 % zu mindern, bis der Empfang wieder möglich ist.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung mit der Begründung, durch die technische Entwicklung und den technischen Wandel sei es der Klägerin zumutbar, selbst für die Fernsehversorgung zu sorgen. Immerhin stamme der Mietvertrag aus einer Zeit vor dem Mauerfall.

Entscheidung

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin stehe gemäß § 535 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 des Mietvertrages vom 01.06.1974 ein Anspruch gegenüber der Beklagten auf Versorgung mit Hör- und Sehfunk des ersten, zweiten und des - lokalen - dritten Programms zu.

Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der Anspruch nicht bereits deshalb besteht, weil die Wohnung zum Zeitpunkt der Anmietung mit einem Fernsehanschluss ausgestattet war und die Beklagte schon deshalb die Versorgung mit Fernsehprogrammen schulde, zumindest habe die Klägerin aufgrund der Vereinbarung im Mietvertrag einen Leistungsanspruch gegen die Beklagte.

Die Vereinbarung im Mietvertrag sei eindeutig. Danach schulde der Vermieter die Versorgung mit Hör- und Sehfunk. Dass heute diese Begrifflichkeiten so nicht mehr benutzt werden, sei dabei unerheblich. Entscheidend sei das Gewollte.

Anders als die Beklagte meine, sei diese vertragliche Verpflichtung, deren ursprünglichen Bestand die Beklagte selbst nicht bestreite, nicht nachträglich nach § 313 BGB entfallen. Es stelle sich schon die Frage, was hier die Geschäftsgrundlage des Vertrages gewesen sein soll, die weggefallen sei. Mit dem Mauerfall, wie die Beklagte meine, habe dies zumindest in den alten Bundesländern nichts zu tun. Auch die Tatsache, dass man heute sprachlich nicht mehr von „Hör- und Sehfunk“ spreche, ändere nichts daran. Die Programme werden heute auch noch ausgestrahlt. Dass sich die technischen Rahmenbedingungen geändert haben, ändere daran aber nichts. Dem Vermieter sei es ohne Weiteres möglich, die Wohnung mit diesen Sendern zu versorgen.

Auch die Tatsache, dass heute häufig die Versorgung von den Mietern selbst durch Individualverträge geregelt werde, ändere nichts an der vorliegend vereinbarten Regelung. Das Risiko der technischen Veränderung falle einseitig in den Risikobereich der Vermieterin.

Die Miete sei gemäß § 536 Abs. 1 BGB wegen der fehlenden Möglichkeit des Empfangs der drei Fernsehprogramme und des Radioprogramms um 10 % gemindert. Dabei sei berücksichtigt, dass von breiten Bevölkerungsschichten der Fernsehkonsum zu einer Hauptbeschäftigung in der Wohnung zähle. Der Gebrauch der Wohnung sei deshalb bei fehlender Fernsehversorgung erheblich eingeschränkt.

Praxishinweis

Das Amtsgericht konnte vorliegend die Frage offenlassen, ob der Anspruch der Mieterin bereits deshalb besteht, weil die Wohnung schon zu Beginn des Mietverhältnisses mit einem entsprechenden Fernsehanschluss ausgestattet war (BGH, Urteil vom 05.12.2018 - VIII ZR 17/18, NZM 2019, 140, besprochen in FD-MietR 2019, 413399); erst recht konnte es die Frage offenlassen, ob ein funktionierender Fernsehanschluss schon unter dem Gesichtspunkt eines nach der Verkehrsanschauung geschuldeten Mindeststandards zeitgemäßer Wohnnutzung geschuldet ist (so zur Stromversorgung BGH, Urteil vom 26.07.2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174), da es vorliegend eine eindeutige vertragliche Regelung gab.

Die Minderung in Höhe von 10 % ist auf den ersten Blick etwas hoch. Das AG Schöneberg (Urteil vom 08.12.1987 – 12 C 354/87, GE 1988, 361) hat im Jahr 1988, dem Mieter eine 10%-Minderung bereits für „schlechtem Fernsehempfang“ zugesprochen. Das LG Berlin sechs Jahre später (Urteil vom 12.04.1994 – 63 S 439/93, MM 1994, 396) für „Störung des Fernsehempfangs“ nur 5 %. Mit der vom AG vorliegend vorgenommenen Begründung, ist aber auch heute noch eine 10%-Minderung vertretbar; dies dürfte sich in Anbetracht der stets zunehmenden Möglichkeiten, Fernsehprogramme über das Internet zu empfangen, in Zukunft ändern.

Redaktion beck-aktuell, 7. November 2019.