LG Freiburg: Kündigung eines Mietvertrages wegen fehlender Mitwirkung bei Wartungsterminen und Erstattung einer Strafanzeige

BGB §§ 543, 573

1. Zur Frage, wann missglückte Termine für die Wartung/Überprüfung von Rauchmeldern eine Kündigung rechtfertigen.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Strafanzeige gegen vertretungsberechtigte Organe einer Gesellschaft eine Kündigung rechtfertigen.

LG Freiburg, Beschluss vom 02.05.2019 - 3 S 266/18, BeckRS 2019, 12114

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 14/2019 vom 18.07.2019

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Sachverhalt

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Mietverhältnis durch wirksame Kündigung der klagenden Vermieterin beendet wurde. Die Vermieterin stützt die erste Kündigung darauf, dass die Beklagten gegen ihre mietvertraglichen Pflichten verstoßen haben, indem sie eine Überprüfung des Rauchmelders durch eine Wartungsfirma nicht ermöglicht hätten. Die zweite Kündigung erfolgte aufgrund einer von den Beklagten erstatteten Strafanzeige gegen die Klägerin, die nach ihrer Auffassung eine erhebliche Vertragsverletzung darstellt.

Die Parteien haben den Rechtsstreit durch Vergleich übereinstimmend für erledigt erklärt und dem Gericht die Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO überlassen.

Entscheidung

Aufgrund der summarischen Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands hat das Gericht nach billigem Ermessen entschieden, dass der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen waren, da sie ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre.

Weder die Kündigung vom 02.05.2018 noch die Kündigung vom 11.09.2018 hätten das zwischen den Parteien bestandene Mietverhältnis beendet.

Ein wichtiger Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 1, 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei nicht festgestellt worden. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die Beklagten gegen mietvertragliche Pflichten verstießen, indem sie am 06.02.2018 und am 14.03.2018 eine Überprüfung des Rauchmelders durch die Fa. M nicht ermöglichten. Dem Mietvertrag sei bereits nicht zu entnehmen, dass die Beklagten überhaupt verpflichtet gewesen seien, Mitarbeitern der Fa. M Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren. Das von der Klägerin angeführte Betretungsrecht aus § 18 Ziff. 1 des Mietvertrags stehe „dem Vermieter“, nicht aber von ihm mit der Überprüfung von Rauchmeldern beauftragten Unternehmen zu.

Selbst wenn sich aus dem Mietverhältnis eine vertragliche Nebenpflicht ergebe, eine Überprüfung der Rauchmelder zu ermöglichen, sei kein Pflichtverstoß anzunehmen.

Hinsichtlich des Überprüfungstermins vom 06.02.2019 sei offengeblieben, ob die Beklagten von dem Termin überhaupt Kenntnis hatten. Der als Zeuge vernommene Ablesemonteur H. habe angegeben, dass er den Termin mittels eines Aushangs an den Briefkästen angekündigt habe. Dass die Beklagten Gelegenheit hatten, hiervon Kenntnis zu nehmen, stehe indes nicht fest. Der als Zeuge vernommene Hausmeister des Anwesens V. habe bestätigt, dass der Aushang im Bereich der in den Hinterhof führenden Zwischentür hing. Die Beklagten können, anders als die Mieter der übrigen Wohnungen, aber nicht nur über den Hof, sondern auch über die vordere Hauseingangstür in ihre Wohnung gelangen, wobei sie die Briefkästen der anderen Mieter nicht passieren. Ihr eigener Briefkasten befinde sich ebenfalls an der Vorderseite des Anwesens. Insofern sei der Aushang gerade nicht so angebracht gewesen, dass mit einer Kenntnisnahme der Beklagten zu rechnen gewesen sei. Eine Verpflichtung, in Erwartung der jährlich anstehenden Ablesung im Bereich der nicht zu ihrer Wohnung gehörenden Briefkästen regelmäßig zu überprüfen, ob dort ein Termin angekündigt ist, habe nicht bestanden.

Hinsichtlich des Überprüfungstermins vom 14.03.2018 sei gleichfalls nicht nachgewiesen, dass die Beklagten vorab über die beabsichtigte Überprüfung informiert waren. Der Zeuge M. habe gerade nicht bestätigt, dass er den Beklagten eine Nachricht über den Termin an die Wohnungstür geklebt habe, sondern habe angegeben, er habe einen Zettel mit Bitte um Rückruf zur Terminabsprache hinterlassen. Schließlich fehle es an der gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB erforderlichen Abmahnung. Nachdem sich die Pflichtverletzung der Beklagten auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens auf die Abwesenheit bei zwei Überprüfungsterminen beschränkt habe, hätten die Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB nicht vorgelegen.

Auch für die zweiten Kündigung sei kein wichtiger Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 1 BGB festgestellt worden. Die Erstattung einer Strafanzeige könne eine erhebliche Vertragsverletzung darstellen, wenn die Anzeige auf erfundenen Tatsachen beruhe oder leichtfertig erstattet worden sei oder - soweit die Anzeige auf wahren Tatsachen oder Tatsachen, die der Anzeigeerstatter für wahr hält, beruht - wenn der Anzeigeerstatter nicht zur Wahrung eigener Interessen handle, sondern um dem Angezeigten einen Schaden zuzufügen. Schließlich könne eine Strafanzeige unangemessen sein, wenn der Anzeigeerstatter wahre oder aus seiner Sicht möglicherweise wahre Tatsachen zum Anlass einer Anzeige nehme, dabei zur Wahrung eigener Interessen handle, aber zur Klärung der Streitigkeit der Zivilrechtsweg zur Verfügung stehe und nicht im Einzelfall Anlass für ein Eingreifen der Behörde bestehe. Unter diesen Umständen komme eine Kündigung im Allgemeinen dann nicht in Betracht, wenn der Anzeigeerstatter sorgfältig geprüft habe, ob Anlass zur Anzeige besteht.

Hier habe der Beklagte im Zusammenhang mit dem zum damaligen Zeitpunkt vor dem Amtsgericht Freiburg anhängigen Urkundenprozess Az. 3 C 1864/17 mit Schreiben vom 01.06.2018 Strafanzeige wegen versuchten Prozessbetruges gegen die Mitglieder des Verwaltungsrates der Klägerin erstattet.

Dass die Strafanzeige des Beklagten Ziff. 1 auf erfundenen Tatsachen beruhe oder jedenfalls leichtfertig erstattet worden sei, sei nicht festzustellen.

Soweit die Klägerin behauptet, der Beklagte habe gegenüber der Staatsanwaltschaft N. vorgetragen, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates der Klägerin Staatsangehörige der Schweiz seien, um die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die schweizerische Staatsanwaltschaft zu bewirken und ihre Verwaltungsratsmitglieder hierdurch in der Schweiz zu diskreditieren, hatte sie diese von den Beklagten mit Schriftsatz vom 24.10.2018, dort S. 3 und 4 (AS I 267 f.), bestrittene und auch in der Berufungsinstanz weiterhin streitige (S. 4 und 5 der Berufungserwiderung vom 14.03.2019, AS II 75,77) Behauptung nicht unter Beweis gestellt.

Die Kündigung sei auch nicht deshalb berechtigt, weil der Beklagte die Strafanzeige nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen erstattet hätte, sondern zu dem Zweck, den Verwaltungsräten der Klägerin einen Schaden zuzufügen. Die Anzeigeerstattung sei wegen Prozessbetruges erfolgt und in Zusammenhang mit einem anhängigen Rechtsstreit. Der Beklagte berufe sich mithin auf das Vorliegen einer Straftat, von der er selbst betroffen sei. Dass die Anzeige aus denunziatorischen Motiven erfolgt sei, sei nicht ersichtlich.

Auch sonst ergebe sich nicht, dass die Anzeigeerstattung unangemessen gewesen wäre. Zwar sei das Vorbringen des Beklagten bereits Gegenstand des vor dem Amtsgericht Freiburg anhängigen Urkundenprozesses. Hier sei aber aus Sicht des Beklagten eine gemäß § 708 Nr. 4 ZPO vorläufig vollstreckbare Verurteilung in Höhe der ungeminderten Miete zu befürchten gewesen, da der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung zufolge die vom Beklagten geltend gemachten Mängel im Urkundenprozess nicht zu berücksichtigen seien.

Unter diesen Umständen habe die erfolgte Strafanzeige keine erhebliche Vertragsverletzung im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zu begründen vermocht.

Praxishinweis

Mieter haben grundsätzlich den Einbau von Rauchwarnmeldern, den der Vermieter mit Rücksicht auf eine entsprechende bauordnungsrechtliche Verpflichtung vornimmt, zu dulden; dies gilt selbst dann, wenn der Mieter die Wohnung bereits mit von ihm ausgewählten Rauchwarnmeldern ausgestattet hat (BGH, Urteil vom 17.06.2015 – VIII ZR 290/14, NJW 2015, 2487). Die Weigerung des Mieters, eine Besichtigung zu dulden, kann im Einzelfall eine Kündigung durch den Vermieter rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 05.10.2010 – VIII ZR 221/09, ZMR 2011, 366); denn es stellt eine erhebliche Pflichtverletzung des Mieters i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB dar, wenn er ungerechtfertigt und beharrlich die Besichtigung verweigert (LG Berlin, Urteil vom 02.06.2017 – 63 S 316/16, GE 2017, 1410; LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 08.09.2015 – 2-11 S 172/15, IMR 2018, 443). Da im vorliegenden Fall die Klägerin den Zugang entsprechender Ankündigungsschreiben für einen Besichtigungstermin nicht nachweisen konnte, hat das LG Freiburg zurecht eine Pflichtverletzung, die eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen könnte, verneint.

Wie das Gericht zudem richtig feststellt, mangelte es auch an einer Abmahnung. Eine solche ist auch nur unter besonderen Voraussetzungen entbehrlich, etwa, wenn sie offensichtlich ohne Wirkung wäre. Das LG Konstanz (Urteil vom 08.12.2017 – A 11 S 83/17, WuM 2018, 201) nahm dies z.B. bei einer psychisch kranken Person an, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht einsichtsfähig war.

Auch die Strafanzeige beurteilte das LG Freiburg nicht als erhebliche Vertragsverletzung; bei Fortsetzung des Verfahrens erscheint allerdings ein anderer Ausgang des Verfahrens, da das Gericht wegen des verabsäumten Beweisantritts zur Frage der Staatsbürgerschaft der Beschuldigten diese Frage zulasten der Klägerin beantworten musste. Das LG Freiburg stellt im Übrigen richtig fest, dass dem Verhalten des Angezeigten eine maßgebliche Bedeutung zu. Das Gericht hat zu prüfen, ob die Anzeige im Rahmen der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte erfolgt ist oder ob der Anzeigeerstatter mit der Anzeige eine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt hat (BVerfG, Beschluss vom 02.10.2001 - 1 BvR 1372/01, NZM 2002, 61). Bei der Abwägung der Interessen ist Art 10 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) zu berücksichtigen (Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 543 BGB, Rn. 193). Dies gilt insbesondere, wenn der Anzeigeerstatter mit der Anzeige auf Missstände aufmerksam machen will, deren Beseitigung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. EGMR (V. Sektion), Urteil vom 21.07.2011 − 28274/08 (Heinisch/Deutschland), NJW 2011, 3501).

In Bezug auf die Strafanzeige wegen versuchten Prozessbetruges kann dem LG Freiburg allerdings nicht gefolgt werden, da die Mangelhaftigkeit der Mietsache nicht nur nach Auffassung der Klägerin, sondern auch nach der Rspr. des BGH (Beschluss vom 10.3.1999 – XII ZR 321/97; Vorbehaltsurteil vom 1. 6. 2005 - VIII ZR 216/04 zur Wohnraummiete) und völlig h.M. (s. im Einzelnen Fischer/Günter in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., 2019, Kap. XI Rn 112 ff) erst im Nachverfahren geltend gemacht werden kann. Den sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen kann nicht mit Strafanzeigen begegnet werden, ohne Mietvertragspflichten erheblich zu verletzen.

Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2019.