LG Berlin: Erstmaliges Mieterhöhungsverlangen im Prozess

1. Einem vorgerichtlich nicht zugegangenen Erhöhungsverlangen kann der Mieter (mangels Kenntnis) nicht zustimmen.

2. Der Wortlaut des § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt das Nachhol- bzw. Mängelbehebungsrecht des Vermieters ausdrücklich auf die Einhaltung der in § 558a BGB genannten Formalien; fehlt es an der Abgabe der Erklärung, ist das Nachholen oder die Mängelbehebung nicht möglich.

3. Ein Nachholen des Erhöhungsverlangens setzt ein gänzlich neues Erhöhungsverlangen voraus.

LG Berlin, Urteil vom 28.06.2019 - 65 S 39/19, BeckRS 2019, 13984

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub, Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München und Frankfurt

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 15/2019 vom 01.08.2019

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Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Mieterhöhungsverlangens. Die klagende Vermieterin begehrte vor dem Amtsgericht die Zustimmung zu einer Mieterhöhung gemäß §§ 558 Abs. 1, 558a BGB. Der Mieter behauptet, ihm sei ein Mieterhöhungsverlangen nie zugegangen. Das Amtsgericht hat der Klage in der Annahme stattgegeben, ein zustimmungsbedürftiges Mieterhöhungsverlangen, das nach § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB im Prozess nachgeholt werden könne, sei in der Klageschrift zu sehen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Entscheidung

Mit Erfolg.

Die Klage sei schon als unzulässig abzuweisen. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete aus §§ 558 Abs. 1, 558a BGB. Es fehle der Zugang des Mieterhöhungsverlangens.

Sei dem Mieter kein (wirksames) Erhöhungsverlangen zugegangen, sei die Klage auf Zustimmung zu der vom Mieter begehrten Mieterhöhung unzulässig. Nach § 558b Abs. 2 BGB könne der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung zur Mieterhöhung (erst) klagen, wenn der Mieter nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens der Mieterhöhung zustimmt. Einem vorgerichtlich nicht zugegangenen Erhöhungsverlangen könne der Mieter (mangels Kenntnis) nicht zustimmen. Es werde - als empfangsbedürftige Willenserklärung - gar nicht wirksam, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hinzu komme, dass im Fall des fehlenden Zugangs auch die besonderen Prozessvoraussetzungen des § 558b Abs. 2 BGB nicht gegeben seien.

Dass das Mieterhöhungsverlangen dem Beklagten nicht zugegangen sei, stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht fest. Zweifel an der Richtigkeit der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen und/oder ihrer Vollständigkeit ergeben sich nicht, § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO.

Teilweise werde unter Bezugnahme auf § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB vertreten, dass (auch) der fehlende Zugang eines Mieterhöhungsverlangens vor Klageerhebung im Zustimmungsprozess durch Einreichen eines Schriftsatzes nachgeholt werden könne, der eindeutig erkennen lasse, dass es sich um ein neues Erhöhungsverlangen handle. Übersehen werde dabei, dass die „Heilung“ nach § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB dem Wortlaut der Regelung nach ein der Klage vorausgegangenes Erhöhungsverlangen verlange. Daran fehle es, wenn die Erklärung mangels Zugangs gar nicht abgegeben worden ist, §§ 558a Abs. 1, 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Wortlaut des § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB beschränke das Nachhol- bzw. Mängelbehebungsrecht des Vermieters ausdrücklich auf die Einhaltung der in § 558a BGB genannten Formalien; fehle es an der Abgabe der Erklärung, sei das Nachholen oder die Mängelbehebung nicht möglich.

Dem Wortlaut entsprechen die aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Motive des Gesetzgebers für die sprachliche Neufassung des § 558b Abs. 3 BGB. Klargestellt werden sollte - gegenüber § 2 Abs. 3 Satz 2 MHG, dass die Nachholmöglichkeiten nur dann bestehen, wenn der Zustimmungsklage überhaupt ein in welcher Form auch immer abgegebenes Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen sei. Das Erfordernis eines - wenngleich formunwirksamen - Mieterhöhungsverlangens sollte sicherstellen, dass der Mieter sich in jedem Fall vor einer Klageerhebung auf die begehrte Mieterhöhung und die gegebenenfalls folgende Klage einstellen können solle. Eben diese Möglichkeit habe der Mieter nicht, wenn ihm ein Erhöhungsverlangen nicht zugegangen ist.

Die Klage bleibe jedoch auch dann ohne Erfolg, wenn zugunsten der Klägerin unterstellt werde, dass auch ein nie zugegangenes Mieterhöhungsverlangen nach § 558b Abs. 3 Satz 1 BGB im Prozess nachgeholt werden könne. Das (allein in Betracht kommende) Nachholen des Erhöhungsverlangens setze nach einhelliger Ansicht ein gänzlich neues Erhöhungsverlangen voraus. Der Vermieter könne außerhalb des Klageverfahrens ein neues Zustimmungsverlangen zustellen und schriftsätzlich in den Prozess einführen oder während des Prozesses in einem Schriftsatz erklären. Im letztgenannten Fall sei entscheidend, dass der Schriftsatz für den Mieter (als Erklärungsempfänger) klar und eindeutig erkennen lasse, ob er ein neues materiell-rechtliches Erhöhungsverlangen enthalte oder ob damit nur ein früheres Erhöhungsverlangen weiterverfolgt und durchgesetzt werden solle. Hier ergebe sich nach dem Inhalt der Klageschrift eindeutig, dass die Klägerin lediglich das dem Beklagten nicht zugegangene Mieterhöhungsverlangen vom 28.08.2017 mit der Klage weiterverfolge und durchsetzen wolle. Sie nehme ausdrücklich und ausschließlich auf den Inhalt des Erhöhungsverlangens Bezug, mache (nur) diesen zu ihrem Vortrag im Rechtsstreit. Weitere Erhöhungsverlangen seien nicht erklärt worden.

Praxishinweis

Der Entscheidung ist zuzustimmen.

Fehlt es bereits an einem Zugang eines wirksamen Mieterhöhungsverlangens, wofür der Vermieter beweisbelastet ist (?Duijn/Grüter in: Schach, Mietrecht, 3. Auflage 2016, § 3 Rn. 62 ff), ist die Klage auf Zustimmung zu dieser Mieterhöhung bereits unzulässig (BGH, Urteil vom 13.11.2013 - VIII ZR 413/12, WuM 2014, 33). Eine Heilung eines solchen nicht zugegangenen Mieterhöhungsverlangens – das dann als fehlend anzusehen ist (Weidenkaff in: Palandt, 78. Auflage 2019, § 558b Rn. 19) – ist nicht nach § 558 Abs. 3 Satz 1 BGB möglich. Sie kommt lediglich dann in Betracht, wenn der Klage überhaupt ein Erhöhungsverlangen vorausgegangen ist, also Mängel geheilt werden sollen (Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 558b BGB Rn. 162). Die Nachholung im Rechtsstreit erfordert ein vollständiges neues Mieterhöhungsverlangen (Theesfeld in: BeckOK MietR, 01.06.2019 , § 558b BGB Rn. 76). Bezugnahmen auf das vorherige Mieterhöhungsverlangen sind unzulässig; vielmehr muss das neue Mieterhöhungsverlangen alle erforderlichen Angaben enthalten (LG Potsdam, Urteil vom 20.08.2009 - 11 S 208/08, GE 2009, 1253).

Die Nachholung ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich; dies stellt eine Klageänderung gemäß § 263 ZPO dar. In den Fällen, in denen der Mieter nicht die Zustimmung bestimmt und endgültig auch für den Fall eines wirksamen Erhöhungsverlangens verweigert hat (OLG Celle, Beschluss vom 23.10.1995 - 2 UH 2/95, NJWE-MietR 1996, 73), wäre eine solche Klageänderung allerdings unzulässig. Der geänderten Klage mangelt es nämlich am Ablauf der Zustimmungsfrist (§ 558b Abs. 2 Satz 1 BGB), die Voraussetzung für die Zustimmungsklage ist, da die Frist neu begonnen hat (LG München I, Beschluss vom 24.06.2003 - 14 T 10451/03, NJW-RR 2004, 523). Aus Gründen der Prozessökonomie kann das Gericht in einem solchen Fall die Verhandlung bis zum Ablauf der Zustimmungsfrist gemäß § 227 ZPO vertagen (Weidenkaff aaO Rn. 21); zwingend ist dies jedoch nicht (LG München I aaO).

Redaktion beck-aktuell, 1. August 2019.